Fortschritte? Oder doch Pessimismus?
Die innenpolitische Lage in all ihren Facetten prägt heute die Berichte und Kommentare in vielen Zeitungen. Zunächst die Frage, ob und wie die Mission des königlichen Verhandlungsführers Wouter Beke weitergehen soll. Gerüchte, wonach Beke vielleicht schon gegen Ende der Woche die Brocken hinschmeißen will, weiß sein Sprecher in Le Soir zurück. Beke habe überhaupt nicht die Absicht, seine Mission zu beenden.
Nach Informationen des Wirtschaftszeitung L’Echo ist Beke vielmehr dabei, wirkliche Fortschritte zu erzielen. Zwischen PS und n-VA deuteten sich erste Grundsatzeinigungen an, unter anderem in Bezug auf eine teilweise Regionalisierung der Einkommenssteuer, meldet L’Echo unter Berufung auf das Umfeld des Vermittlers. Andere Blätter sind da deutlich pessimistischer.
Dauert die Patt-Situation womöglich bis November an? fragt sich L’Avenir. Das Blatt rechnet vor: Wenn der Haushalt erst nach den Osterferien verabschiedet werden kann, dann sind Neuwahlen eigentlich nicht vor November möglich. Auch La Libre Belgique geht davon aus, dass die Krise wohl noch ein bisschen dauern wird. Einer der Hauptgründe ist die Tatsache, dass es kaum externen Druck gibt. An einen möglichen Urnengang im Herbst glaubt La Libre nicht; man wird ein Jahr vor der Kommunalwahl wohl nicht noch Parlamentswahlen abhalten.
Weiter Wirbel um Peeters
Für eine neue Verkrampfung zwischen Flamen und Frankophonen hat unter anderem die Polemik um Brüssel gesorgt. Auslöser waren die Aussagen von Ministerpräsident Kris Peeters, der am Wochenende erklärte, Brüssel würde nie und nimmer zu einer vollwertigen Region. Wohl auch als Reaktion darauf beschlossen die Frankophonen, die französische Gemeinde umzutaufen in "Föderation Wallonie-Brüssel".
Die liberale MR hat gestern noch Einen drauf gesetzt, wie Le Soir berichtet: Im Brüsseler Parlament wurde eine Resolution hinterlegt, in der nicht nur auf das regionale Statut Brüssels gepocht, sondern auch die Vergrößerung des Territoriums gefordert wird. Die drei anderen Parteien müssen sich noch zu dem Text aussprechen.
Kris Peeters soll heute dazu im flämischen Parlament Rede und Antwort stehen und musste dafür eine flämische Außenhandelsmission in Brasilien abbrechen, die einige Zeitungen hervorheben. Die Mitgereisten Vertreter von flämischen Unternehmen zeigten sich enttäuscht, wie De Morgen notiert. Wegen der plötzlichen Abwesenheit des Ministerpräsidenten könnte wirtschaftlicher Schaden entstehen.
Stichwort Außenhandelsmissionen: La Libre Belgique kritisiert den Umstand, dass Flandern sich nicht mehr an den Außenhandelsmission unter Führung von Prinz Philip beteiligt. Im Augenblick befindet sich eine solche Außenhandelsmission in Russland, während Flandern in Brasilien die Werbetrommel rührt.
Di Rupo bekämpft Wallonie-Klischees
A propos Werbetrommel: PS-Chef Elio Di Rupo hatte die flämische Presse gestern in seine Heimatsstadt Mons eingeladen, Ziel der Operation: Klischees über die Wallonie sollten aus der Welt geschafft werden. Dabei unterstrich Di Rupo, dass die einzige Angst der Wallonen die sei, dass man nach einer Staatsreform nicht mehr genug Geld hat, um die wirtschaftliche Wiederbelebung weiter anzustoßen. Die flämischen Leitartikler reagieren mit Wohlwollen auf die Initiative.
Gazet van Antwerpen meint etwa: Dass Di Rupo nach eigenen Worten genug hat von der Zerrbildern der Wallonie, ist absolut nachvollziehbar. Und zugegeben: Man hat auch längst Ordnung geschaffen, etwa in Bezug auf Missbrauch von Sozialzulagen. Doch muss man festhalten: Die Wallonie hat nach wie vor Angst, auf eigenen Beinen zu stehen.
Es kann nur im Interesse Flanderns sein, dass es der Wallonie besser geht, notiert Het Belang van Limburg. Ein reicher Nachbar ist immer besser als ein armer. Das bedeute aber nicht, dass man keine finanzielle Absprachen machen darf: Klar sollte die Wallonie ihre wirtschaftliche Renaissance zu Ende bringen könne, doch müssen die flämischen Hilfen dafür zeitlich befristet werden.
Het Nieuwsblad fragt sich allerdings, wer das alles bezahlen soll: Brüssel will mehr Geld, die Wallonie nichts verlieren und Flandern auch nicht unbedingt. Der Föderalstaat steht seinerseits wie ein Ochs vorm Rentenberg. Und obendrauf die Feststellung, dass das Land sparen muss. Um diese Gleichung zu lösen, bedarf es höherer Mathematik.
Tödliche Droge in Charleroi
Ausnahmslos alle frankophonen Zeitungen widmen sich heute den jüngsten Ereignissen im Raum Charleroi. In Gilly gilt höchste Sicherheitsstufe, titelt etwa Le Soir. Tatsächlich ist es in der Ortschaft zu schweren Ausschreitungen gekommen. Hintergrund ist der Tod eines jungen Mannes, für den Jugendliche die Polizei verantwortlich machen. Todesursache könnte aber auch die Einnahme einer fatalen Droge sein. L‘Avenir stellt sich auf seiner Titelseite die Frage, ob in Charleroi "tödliches Kokain in Umlauf ist" und La Dernière Heure fasst es mit einer Schlagzeile zusammen:“ Eine neue Droge schürt Panik in der Bevölkerung“.
Probleme mit Strompreise
De Standaard und La Libre Belgique widmen heute ihre Titelseiten den Strompreisen. Wie de Standaard zu berichten weiß, droht ein hoher verantwortlicher der Regulierungsbehörde CREG mit Rücktritt, falls man Electrabel Recht gibt. Der Stromproduzent gibt seinen Gewinn mit rund 650 Mio. Euro an, die CREG schätzt den Gewinn auf bis zu 1,9 Mia. Die Nationalbank soll jetzt prüfen wer recht hat. In seinem Leitartikel plädiert de Standaard sogar dafür, notfalls einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um die Preisentwicklung zu durchleuchten.
“Wer nicht hören will, muss fühlen“
Het Laatste Nieuws schließlich meldet heute auf seine Titelseite, dass für Prinz Laurent die Polemik um seine Kongo-Reise wohl noch nicht vorbei ist. Offenbar bereitet die Regierung einen Text vor, der Rechte und Pflichten der Königskinder klar reglementieren soll. Die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws:“Jetzt muss er büßen“.