Die Polemik um die Aussagen des flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters hatte gestern ein parlamentarisches Nachspiel. Peeters hatte ja eine flämische Außenhandelsmission in Brasilien abbrechen müssen, um sich den Fragen der Abgeordnete im flämischen Parlament stellen zu können. Hintergrund, grob zusammengefasst: Peeters hatte in einem Zeitungsinterview erklärt, dass Brüssel nie eine vollwertige Region sein werde; als Reaktion darauf hatten die Frankophonen die Französische Gemeinschaft umgetauft in "Föderation Wallonie-Brüssel".
"Was mache ich hier?"
Die Debatte beförderte aber nichts Neues zu Tage, bemerkt unter anderem Het Nieuwsblad, das es mit der Schlagzeile zusammenfasst: "Brasilienreise umsonst abgebrochen". Het Laatste Nieuws zitiert Peeters mit den Worten: "Was mache ich eigentlich hier?" Tatsächlich konnte sich der flämische Ministerpräsident im Wesentlichen auf frühere Aussagen berufen: Seine Darlegungen über Brüssel waren ebenso wenig neu wie ein symbolischer Schulterschluss zwischen den Frankophonen aus der Wallonie und Brüssel.
Einige Leitartikler gehen mit der Debatte hart ins Gericht. "Armes flämisches Parlament", klagt etwa Gazet van Antwerpen. Hoffentlich war keine ausländische Presse anwesend, um diesem jämmerlichen Spektakel beizuwohnen. Warum konnte man nicht wenigstens einen Tag warten, um es Peeters zumindest zu ermöglichen, seine Auslandsmission zu Ende zu bringen? Und das dann für ein solches Trauerspiel. Aber wenn sich die Pantoffelhelden unbedingt lächerlich machen wollen, dann müssen sie es tun.
Het Belang van Limburg spricht von einer Nicht-Debatte. Hier ging es allein um Profilneurose, im vorliegenden Fall bei Groen!, die die Debatte als erste gefordert hatten. Offensichtlich orientieren sich die flämischen Parlamentarier nur an dem was in der Zeitung steht. Na ja, zum Glück gibt es noch Zeitungen; ansonsten würden sie wohl gar nichts mehr tun.
Ähnlich sieht das De Standaard. Die Debatte hat nur Allgemeinplätze produziert. Peeters konnte sich darauf beschränken, aus dem Regierungsabkommen vorzulesen. Am Ende drehte es mehr um die Frage, wer daran schuld war, dass Peeters Hals über Kopf zurückkommen musste. Schlimmer ist noch die Feststellung, dass die Frankophonen mit gleich welchen Provokationen offensichtlich inzwischen die Tagesordnung des flämischen Parlaments bestimmen können. Heraus kam dann eine Parade von zahnlosen Löwen.
Obergrenze für Manager-Gehälter?
Anderes großes Thema sind heute die Managergehälter. Gestern wurde bekannt, dass der große Dexia-Boss 2010 insgesamt um die zwei Millionen Euro verdient hat. Davon stellen 600.000 Euro einen Bonus und 200.000 Euro eine so genannte Funktionsprämie dar. Wie Het Laatste Nieuws heute auf seiner Titelseite berichtet, verdiente der Belgacom-Chef noch mehr, nämlich 2,2 Millionen Euro, will heißen 100mal mehr als ein Techniker.
Wie die Brüsseler Tageszeitung Le Soir berichtet, hat jetzt die PS drei Gesetzesvorschläge im Parlament eingebracht, die Obergrenzen für Managergehälter festlegen sollen. Kommentierend meint das Blatt dazu: In einer Zeit, wo die Krise kaum vorüber ist und die Staatskassen leer sind, sorgen die hohen Managergehälter für ein Malaise. Selbst die EU-Kommission nannte insbesondere die Bonuszahlungen an Banker "unerklärlich und nicht zu rechtfertigen". Heutzutage ist es normal, wenn Firmenchefs 100- bis 150mal so viel verdienen wie ihre kleinen Angestellten. Und weil Selbstregulierung offensichtlich nicht funktioniert, muss eben der Staat Obergrenzen festlegen.
Insbesondere zum Fall Dexia meint La Libre Belgique: Wie kann man allen Ernstes über die Sanierung der Staatsfinanzen nachdenken, wenn sich verschiedene Bankenchefs die Taschen vollstopfen? Und das ausgerechnet im vorliegenden Fall, schließlich hat der Steuerzahler Dexia gerettet. Das Ganze ist einfach geschmacklos.
"Französischunterricht in Flandern abschaffen"
Für Aufsehen sorgt weiter eine Idee des frischgebackenen N-VA-Mitglieds Vic Van Aelst. Der war bislang nur als Strafverteidiger bekannt. Van Aelst hatte gleich einen spektakulären Vorschlag gemacht: In Flandern sollte seiner Ansicht nach der Französischunterricht abgeschafft werden. Die N-VA distanzierte sich gleich von der Idee ihres Neumitglieds. Das ist beruhigend, meint Het Nieuwsblad. Mit seinem Fanatismus steht Van Aelst aber nicht alleine da. Und längst hat man den Eindruck, dass auch die politische Debatte nur noch emotionsgesteuert ist: Ein Gefecht zwischen Bevölkerungsgruppen, gespickt mit den schlimmsten Karikaturen des jeweils anderen.
Flandern sollte nicht vergessen, dass man den Wohlstand auch den Sprachkenntnissen der Bürger zu verdanken hat, mahnt auch Het Laatste Nieuws. Die bis vor kurzem stur einsprachigen Frankophonen waren genau deshalb international bislang oft gehandicapt. Und während bei den Frankophonen das Umdenken längst eingesetzt hat, will Van Aelst den Rückschritt. Er ist nicht mehr und nicht weniger als der ultimative Populist.
Apropos Politik: De Morgen bringt auf seiner Titelseite die Meldung, dass die geschäftsführende Regierung wieder Personal anwirbt. Das ist laut Gesetz eigentlich nicht möglich; es gehe aber nicht anders. Und die CD&V hat auch kein Interesse daran, dass sich das ändert, analysiert L'Avenir. Die Partei stellt schließlich die wichtigsten Minister, was im nächsten Kabinett wohl nicht mehr der Fall sein dürfte.
Laurents Parallel-Diplomatie
Nahezu allgegenwärtig ist derweil auch heute wieder Prinz Laurent. Nach Informationen von La Libre Belgique soll Laurent eine veritable Paralleldiplomatie betrieben haben. Unter anderem soll er noch unlängst, am Außenministerium vorbei, Kontakte mit der libyschen Opposition gepflegt haben. Derweil arbeitet die Regierung längst an einem im wahrsten Sinne des Wortes Arbeitsvertrag für den Prinzen, wie unter anderem Het Nieuwsblad berichtet. Und De Standaard notiert: Laurent hat keine Lobby mehr; auch die Frankophonen unterstützen ihn nicht mehr. Künftig wird gelten: Hält er sich nicht an die Regeln, dann verliert er seine Dotation.
Bild: Filip Claus (belga)