"Die ersten Haushaltsvorschläge im Blickpunkt", titelt De Morgen. "Auch Renovieren könnte teurer werden", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Die Haushaltsberatungen sind in ihre heiße Phase eingetreten. Premierminister Bart De Wever machte quasi den Auftakt, indem er eine Reihe von Vorschlägen auf den Tisch legte. Die sind nun durchgesickert. Demnach schwebt dem Premier nicht nur ein Indexsprung vor, sondern auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den Langzeitkranken. Die Note kam aber am Verhandlungstisch nicht besonders gut an: "Bart De Wever irritiert seine Partner", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Die Arizona-Reihen sind aktuell nicht geschlossen", so formuliert es Le Soir.
"So kann das nicht funktionieren!", ist De Tijd in ihrem Leitartikel überzeugt. Die Arizona-Parteien scheinen wohl vergessen zu haben, worum es hier geht. Wir stehen – mit Namen – vor der schwierigsten Haushaltssanierung seit den 1980er Jahren. Und was sehen wir? Da werden halbgare Vorschläge in den Raum gestellt, die von den Partnern gleich mit einem Handstreich wieder vom Tisch gefegt werden. Erschreckend ist dabei auch, wie wenig Bereitschaft in dieser Koalition zu erkennen ist, von den jeweiligen ideologischen Standpunkten abzurücken. Der Eine oder die Andere sollten sich doch noch einmal vor Augen halten, dass die Staatsausgaben in Belgien überdurchschnittlich hoch sind: Platz vier im europäischen Vergleich. Und doch bleiben einige Parteien bei ihrer ellenlangen Liste von Tabus und Heiligen Kühen, die bloß nicht angerührt werden dürfen. Die Gefahr ist groß, dass all das dazu führt, dass am Ende wieder nur "halber Kram" dabei herauskommt, Flickwerk. Genau das hat uns aber letztlich erst in diese Misere gebracht.
"Jetzt wird es schmerzhaft!"
"Welcher Teufel hat Bart De Wever geritten?", fragt sich sinngemäß Het Nieuwsblad. Der Premier hat offensichtlich zwischenzeitlich wieder die Mütze des N-VA-Vorsitzenden aufgezogen, der er im Übrigen gar nicht mehr ist. Seine Haushaltsnote ist jedenfalls nichts Anderes als reine politische Profilierung. Jeder weiß, dass ein Indexsprung politisch unmöglich ist. Außerdem wäre eine solche Maßnahme auch noch kontraproduktiv: De Wever will doch eigentlich die Beschäftigungsrate erhöhen, also dafür sorgen, dass mehr Menschen im Arbeitsleben sind. Und zugleich will er jetzt also Arbeit unattraktiver machen. Im Grunde hat er da eine rein ideologische Position eingenommen. Weniger als eine Woche vor Ablauf der Deadline war das wohl unklug. De Wevers Pamphlet hat die Laune am Verhandlungstisch unnötig versaut.
Het Laatste Nieuws sieht das ein bisschen anders. De Wever hat mit seiner Haushaltsnote eigentlich nochmal gezeigt, woher der Wind weht. Die Botschaft lautet schlicht und einfach: "Jetzt wird es schmerzhaft!". Und, das muss man ihm lassen: Der Premier redet nicht um den heißen Brei herum und hat auch keine Angst vor unbequemen Wahrheiten. Aber eins darf er dabei nicht vergessen: Er muss die Menschen mitnehmen. Aus jüngsten Umfragen geht hervor, dass die Koalition virtuell ihre Mehrheit verloren hat. Wenn man das ändern will, dann braucht man breite Akzeptanz. Und die bekommt man nur durch Ausgewogenheit und eine gerechte Lastenverteilung.
Zahlen Otto und Lieschen die Zeche?
L'Avenir schlägt genau in diese Kerbe. Jetzt ist die Jagd auf Milliarden eröffnet. Doch scheint sich die Regierung nur auf die kleinen Tiere konzentrieren zu wollen. Das Großwild wird konsequent geschont. Aus der Haushaltsnote des Premiers geht jedenfalls deutlich hervor, dass Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller am Ende wieder die Zeche zahlen dürfen. Viele Menschen verstehen nicht, warum die wirklich Reichen und auch die Multinationals systematisch aus der Schusslinie gehalten werden. Das ist in der derzeitigen Situation nicht mehr nachvollziehbar.
De Wever und auch einige frankophone Liberale betätigen sich gerade als Bombenleger, giftet La Dernière Heure. Die Idee eines Indexsprungs etwa ist letztlich wohl nur ein reiner Testballon. Hier ging es nur darum, die Partner in die Defensive zu drängen und sie so dazu zu bringen, in anderen Bereichen nachzugeben. Abzuwarten ist, wie nach all diesen Blendgranaten die wahre Bombe aussehen wird.
Europa zahlt einen hohen Preis für seine Trägheit
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit den Milliardeninvestitionen, die die Online-Riesen Amazon und Google gerade in Belgien angekündigt haben. "Muss man da wirklich applaudieren?", fragt sich nachdenklich L'Echo. Klar: Auf den ersten Blick sind das natürlich gute Neuigkeiten. Amazon will eine Milliarde Euro in Belgien investieren, Google sogar fünf Milliarden. Das allerdings nicht aus reiner Nächstenliebe. Hier geht es nicht um Belgien, die Konzerne haben vielmehr allein ihre Interessen vor Augen. In beiden Fällen geht es nur um wenige hundert Arbeitsplätze. Gleichzeitig wird damit aber noch die Abhängigkeit von amerikanischen Tech-Unternehmen untermauert. Damit das klar ist: Niemand will hier in die Suppe spucken. Man sollte nur einen abgeklärten Blick auf diese Milliarden werfen. Wenn Europa in Zukunftsbranchen eigene Wege beschreiten will, dann sollte man nicht auf Google oder Amazon setzen, sondern auf eigene Unternehmen.
Le Soir sieht das genauso. Beide Konzerne sind alles, nur keine philanthropischen Unternehmen. Beide widersetzen sich den strategischen und ethischen Bestrebungen in Europa, lehnen etwa jedwede Regulierung ab. Amazon bedroht mit seinem Geschäftsmodell den belgischen Einzelhandel und auch die sozialen Errungenschaften auf unserem Arbeitsmarkt. Die Europäer zahlen einen hohen Preis für ihre Trägheit: Weil sie es nicht schaffen, eigene Digital-Champions aufzubauen, sind sie in vielen zentralen Bereichen ultraabhängig von den USA. Die raren technologischen Leuchttürme auf dem Alten Kontinent sind auf Weltebene mit einigen wenigen Ausnahmen Zwerge. Man kann den Ankündigungen von Amazon und Google nicht zujubeln, ohne sich wirklich existentielle Fragen zu stellen.
Roger Pint