Weitere große Themen sind das Schicksal des ehemaligen Brügger Bischofs Roger Vangheluwe und einmal mehr die innenpolitische Krise.
Nahezu allgegenwärtig ist heute das Foto des Limburgischen Radprofis Johan Vansummeren, der gestern den Radklassiker Paris-Roubaix gewonnen hat, auch bekannt als "Die Hölle des Nordens". "Vansummeren der Überraschungssieger", titelt heute L’Avenir. "Von der Hölle in den Himmel" meint Het Nieuwsblad auf Seite 1. Gazet van Antwerpen fasst es auf Seite 1 zusammen: "Triumph in der Hölle und in der Liebe".
Triumph eines Wasserträgers
Tatsächlich hat Johan Vansummeren gleich nach seinem Sieg seiner Freundin einen Antrag gemacht. "Jasmine, willst du mich heiraten?", so lautet denn auch der Titel des Sonderheftes, das Het Belang Van Limburg dem Ereignis widmet. Kommentierend meint das Blatt: Johan Vansummeren ist jetzt erst recht ein Vorbild für jeden Nachwuchsfahrer. Er ist nämlich eigentlich gar kein Siegertyp, sondern das, was man in der Branche einen Wasserträger nennt.
Sein Markenzeichen ist Selbstaufopferung, er denkt erst an die Teamkollegen, dann an sich selbst. Und er werde sich nicht ändern, zitiert ihn auch La Dernière Heure. Vielleicht ist das so, doch hat sich Johan Vansummeren für die Ewigkeit in die Siegerliste des wohl renommiertesten Klassikers eingetragen: Die Krönung der Karriere eines unermüdlichen Arbeiters.
Amoklauf in Holland
Im krassen Kontrast dazu steht das zweite große Thema, das heute insbesondere die Titelseiten der flämischen Presse prägt: Der Amoklauf in einem Einkaufszentrum im niederländischen Alphen aan den Rijn. "Holland unter Schock" titelt heute Gazet Van Antwerpen. De Morgen spricht vom "wilden Wahnsinn" und Het Laatste Nieuws stellt neben einem Foto des Täters in Blockbuchstaben die Frage: Was hat ihn beseelt? Der 24-Jährige hatte am Samstag in einem Einkaufszentrum wild um sich geschossen und dabei 23 Menschen getroffen. Sechs von ihnen starben, zwei kämpfen noch um ihr Leben. De Morgen beschreibt den Täter als einen lebensmüden Waffennarren mit psychiatrischer Vorgeschichte.
Holland hat ein Gewaltproblem, meint dazu Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Erst die Morde an Pim Fortuyn und Theo van Gogh, dann der Anschlag am Königinnentag und jetzt das. Der Amoklauf wirft viele Fragen auf. Unter anderem die: Laufen in Holland Menschen durch die Straße, von denen man eigentlich weiß, dass sie weggesperrt gehören? Doch Vorsicht: Das beschränkt sich nicht auf Holland, das kann auch bei uns passieren.
Was Menschen dazu bringt, andere mit in den Tod zu reißen, auf diese Frage finden wir nach wie vor keine Antwort, konstatiert De Standaard. Im Grunde stellt sich die Frage: Wo hört eine individuelle Störung auf und wo beginnt ein Webfehler in der Gesellschaft? Jetzt den Fehler bei den psychiatrischen Einrichtungen zu suchen, wäre wohl ungerecht: Es wird immer Leute geben, die durch das Netz schlüpfen.
"Eine Strafe, die keine ist"
Fast alle Zeitungen berichten heute über das Schicksal des ehemaligen Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe. Der hatte vor knapp einem Jahr zugegeben, seinen zum Tatzeitpunkt minderjährigen Neffen über Jahre hinweg sexuell missbraucht zu haben. Der Vatikan hat jetzt seine Strafe bekannt gegeben, wie unter anderem Het Laatste Nieuws berichtet. Vangheluwe muss sich demnach in Frankreich einer "spirituellen und psychologischen Behandlung" unterziehen. Beobachter wie der Kirchenrechtler und CD&V-Politiker Rik Torfs nannten diese Sanktion bereits "eine Strafe, die keine ist."
Einige Leitartikler üben scharfe Kritik an der Haltung der Kirche. Wenn auch die Vorwürfe gegen Vangheluwe verjährt sind, so darf man die Strafe gegen den Ex-Bischof letztlich als glimpflich bezeichnen, meint etwa Le Soir. Vangheluwe bleibt Priester, nachdem viele seine Rückstufung in den Laienstand gefordert hatten. Für diese Absurdität gibt es keine Erklärung. Doch, vielleicht eine: Indem man Vangheluwe schont, relativiert man auch die Verantwortung derer, die ihn gedeckt haben.
"Wie weltfremd können Institutionen werden?", fragt sich De Morgen. "Wie scheinheilig kann man sein?" Die Kirche denkt nur an sich selbst und sie schlägt damit den vielen Opfern von sexuellen Übergriffen durch Kirchenvertreter mitten ins Gesicht.
Die Kirche hat schon eine ganze Reihe von Chancen verpasst, um dieses tragische Kapitel ehrenhaft zu beenden, meint etwa Het Nieuwsblad. Früher wurde die Messe gelesen mit dem Rücken zu den Gläubigern und dem Gesicht zum Herrn. Auch diesmal kehrt die Kirche vielen aufrichtigen Gläubigern wieder den Rücken zu. Ob mit dem Gesicht zum Herrn, das ist eine andere Frage.
La Libre Belgique sieht das Ganze ein wenig nuancierter. Erstens: Vangheluwe erwartet jetzt kein Goldenes Exil. Zweitens: Nichts hindert die Kirche daran, noch weitere Strafmaßnahmen gegen ihn zu verhängen. Jedenfalls würden die Belgier, nicht nur die Katholiken, es nicht verstehen, wenn es dabei bleiben würde. Denn schließlich geht es hier um den Respekt den Opfern gegenüber.
Von Provokationen und möglichen Regierungsbildnern
Viele Zeitungen widmen sich auch heute der innenpolitischen Lage. Am Wochenende hatte ja unter anderem Rudy Demotte, der Ministerpräsident der Wallonischen Region und der Französischen Gemeinschaft, eine spektakuläre Idee in den Raum gestellt: Demnach könnte die Region Brüssel-Hauptstadt einige Gemeinschaftsmaterien, wie Kultur oder Unterricht, zumindest teilweise übernehmen.
Der Vorstoß wird auffallend wenig kommentiert. Dafür liefert L'Avenir in seinem Leitartikel eine mögliche Erklärung: Erst die "Föderation Wallonie-Brüssel", jetzt die Idee von Rudy Demotte: Hier handelt es sich doch um nicht mehr als bloße Provokation, die niemand wirklich ernst nimmt. Die Arbeit von Vermittler Wouter Beke dürfte das Ganze jedenfalls nicht über Gebühr stören.
Apropos Beke: Für den Fall, dass er doch seine Mission erfolgreich abschließt, gibt es auf der Titelseite von Le Soir nur einen, der die Fackel übernehmen könnte. Der einzige Politiker, der zum jetzigen Zeitpunkt als Regierungsbildner der Arena betreten könnte, wäre demnach kein geringerer als der amtierende Premier Yves Leterme.
Bild: Benoit Doppagne (belga)