"Hochspannung bei EU-Gipfel: Wer setzt sich durch, De Wever oder Merz?", fragt De Standaard auf Seite eins. "Belgien beugt sich (noch) nicht im Streit um die russischen Vermögenswerte", so die Schlagzeile von De Morgen. "Russische Vermögenswerte: Die Europäer suchen noch nach dem Schlüssel", notiert La Libre Belgique auf Seite eins.
Der heutige EU-Gipfel in Brüssel ist zwar für viele Zeitungen das Aufmacherthema auf den Titelseiten, wird aber nur von De Morgen auch im Leitartikel aufgegriffen. Dort schreibt die Zeitung: Die italienische Premierministerin Georgia Meloni hat sich zur neuen Angela Merkel entwickelt. Ihr Einfluss bei der EU ist überraschend groß. Deshalb ist es bemerkenswert, dass auch sie jetzt im Vorfeld des heutigen Gipfels Zweifel an der Verwendung der russischen Vermögenswerte, die in Brüssel bei Euroclear liegen, für die Ukraine-Hilfe geäußert hat. Bart De Wever bekommt dadurch einflussreiche Unterstützung – auch wenn die Gründe für den Widerstand durchaus unterschiedlich sind. Auch beim Freihandelsabkommen Mercosur hat Meloni ihre eigenen Ideen. Als sie vor drei Jahren in Italien an die Macht kam, hatten viele Angst vor der Faschistin Meloni. Aus der europäischen Politik ist diese Angst weitgehend verschwunden, beobachtet De Morgen.
Widerstand stößt auf taube Ohren
Zum Freihandelsabkommen Mercosur bemerkt L'Avenir: Das Abkommen ist aus Sicht der EU ein schlechter Kompromiss zwischen Green Deal und Greenwashing. Auf der einen Seite will die EU mit dem Freihandelsabkommen den ökologischen Fußabdruck verringern. Gleichzeitig fördert sie den transatlantischen Handel und will Dinge importieren, die es in Europa bereits in ausreichender Menge und besserer Qualität gibt. Die Widerstände gegen Mercosur stoßen bei der EU-Kommission auf taube Ohren. Sie hofft, das Abkommen in den kommenden Stunden zu unterzeichnen. Der massive Protest der europäischen Landwirte heute in Brüssel wird daran höchstwahrscheinlich nichts ändern, glaubt L'Avenir.
Vorgestern hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die CO2-Ziele im Automobilsektor zu lockern und auch Pkw mit Verbrennermotoren nach 2035 zulassen zu wollen.
De Standaard beobachtet: Alle schimpfen über das, was die Kommission da vorgelegt hat. Und das ist immer ein Zeichen dafür, dass die Kommission einen guten Kompromiss gefunden hat. Er könnte fast belgisch genannt werden. Und in der Tat: Die Kommission weicht zwar ein bisschen von ihren Klimazielen ab, aber behält sie weiter im Auge. Sie fördert die Produktion von grünem Stahl und den Bau von kleinen Elektroautos "made in Europe". Das alles passt in die neue protektionistische Linie der EU, mit der China auf Abstand gehalten werden soll, analysiert De Standaard.
Theoretisch gut durchdacht
De Tijd dagegen wertet: Man merkt es den Kommissionsvorschlägen an, dass sie theoretisch gut durchdacht sind. Mehr E-Autos, vor allem auch mehr kleine E-Autos, ein bisschen Freiheit für Europas Ingenieure, um den Verbrennermotor umweltfreundlicher zu gestalten. Doch eigentlich überall stoßen diese schönen Ideen auf die Realität. Und dort gibt es weiter viele Widerstände gegen einen schnellen Siegeszug des E-Autos. Norwegen hat es dagegen vorgemacht, wie es geht: nämlich mit großzügigen Steuervorteilen. Aber auf diesem Feld hat die EU keine Befugnisse, bedauert De Tijd.
Le Soir berichtet: 96 Schießereien hat es 2025 in Brüssel gegeben. Die Föderalregierung hat das Problem erkannt. 45 Soldaten sollen bald in Brüssel, aber auch in Antwerpen die Polizei dabei unterstützen, besonders die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Wegen politischer Spielchen wird diese Maßnahme zurzeit noch von der CD&V blockiert. Doch ganz grundsätzlich kann man sich fragen, ob Soldaten alleine eine sinnvolle Maßnahme sind. Denn viel besser als einfach nur mehr Macht auf der Straße zu demonstrieren, wäre es, eine globale Strategie gegen den Drogenhandel zu entwickeln: mit Prävention, Hilfe für die Drogenabhängigen und letztlich natürlich auch Repression, schlägt Le Soir vor.
Keine Wunderwaffe
La Libre Belgique erinnert: Seit 2016 wird die Zusammenlegung der Brüsseler Polizeizonen als Wunderwaffe angesehen, um die Kriminalität in der Hauptstadt wirkungsvoller zu bekämpfen. Die vernichtende Kritik des Staatsrats an den aktuellen Plänen der Föderalregierung zur Einrichtung einer Polizeizone in Brüssel, sollte die Politiker zum Anlass nehmen, noch einmal über ihre Wunderwaffe nachzudenken. Denn in Antwerpen, das gerne als Beispiel für eine einheitliche Polizeizone genommen wird, explodieren weiter regelmäßig Granaten und gelangen weiter Drogen über den Hafen in die Stadt, kritisiert La Libre Belgique.
Kay Wagner