"Trump stößt alles und jeden vor den Kopf in seiner Rede auf dem UN-Gipfel", titelt Het Nieuwsblad. "Auf der Bühne der Vereinten Nationen liest Donald Trump der ganzen Welt die Leviten", resümiert La Libre Belgique. "Trump spendiert der UN eine höllische Tirade: Kritik an allem, sogar an der Rolltreppe", fasst Het Laatste Nieuws zusammen. "Trump verpasst allen einen Einlauf: 'Europa geht zur Hölle, die UN ist nutzlos'", liest man bei Gazet van Antwerpen. "Trump macht die UN und Europa in New York nieder", ist die Überschrift bei L'Echo.
Vor sieben Jahren hat Donald Trump seine erste Rede vor den Vereinten Nationen gehalten, erinnert L'Avenir in seinem Leitartikel. Damals brachen viele ausländische Delegationen in schallendes Gelächter aus über die Prahlerei des US-Präsidenten. Dieses Mal hat niemand mehr gelacht in New York, trotz allen Gefasels und der mentalen Entgleisungen, die wir von Trump mittlerweile ja gewohnt sind. Und das hat auch einen Grund: Trump hat einen hemmungslosen Angriff gegen die Vereinten Nationen gefahren, gegen Europa, gegen China und Indien. Aber all seine Selbstverherrlichung und die Aufzählung seiner angeblichen wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolge täuschen niemanden mehr. Langfristig ist Trump eine echte Katastrophe für die Vereinigten Staaten. Sie haben ihre Glaubwürdigkeit verspielt, alles Vertrauen, das sie mal in der Welt genossen haben, sogar bei ihren Verbündeten. Und das spürt man auch immer stärker in allen möglichen Sektoren. Armes Amerika, meint L'Avenir.
Die Scheidung scheint unvermeidbar
Während die Welt in Flammen steht, machte der US-Präsident seine Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu einem peinlichen Werbefeldzug für sich selbst, giftet De Morgen. Denn Trump will ja unbedingt den Friedensnobelpreis. Und auch ansonsten hatte seine uferlose Rede jeglichen Bezug zur Realität verloren. Eines ist jedenfalls sicher: Europa kann kein Verbündeter der Vereinigten Staaten bleiben. Zumindest nicht, wenn uns etwas an unseren Wohlfahrts- und Rechtsstaaten liegt. Wir können nicht mehr auf die USA zählen – nicht, was den Welthandel betrifft, nicht, was Schutz vor dem russischen Imperialismus betrifft, nicht, was die Bändigung von Israels genozidärer Eroberungslust betrifft. Neu ist diese Feststellung nicht. Aber das ändert nichts daran, dass die immer unvermeidbarere Scheidung von Europa und den USA gigantische Folgen haben wird. Denn auch unter Trump bleiben die Vereinigten Staaten eine Großmacht, deren Interessen eng mit denen Europas verquickt bleiben, warnt De Morgen.
Trump ist offenbar nachtragend
Selbst als Trump noch in Immobilien machte und sich von Politik fernhielt, hatte er schon Gründe, die Vereinten Nationen nicht zu mögen, schreibt Het Belang van Limburg. Trump wollte nämlich den Sitz der Vereinten Nationen in seiner Heimatstadt New York mit viel Marmor und Mahagoni renovieren – bekam den Auftrag aber nicht. Und auch wenn er mittlerweile der mächtigste Mann der Welt ist, hat er das ganz offensichtlich immer noch nicht verdaut. Sonst hätte er sich wohl nicht so über das Thema ereifert in seiner ersten UN-Rede seit seiner Wiederwahl. Darüber, dass das UN-Gebäude viel schicker aussehen könnte, so wie die UN selbst auch, die ja keinen Nutzen habe, darüber, dass weder der Teleprompter noch die Rolltreppe richtig funktionierten. All das klagte Trump vor der ganzen Welt an, zählt Het Belang van Limburg fassungslos auf.
Einst bauten die Amerikaner die Vereinten Nationen mit auf, kommentiert Het Laatste Nieuws. Denn sie wollten sich selbst stärken auf der Grundlage der bestehenden internationalen Rechtsordnung. Und kleinere Länder flüchteten sich nur allzu gerne unter den warmen amerikanischen Schutzschirm. Denn die Amerikaner waren ja unsere Geistesgenossen, unsere Verbündeten. Heute greifen die Amerikaner unter ihrem Präsidenten Donald Trump die Vereinten Nationen frontal an, beklagt Het Laatste Nieuws.
Europa muss seine Taktik ändern
Und Donald Trump ist nicht allein, scheint Le Soir einzuhaken: Er wird von einer Legion treuer Anhänger getragen, inspiriert und manipuliert, die sogar noch radikaler und fanatischer sind als er. Er wird von Bürgern und Bürgerinnen angebetet, die blind jedes seiner Worte glauben. Und er kann auch auf eifrige Lehrlinge auf der ganzen Welt zählen, Lehrlinge, die immer häufiger auch in den Schaltzentralen der Macht sitzen. Um diese Bewegung aufzuhalten, wird es weit mehr brauchen als scharfe Leitartikel. Politiker, die noch an die Demokratie glauben, müssen den Blick endlich über den Tellerrand ihrer Wahlkreise richten, die großen Wirtschaftskapitäne dürfen nicht mehr alles ausblenden, was nicht direkt etwas mit ihren Bilanzen zu tun hat und die Bürger dürfen nicht mehr nur Augen für die kleinen Sorgen ihres Alltags haben. Nur so können wir dieser Gefahr für unsere Demokratien, unsere Freiheiten und unsere Zukunft entgegentreten, appelliert Le Soir.
Diese nie dagewesene Tirade gegen unsere Werte und Politik zeigt, dass Europa seine Taktik Trump gegenüber ändern muss, unterstreicht Het Nieuwsblad. Das ständige Umgarnen hat nichts an Trumps Feindseligkeit Europa gegenüber verändert, die "Daddy"-Herangehensweise von Nato-Chef Mark Rutte auch nicht, genauso wenig wie das auf die Knie gehen von Ursula von der Leyen beim Handelsabkommen oder der wahrhaft royale Empfang in Großbritannien. Im Gegenteil: Es hat Trump ermutigt, noch dreister zu werden, offenbar hält er sich nicht mehr nur für den Präsidenten der USA, sondern auch Europas. Die Reaktion der Europäischen Union muss jetzt hart und deutlich sein: "Kümmer dich um deinen eigenen Kram!", fordert Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt