"Abschied von einer Diva", titelt De Morgen. "Sie war mehr als ein Sexsymbol", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Eine ewige Rebellin", schreibt Le Soir. "Sie war frei bis zum Schluss", so formuliert es La Libre Belgique.
Brigitte Bardot prangt heute auf ausnahmslos allen Titelseiten. Die französische Ikone der 1950er und -60er Jahre ist gestern im Alter von 91 Jahren gestorben. "Schauspielerin, Sexsymbol, Tierschutzaktivistin und … alles andere als unumstritten", bemerkt aber Gazet van Antwerpen. De Standaard nennt sie die "Lichtgestalt der sexuellen Befreiung, die in Hass abglitt". Het Laatste Nieuws bringt es auf den Punkt: "Bis zu ihrem 91. Lebensjahr wurde sie angebetet als die Frau, die sie mit 22 war". Nachdem sie ihre Schauspielkarriere beendet hatte, hatte sich Bardot ja zunehmend radikalisiert und war politisch immer weiter nach extremrechts gerückt.
Eine Freiheit in Reinform
In erster Linie war Brigitte Bardot aber ein Mythos, ist La Dernière Heure überzeugt. Mehr noch: BB war eine Revolution. Sie symbolisierte wie keine Andere die Befreiung der Frau, ohne Komplexe, eins mit ihrem Körper, frech und trotzdem irgendwie unschuldig. Und mit ihrer Art, hat sie nicht nur eine Epoche geprägt, sondern sie regelrecht aufgerüttelt. Trotz ihrer strahlenden Schönheit hatte die französische Marilyn aber auch ihre Schattenseiten. Nach ihrem freiwilligen Rückzug aus der Filmbranche wurde sie zur Aktivistin. Ihre Stellungnahmen waren oft brutal, manchmal extrem, und damit ist sie angeeckt. BB sprach ohne Filter; dass sie dabei rote Linien überschritt, war ihr egal. Aber letztlich war sie auch hier eigentlich nur konsequent: Diese Frau war frei, bis in die Haarspitzen und bis zum Schluss.
L'Avenir sieht das ähnlich. Brigitte Bardot hat nie halbe Sachen gemacht. Als Schauspielerin und Sängerin wurde sie zu einem weltweiten Mythos. Auch, weil sie sich nie in eine Rolle drängen ließ, sondern immer selbstbestimmt war. Mit nicht mal 40 Jahren verließ sie die Glitzerwelt des Kinos: Während so viele sich ans Licht klammern, entschied sie sich für den Schatten. Danach verschrieb sie sich dem Tierschutz, und das mit derselben Energie, die sie schon immer ausgezeichnet hatte. Und ja: Dabei konnte sie entgleisen; ihre Worte wurden rassistisch, reaktionär, verletzend. Man sollte Brigitte Bardot aber nicht darauf reduzieren. Diese Frau wollte nie gefallen. Sie sprach, wie sie lebte: ohne Filter, ohne Kalkül. Sie inkarnierte eine Freiheit in Reinform: vollständig, oft ungeniert, selten bedacht.
Viel Sprengstoff und erhebliche Risiken
Viele Leitartikler beschäftigen sich aber auch mit der Reformagenda der Regierung und ihren konkreten Auswirkungen. Im Mittelpunkt steht da vor allem die zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes. Die Maßnahme tritt ja am 1. Januar in Kraft, also Ende dieser Woche.
"Das ist eine Wette auf die Zukunft", analysiert Le Soir. Erstens: Es ist mehr als fraglich, dass diese Reform dafür sorgen wird, dass am Ende mehr Menschen in Lohn und Brot sind. Abgesehen davon, dass es nach wie vor nicht genug Jobs für alle gibt, verfügen viele Erwerbslose schlichtweg nicht über ein geeignetes Profil. Zweitens: Die Beschneidung der Sozialleistungen hat zwangsläufig zur Folge, dass die Kaufkraft der Betreffenden sinkt. Dadurch wird die Binnennachfrage geschwächt, und das hat natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaft und damit auch auf die Beschäftigungslage. Und drittens: Die Reform hat eine unübersehbare gemeinschaftspolitische Komponente, weil die Maßnahme die Wallonie und Brüssel viel härter treffen wird als den nördlichen Landesteil. Die zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes birgt also viel Sprengstoff und ist mit erheblichen Risiken verbunden. Die Arizona-Koalition pokert hier hoch.
Verwässerte Maßnahmen
Auch La Libre Belgique warnt vor den Auswirkungen der Reform. Die Regierung geht davon aus, dass rund ein Drittel der Betroffenen sich einen Job suchen wird. So angenehm das in manchen Ohren auch klingen mag, das ist wahrscheinlich ein bloßer Wunschtraum. Man verkennt hier schlicht und einfach die Komplexität individueller Lebenssituationen. Deswegen ist es von tragender Bedeutung, dass die Betroffenen adäquat begleitet werden. So wichtig diese Reform auch sein mag, sie darf sich nicht anfühlen wie eine kalte Rechenoperation.
Die Regierung ist aber nicht ganz unschuldig an der aktuellen Unruhe, kritisiert Het Nieuwsblad. Ein Markenzeichen der Arizona-Koalition, das sind nämlich unfertige Abkommen, die also nicht bis ins Detail ausdiskutiert sind. Und eben über diese Details wird dann in der Folge noch endlos lang gefeilscht, werden immer wieder Korrekturen vorgenommen oder Ausnahmeregelungen hinzugefügt. Die Folge ist, erstens, dass viele Maßnahmen am Ende verwässern, und, zweitens, dass man dadurch auf dem Terrain für erhebliche Unsicherheit sorgt. Mit diesem Flickwerk wirft die Regierung einen Schatten auf ihre doch eigentlich respektable Bilanz.
Der Preis der Vogel-Strauß-Politik
Dennoch: "Ehre, wem Ehre gebührt: Diese Regierung hat die Dinge angepackt, hat Reformen angestoßen, die viele in diesem eingerosteten Land längst aufgegeben hatten", lobt Het Belang van Limburg. Das gilt in erster Linie für die Befristung des Arbeitslosengeldes. Zugegeben: diese Reform ist mit Risiken verbunden, doch darf das kein Grund sein, sie liegen zu lassen.
"Denn genau das hat uns doch in diese Lage gebracht", scheint De Standaard einzuhaken. Eine der vornehmlichsten Eigenschaften belgischer Politiker war nämlich bislang die Prokrastination, die Aufschieberitis. Jahrzehntelang wurden dringend nötige Reformen einfach auf die lange Bank geschoben. Die Verantwortung dafür ist eigentlich kollektiv. Denn nicht nur die Politik hat den Kopf in den Sand gesteckt, sondern auch die Gewerkschaften und Krankenkassen. Auch sie haben bei offensichtlichen Fehlentwicklungen einfach weggeschaut, haben nie wirklich langfristig gedacht. Jetzt zahlen wir alle den Preis für diese Vogel-Strauß-Politik. Das Verdienst der Arizona-Koalition ist es, die verkrusteten Strukturen aufgebrochen zu haben. Jetzt muss sie allerdings konsequent bleiben.
Roger Pint