"Trumps unverständliche Kehrtwende im Ukraine-Konflikt", titelt La Libre Belgique. "Wie ernst müssen wir Trumps Russland-Kurve nehmen?", fragt sich De Morgen auf Seite eins. "Selenskyj surft auf Trumps Kehrtwende", so die Schlagzeile von L'Echo.
Viele Zeitungen beschäftigen sich nach wie vor mit der Rede von US-Präsident Donald Trump vor den Vereinten Nationen. Darin hatte er ja unter anderem erklärt, dass die Ukraine ihr gesamtes von Russland besetztes Territorium zurückerobern kann. Bislang hatte Trump immer die Meinung vertreten, dass die Ukraine wohl Gebietsverluste in Kauf nehmen müsse. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in dieser scheinbaren Kehrtwende derweil naturgemäß eine Chance und versucht jetzt, dieses Eisen warm zu halten.
Mehr als ein reines Symbol
Man sollte hier aber den Ball flach halten, empfiehlt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Trump ändert seine Meinung so oft wie andere ihre Unterhose. Man sollte also nicht bei jedem seiner Worte gleich überreagieren. Jeder seiner Sätze bettet sich in der Regel nur in den jeweiligen Moment ein. Nicht vergessen: Noch vor einigen Wochen hat Trump Selenskyj als einen "Diktator ohne Wahlen" bezeichnet und ihn im Oval Office vor den Augen der Welt gedemütigt. Seine neuerliche Kehrtwende muss also nichts bedeuten. Sie ist allenfalls ein Beispiel für die Diplomatie à la Trump: disruptiv und improvisiert. Doch während dem geneigten Beobachter bei all den Trumpschen Pirouetten fast schon schwindlig werden könnte, bleibt Wladimir Putin stoisch und unbeeindruckt auf seinem kriegerischen Kurs, rückt keinen Millimeter von seiner Position ab. Trumps Ausführungen ändern daran nichts. Die Ukrainer und auch die Europäer sollten nicht flüchtige Worte mit einer Strategie verwechseln.
De Standaard blickt derweil schon einmal voraus auf die Rede, die Premierminister Bart De Wever heute vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen halten wird. In jedem Fall dürfte sich der föderale Regierungschef in unser aller Namen respektvoller der UN gegenüber äußern als US-Präsident Donald Trump, glaubt das Blatt. Ein wichtiges Kapitel wird wohl die Anerkennung des Staates Palästina sein. Und das ist mehr als nur ein reines Symbol oder eine angeblich utopische Vision. Bester Beweis ist die Reaktion des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Wenn das nur leere Worte wären, warum reagiert er dann so wütend und ungehalten? Klar: Die reine diplomatische Anerkennung eines Palästinenserstaates wird den Menschen im Gazastreifen im Hier und Jetzt wohl nicht unmittelbar helfen. Aber das Wenige, das man tun kann, das sollte man auch tun. Und das Wenige, das man tut, dazu sollte man uneingeschränkt stehen.
Sehr bizarre Nebenwirkungen
Im nördlichen Landesteil sorgt der Haushalt der flämischen Regierung für Diskussionsstoff, den Ministerpräsident Matthias Diependaele am vergangenen Montag im Parlament präsentiert hat. Die meisten Zeitungen kritisieren da vor allem die Kommunikation.
"Die Regierung war nicht ehrlich", findet etwa De Morgen. So hat Diependaele den Eindruck vermittelt, dass die Sparmaßnahmen bei den Renovierungsprämien "nur die Reichen" treffen, also die 30 Prozent mit dem höchsten Einkommen. Knapp jeder Dritte also, und das sind eben längst nicht nur "die Reichen", dazu gehört auch schon ein großer Teil der Mittelschicht. Und gerade diese Mittelschicht trägt ja die Hauptlast bei den nötigen Renovierungen. Die Maßnahme dürfte also für enormen Frust sorgen.
"Viel zu viel ist hier noch viel zu unklar", giftet auch Het Laatste Nieuws. Das gilt zum Beispiel auch für die angekündigte Reform der Erbschaftsteuer in Flandern. Stand jetzt wird die einige sehr bizarre Nebenwirkungen haben, die allgemeines Kopfschütteln hervorrufen dürften. Das ist der eigentliche rote Faden im neuen flämischen Haushalt: Das Ganze wirkt intransparent, unklar und somit irgendwie kopflos.
Einen Eindruck von Willkür
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Bei den Sparmaßnahmen der flämischen Regierung vermisst man jegliche Vision. Irgendwann in der Nacht von Sonntag auf Montag hat man entschieden, dass jeder Minister in seinem oder ihrem Bereich eine gewisse Summe zusammenkratzen musste. Auf diese Weise sparen zu wollen, ist unsinnig. Die Regierung selbst spricht von "mutigen Entscheidungen". Mutig wäre es gewesen, wenn man deutliche Prioritäten gesetzt und ein für allemal die Kernaufgaben Flanderns definiert hätte.
Eben hier hakt auch De Tijd ein. Warum hat man sich nicht einfach mal jede einzelne Subvention vorgeknöpft und sie auf ihre reale Wirkung hin untersucht? Dann hätte man auf der Grundlage objektiver Daten seine Entscheidungen treffen können. Stattdessen hat am Ende jeder einzelne Minister dort gespart, wo er oder sie den geringsten Widerstand vermutete oder politisch am wenigsten zu verlieren hatte. Und damit vermittelt man einen Eindruck von Willkür. Was wir hier sehen, ist eigentlich eine Region, die es nicht gewöhnt ist zu sparen und zu rechtfertigen, wie sie ihr Geld ausgibt. Und die sich entsprechend schwer damit tut, das vernünftig und nachvollziehbar zu erklären.
"Es regnet immer dorthin, wo es schon nass ist"
Einige Zeitungen schließlich kommentieren die Entscheidung, wonach Löwen eine der beiden Kulturhauptstädte Europas 2030 wird. Die beiden anderen noch verbleibenden belgischen Bewerber Namur und Molenbeek gingen also leer aus. "Hätte man da nicht mutiger sein sollen?", kritisiert L'Avenir. Löwen blickt bereits auf eine reiche und lange kulturelle Vergangenheit zurück, sie musste sich im Grunde gar keinen Ruf mehr erarbeiten. Namur oder Molenbeek wären da vielleicht die interessantere Wahl gewesen. Wir sehen hier wohl den sogenannten Matthäus-Effekt: "Es regnet immer dorthin, wo es schon nass ist".
Le Soir sieht das anders. Die Stadt Löwen wird eine würdige Vertreterin für das Land sein. Löwen verbindet Vergangenheit und Gegenwart; die Stadt gilt zudem als Musterbeispiel für das friedliche Miteinander der verschiedenen Kulturen und sozialen Klassen. Und in diesem Sinne kann Löwen erst recht in unserer heutigen Zeit als Vorbild und zugleich Laboratorium dienen.
Roger Pint