"Großbritannien wird einen Palästinenserstaat anerkennen", titelt De Morgen. "Britische Anerkennung eines Palästinenserstaats beendet die pro-israelische Einheit des Westens", so die Schlagzeile bei De Standaard. "Anerkennung Palästinas wird ein symbolischer und diplomatischer Wendepunkt bei der UN sein", heißt es im Aufmacher von Le Soir. Die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch westliche Staaten ist auch Thema in einigen Leitartikeln.
Le Soir findet: Großbritannien, Portugal und Kanada haben schon gestern erklärt, dass sie einen Palästinenserstaat anerkennen. Frankreich, Belgien, Luxemburg, Australien und andere werden das morgen machen, mit Nuancen im Detail. Diese Entscheidungen sind auf diplomatischer Ebene sehr willkommen, aber man darf sich nicht täuschen. An der Wirklichkeit der Palästinenser ändert das nichts. In Gaza leiden sie weiter unter dem ungebremsten Vorgehen des israelischen Militärs. Sofortige Hilfe für die Menschen in Gaza kann nur erreicht werden, wenn starker Druck auf Israel tatsächlich Wirkung zeigt und Israel dazu zwingt, die Militäraktion einzustellen, erinnert Le Soir.
Reine Symbolpolitik?
De Standaard analysiert: Einige tun die Anerkennung eines Palästinenserstaates als reine Symbolpolitik ab. Andere wiederum behaupten das Gegenteil. Sie sagen, dass diese Anerkennung tatsächlich Wirkung hat. Diese Befürworter verweisen auf die Grundidee der Vereinten Nationen, wo ab heute ja eine ganze Reihe weiterer Staaten einen Palästinenserstaat anerkennen wollen, darunter auch Belgien. Bei der UN geht es um das Prinzip der Wahrung von Frieden und Menschlichkeit in der Welt. Diese Prinzipien werden heute vielerorts mit Füßen getreten. Da ist es ganz gut, sich noch einmal zu diesen Werten zu bekennen. Wir dürfen gespannt sein, mit welchem Nachdruck Belgien das tut, notiert De Standaard.
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit dem MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez: Bouchez fordert ein Verbot der Antifa, berichtet die Zeitung. Diese Bewegung sei die größte Gefahr für die Demokratie, behauptet Bouchez. Das klingt wie ein Echo von US-Präsident Trump. Der hat vor einigen Tagen ja auch ein Verbot der Antifa verlangt. Dabei wissen sowohl Trump als auch Bouchez ganz genau, dass Antifa kein fester Verband ist und man Antifa deshalb auch nicht einfach verbieten kann. Beide vergessen ebenfalls, dass Gewalt auch von Rechtsextremen ausgeübt wird. Indem Bouchez die Worte des US-Präsidenten nachplappert, wird er mehr denn je zum Trump der Wallonie, ärgert sich Het Nieuwsblad.
Schlechtes Beispiel USA
De Morgen meint: Bouchez hat Recht, wenn er die linke Gewalt an den Pranger stellt. Erst am Donnerstag ist er ja selbst bei seinem Besuch in Lüttich Opfer von pro-palästinensischen Demonstranten geworden, die vor Gewalt nicht zurückgeschreckt haben. Aber Bouchez vergisst, dass er selbst nicht ganz unschuldig daran ist, dass die Radikalisierung auch unserer Gesellschaft immer stärker zunimmt. Er stichelt, er provoziert, er differenziert zu wenig. Genauso wie übrigens linke Politiker, allen voran Ecolo-Politiker, die Bouchez und seine MR quasi pauschal als Feind Nummer eins verteufeln. So darf es nicht weitergehen. Denn wozu das führt, sehen wir in den USA. Demokraten und Republikaner, so scheint es, leben dort scheinbar bereits in unterschiedlichen Welten zusammen, warnt De Morgen.
L'Avenir kommentiert die Entscheidung der Föderalministerin für soziale Integration, die Subventionen für Obdachlosenhilfe zu streichen. Es geht dabei um 65.000 Euro pro Stadt, erklärt L'Avenir. Das Geld wird besonders den wallonischen Städten und Brüssel fehlen. Sie kämpfen viel stärker mit ihrem Budget als die flämischen Städte. Die Streichung kommt außerdem zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Ende September bleibt wenig Zeit, um Alternativen zu den föderalen Subventionen zu finden. Ärgerlich ist auch, dass die Ministerin die Entscheidung getroffen hat, ohne vorher mit den fünf größten Städten des Landes Lüttich, Charleroi, Brüssel, Antwerpen und Gent, gesprochen zu haben, bedauert L'Avenir.
Das Desaster von Tokio
Zum Streit zwischen der Siebenkämpferin Nafi Thiam und dem Leichtathletikverband bemerkt La Libre Belgique: Das Desaster, die Aufgabe von Thiam bei der Weltmeisterschaft in Tokio war alles andere als unvermeidlich. Statt die größte Athletin des Landes mit aller Kraft zu unterstützen, hat der Verband sie wegen eines Streits um Sponsoren behandelt wie einen aufmüpfigen Untertanen. Mit einem freien Kopf hat Thiam den Wettkampf nicht bestreiten können, bedauert La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws stellt fest: Ja, es ging um Geld auf beiden Seiten. Und außerdem gibt es Reibereien zwischen dem flämischen und dem wallonischen Verband. Das Alles hat zu dem Fiasko von Tokio geführt. Das ist wieder mal ein Zeichen dafür, wie kleinkariert doch unser Land ist. Eine dreimalige Olympiasiegerin ist hier schlecht aufgehoben, schimpft Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner