"Untröstlich", titelt La Dernière Heure. "Enttäuschter Evenepoel gewinnt Silber bei der WM", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Remco war gut, aber Pogacar war besser", meint Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite.
Der zweite Platz des belgischen Radprofis Remco Evenepoel beim Straßenrennen der Radweltmeisterschaft in Ruanda ist zwar das Top-Thema auf den Titelseiten der Zeitungen. In den Leitartikeln beschäftigen sie sich allerdings hauptsächlich mit dem Haushalt der Föderalregierung.
La Libre Belgique stellt fest: Die Stimmung ist bedrückt und das ist kein Wunder. Denn die Realität ist brutal: 26,6 Milliarden Euro müssen gespart werden. Und das zu einer Zeit, wo die Ausgaben für Verteidigung, Renten, Justiz, Sicherheit und Klima deutlich steigen, die Einnahmen aber nur stagnieren. In so einer Lage wäre es gut, wenn unsere Politiker alles auf den Prüfstand stellen. Tabus müssen fallen, hinter geschlossenen Türen muss Tacheles geredet werden. Sonst wird es nicht gehen. Unsere Politiker wissen das auch. Jetzt müssen sie den Mut aufbringen, auch so zu handeln, weiß La Libre Belgique.
Van Peteghem legt den Finger in die Wunde
Auch Het Laatste Nieuws hält fest: Sparen ist nötig, daran führt kein Weg vorbei. Denn wenn die Regierung jetzt nichts tut, dann steigt das Defizit bis 2029 auf sage und schreibe 39 Milliarden Euro an. Sparen wird auch möglich sein. Premierminister Bart De Wever ist allerdings gut beraten, immer gut zu erklären, warum er wo spart. Denn tut er das nicht, wird das passieren, was in Flandern gerade geschieht. Viele Bürger verstehen nicht, warum sie plötzlich 36 Euro mehr für die Krankenkasse zahlen sollen. Und Flanderns Ministerpräsident Diependaele konnte bisher auch nicht erklären, wofür genau er dieses Geld braucht. So etwas muss De Wever vermeiden, rät Het Laatste Nieuws.
De Morgen stellt erfreut fest: Haushaltsminister Vincent Van Peteghem hat in Interviews am Wochenende genau das gemacht, was jetzt nötig ist. Er hat den Finger in die Wunde gelegt. Um die Staatsfinanzen zu sanieren, müssten Steuervorteile für gutverdienende Manager, arbeitende Studenten und Flexijobber abgeschafft werden, sagt Van Peteghem. Das ist ein richtiger Gedanke. Denn durch diese Vorteile entgeht dem Staat viel Geld. Gerade für die Manager sind auch die Vorteile nicht gerecht. Die Chancen, dass sich Van Peteghem mit seinen Ideen durchsetzt, stehen allerdings schlecht. Allen voran MR-Vorsitzender Georges-Louis Bouchez wird versuchen, diese Maßnahmen mit allen Mitteln zu verhindern, gibt De Morgen zu bedenken.
Maßnahme trifft die Falschen
Het Nieuwsblad ergänzt: Eine andere Idee von Van Peteghem ist, den Eigenanteil der Patienten bei Arztbesuchen zu erhöhen. Dadurch will der Minister erreichen, dass Menschen, die für jedes Wehwehchen zum Arzt laufen, das nicht mehr machen und dadurch dann die Kosten für die Krankenkassen fallen. Das ist aber zu kurz gedacht. Denn wenn der Eigenanteil an der Arztrechnung steigt, werden vor allem die armen Menschen nicht mehr zum Arzt gehen. Die Maßnahme wird die Falschen treffen. Und die Menschen mit Wehwehchen werden trotzdem weiter die Arztpraxen belagern, glaubt Het Nieuwsblad.
Mit Blick auf die Armut berichtet L'Avenir: Im europäischen Vergleich schlägt sich Belgien ganz gut im Kampf gegen die Armut. Das lässt sich zumindest aus einem europäischen Vergleich herauslesen. Belgien liegt dabei um zwei Punkte über dem Durchschnitt und liegt auf Platz elf von 28 Ländern. Das hört sich gut an, oder? In der Realität gelten allerdings gut 2,1 Millionen Menschen in Belgien als armutsgefährdet. Und gut elf Prozent von ihnen gelten schon als arm. Auch daran sollte gedacht werden, wenn es um mögliche Einsparungen im Sozialsystem geht, unterstreicht L'Avenir.
Neuwahlen in der Hauptstadtregion?
La Dernière Heure kommt auf Georges-Louis Bouchez zurück und behauptet: Bouchez ist zurzeit wohl der bekannteste frankophone Politiker in unserem Land. Populär dagegen ist er nicht. Unter den Top Ten der beliebtesten Politiker taucht er nicht auf. Bouchez selbst kann damit umgehen. Das ist der Preis, sagt er, den Politiker dafür zahlen, dass sie unangenehme Themen aufgreifen und Reformen planen. Damit könnte er durchaus Recht haben. Denn auch die Mitglieder der Regierungen im Land verlieren zurzeit alle an Popularität, beobachtet La Dernière Heure.
Zur politischen Situation in Brüssel kommentiert Le Soir: Noch immer gibt es keine neue Regierung in der Hauptstadtregion. Der Ruf nach Neuwahlen wird lauter. Aber auch Neuwahlen würden an den grundlegenden Problemen in Brüssel nichts ändern. Die Haushaltslage dort ist äußerst besorgniserregend. Die Zersplitterung bei den flämischen Parteien ist groß, und gerade diese flämischen Parteien schauen immer auch nach Flandern und zur föderalen Ebene, bevor sie Entscheidungen in Brüssel treffen. Die einzige Lösung wäre, einfach mal Mehrheiten zu bilden und dann Regierungsverhandlungen zu starten, fordert Le Soir.
Kay Wagner