"Selenskyj muss ohne Raketen abreisen", titelt Le Soir. "Komplimente, aber keine Raketen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Trump glaubt, dass Raketen nicht nötig sind, um den Krieg zu beenden", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Wolodymyr Selenskyj ist gestern von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen worden. Der ukrainische Präsident war nach Washington gekommen in der Hoffnung, dass die USA seinem Land Tomahawk-Raketen verkaufen. Hier handelt es sich um Marschflugkörper mit einer Reichweite von 2.500 Kilometern. Das würde der Ukraine also ganz andere Spielräume geben. Trump hatte erst seine Zustimmung für die Lieferung signalisiert. Nach einem Telefonat mit Kreml-Chef Putin hat er seine Meinung aber offensichtlich geändert.
Schlüssel zum Frieden?
"Ist die Methode Trump der Schlüssel zum Frieden?", fragt sich De Standaard auf seiner Titelseite und auch in seinem Leitartikel. Denn man muss zugeben, dass der US-Präsident immer wieder auch positiv überrascht, trotz oder vielleicht wegen seiner impulsiven Politik. Im Gaza-Krieg hat er jedenfalls einen Waffenstillstand forciert. Man mag seine narzisstische Obsession mit dem Friedensnobelpreis belächeln, doch ist Trump das gelungen, woran alle anderen gescheitert sind. Wir sollen nun gemäßigte Bürger aus dem Zentrum damit umgehen? Denn nach außen hin mag es so aussehen, dass Trump seine populistischen Versprechen tatsächlich umsetzt, dass er Tatkraft zeigt. Im Gegensatz zu den europäischen Demokratien, die oft durch Trägheit glänzen. Am Ende könnte gar der Eindruck entstehen, als würde der ominöse "starke Mann" an der Spitze eines Staates tatsächlich die Probleme schneller und effizienter lösen. Ja, so mag es aussehen. Aber was bei all dieser Tatkraft irritiert, gar Angst einflößt, das ist die Willkür. Wenn Trump morgen keine Lust mehr hat, die Friedenstaube zu spielen, dann könnte er mit derselben Zügellosigkeit in den Krieg ziehen. Einziges Kriterium sind da die Umfragen und – damit verbunden – sein Ego. Davon abgesehen ist Trump bei seinen Friedensbemühungen nur auf Äußerlichkeiten bedacht und nicht auf Gerechtigkeit. Wirklich nachhaltig Frieden zu schaffen, das ist ein langer Prozess.
Haushalt – Die Ausgangslage könnte doch nicht besser sein
Viele Zeitungen beschäftigen sich aber auch weiter mit den laufenden Haushaltsberatungen. "Das Budget setzt die Arizona-Koalition unter Druck", stellt Le Soir auf seiner Titelseite fest. Het Belang van Limburg ist deutlicher: "Der Haushalt ist total festgefahren", schreibt das Blatt. Es wird jedenfalls immer wahrscheinlicher, dass Premierminister Bart De Wever auch seine für den kommenden Dienstag geplante "Rede zur Lage der Nation" wieder – dann zum zweiten Mal – verschieben muss.
Viele Leitartikler reagieren mit Kopfschütteln auf die neuerliche Koalitionskrise. "Was wollt ihr eigentlich noch?", zischt etwa sinngemäß Het Nieuwsblad. Die Ausgangslage könnte besser nicht sein. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass eine Föderalregierung eine Mehrheit auf beiden Seiten der Sprachgrenze hat, die noch dazu ideologisch mehr oder weniger auf einer Linie ist. Und doch scheinen die Haushaltsgespräche inzwischen wieder auf politisches Flickwerk hinauszulaufen. Arizona macht es am Ende doch wieder wie alle Vorgänger: Deadlines verstreichen, die Parteien liefern sich Scheingefechte und schieben den Schwarzen Peter hin und her. Es ist vielleicht noch nicht so schlimm wie in Frankreich, aber von der versprochenen Tatkraft sind wir inzwischen weit entfernt. Dabei war das Mandat der Wähler deutlich. Grob zusammengefasst: "Bringt die Dinge in Ordnung, und sorgt dabei für soziale Korrekturen. Und das bitte ohne Theater und Gedöns!". Das wäre in der Tat im Interesse aller Regierungsparteien. Denn man weiß inzwischen: Der Wähler belohnt gute Politik.
Die Realität des Terrains darf nicht vergessen werden
Das GrenzEcho sieht das ähnlich: Es ächzt und kracht mal wieder im Gebälk der Arizona-Koalition, meint das Blatt. Die Regierung, die angetreten war, um Ordnung in die Staatsfinanzen zu bringen, sie wirkt erschöpft, zerstritten und ratlos. Die Koalitionäre sitzen auf ihren Roten Linien wie auf Pulverfässern. Jeder blockiert jeden. Die Risse in der Koalition spiegeln eine tiefere Frage: Wie weit darf ein Staat gehen, um seine Finanzen zu sanieren? Wer Arbeitslosenunterstützung begrenzt, Gesundheitsausgaben drosselt und Sozialbudgets kürzt, der trifft keine abstrakten Posten, sondern Menschen. Und das in einem Land, in dem fast ein Fünftel der Menschen als armutsgefährdet gilt. Und, anders als die Regierung behauptet, gibt es durchaus Alternativen: gerechtere Steuern, gezieltere Investitionen, klügere Einsparungen. Ansonsten droht weiterer Vertrauensverlust, der schwerer wiegen kann als jede Haushaltslücke.
Jede Reform hat ihre Schattenseiten, warnt auch Het Belang van Limburg. Während man in der Rue de la Loi Zahlen hin und her schiebt, bereiten sich etwa die Öffentlichen Sozialhilfezentren auf einen veritablen Sturm vor. Denn all die Menschen, die Anfang kommenden Jahres das Arbeitslosengeld gestrichen bekommen, die verschwinden ja nicht einfach von der Bildfläche. Viele von ihnen werden morgen bei den ÖSHZ anklopfen, und vielleicht auch bei den Lebensmittelbanken. Und übermorgen tauchen sie in der Armutsstatistik auf. Klar: Es ist legitim, wenn eine Regierung versucht, Missbräuche zu bekämpfen und Menschen für den Arbeitsmarkt reaktivieren will. Es gibt aber die Realität des Terrains. Auf eine Formel reduziert: Die Grenze zwischen einem würdigen Leben und dem reinen Überleben wird immer dünner.
Blinde Austeritätspolitik ist der falscher Weg
Die Haushaltsgespräche haben inzwischen einen rein buchhalterischen Charakter, meint auch L'Echo. Es geht nur noch um Zahlen, die es dann am Ende erlauben sollen, die Löcher zu stopfen. Von einer Vision keine Spur. Das geht so weit, dass die Regierung entscheidende belgische Eigenheiten aus den Augen verloren hat. Konkret: Wenn das Land und seine Wirtschaft die letzten Krisen statthaft überstanden hat mit einem Wachstum, das über dem europäischen Durchschnitt lag, dann war das allein der Binnennachfrage zu verdanken. Ja, zugegeben, diese Binnennachfrage wurde gestützt durch die öffentliche Hand. Wenn die Regierung die Kaufkraft beschneidet, dann sägt sie genau an diesem Ast. Und das in einer Situation, in der die heimischen Unternehmen ohnehin schon schwächeln. Eine blinde Austeritätspolitik wäre also der falsche Weg.
Roger Pint