"Blutiger Angriff auf Klinik im Gazastreifen", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Israel tötet wieder fünf Journalisten in Gaza", meldet Het Laatste Nieuws. "Wieder Dutzende Tote, darunter Journalisten – Regierung kommt morgen erneut zu Gaza zusammen", so die Überschrift bei De Morgen. "Gaza spaltet die Föderalregierung: Gibt es dann doch einen Ausweg, bei dem alle das Gesicht wahren können?", fragt De Tijd. "Vooruit und die CD&V setzen Diependaele unter Druck mit Gaza-Resolution", ergänzen Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen.
Zuerst hat die israelische Armee das Krankenhaus in Gaza mit einer Drohne angegriffen. Nur um dann, sobald die deutlich erkennbaren Rettungskräfte zur Bergung der Opfer herbeigeeilt waren, ein zweites Mal zuzuschlagen, hebt De Morgen in seinem Leitartikel hervor. 20 weitere Menschen hat die israelische Armee damit getötet, darunter auch wieder fünf Journalisten. Gezielte Angriffe auf Rettungsoperationen sind Kriegsverbrechen. Gezielte Angriffe auf Journalisten und Zivilisten auch. Aber die israelische Regierung wird sich den Kopf nicht zerbrechen über ein Kriegsverbrechen mehr oder weniger. Tag für Tag geht in Gaza eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit weiter. Die Versuchung ist groß, einfach wegzuschauen, weil wir uns machtlos fühlen angesichts des Ausmaßes des Massakers. Aber genau das ist es, was die israelische Regierung erreichen will. Die Wahrheit ist aber, dass auch wir in Europa durchaus Hebel hätten, um Israel unter Druck zu setzen. Umso tragischer ist es, dass die Gaza-Frage hierzulande politisch als Regierungskrise geframed wird, giftet De Morgen.
Wo bleibt der Anstand?
Israel kann sich offenbar bei seinem Krieg in Gaza alles erlauben, prangert Gazet van Antwerpen an. Das ist verwerflich. Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Die Frage ist, ob Israels Vorgehen verhältnismäßig ist und moralisch verteidigt werden kann. Die Antwort auf diese Frage lautet seit langem eindeutig "Nein". Dass die Hamas immer noch israelische Geiseln festhält, ist auch ein Verbrechen. Aber das darf trotzdem kein Freifahrtschein für Israel sein. Weder die flämische noch die föderale Regierung dürfen hier weiter schweigen. Morgen wird die Föderalregierung wieder über das Dossier sprechen. Und natürlich können sich unsere Regierungen nicht erlauben, über dieses Thema zu stürzen. Selbst eine starke Verurteilung wird das furchtbare Morden in Gaza nicht stoppen. Aber dennoch muss man von unseren Politikern ein Minimum an Anstand erwarten dürfen. Die Parteien, die die grausame Politik Israels weiter radikal verteidigen, haben diesen Anstand nicht, wettert Gazet van Antwerpen.
Wie so oft davor versucht Israel, sein Kriegsverbrechen damit zu rechtfertigen, dass die getöteten Journalisten Terroristen gewesen seien, merkt La Libre Belgique an. Ohne dafür überzeugende Beweise zu liefern. Israel führt seinen Krieg in Gaza seit fast zwei Jahren quasi unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit. Rund 220 Journalisten, sowohl palästinensische als auch ausländische, sind in diesem Zeitraum in Gaza getötet worden. Zum Vergleich: Das sind zehn Mal mehr als in der Ukraine. Diese bewusste Politik der Regierung Netanjahu ist eine Einschränkung der Informationsfreiheit, wie man sie bisher in der Geschichte nur selten gesehen hat. Israel versucht gezielt, palästinensische Journalisten zu delegitimieren. Dafür unterhält es sogar eine eigene Geheimdienstabteilung, deren Aufgabe es ist, nicht überprüfbare Dokumente zu verbreiten, die die Journalisten in die Nähe von Terroristen rücken, klagt La Libre Belgique an.
Es kriselt in der Regierung
Außenminister Maxime Prévot von Les Engagés spricht im Zusammenhang mit der Gaza-Frage sogar von einer Regierungskrise, hält Het Belang van Limburg fest. Dafür macht er eine Person verantwortlich: Georges-Louis Bouchez, den Vorsitzenden der frankophonen Liberalen MR. Aber selbst innerhalb der MR vertreten nicht alle die gleiche Linie wie ihr Chef. Louis Michel, seines Zeichens Ex-Außenminister, hat bereits gesagt, dass es keine 36 Lösungen für den Konflikt gibt und dass Palästina als Staat anerkannt werden muss. Aber Bouchez hat nicht den Ruf, auf andere zu hören. Hoffen wir, dass Premier Bart De Wever es bei seiner Parteikollegin Zuhal Demir doch macht, die ja auch für die Anerkennung Palästinas eintritt, so Het Belang van Limburg.
Kann eine Regierung wirklich wegen Gaza stürzen?, fragt La Dernière Heure. Wegen eines furchtbaren Kriegs, der sich 3.300 Kilometer entfernt abspielt? Eines Kriegs, dessen künftige Entwicklung nicht von Belgiens Position abhängt? In einem rationalen Staat würde die Antwort "Nein" lauten. Allerdings ist es nicht mehr möglich, rational über den Horror in Gaza zu sprechen. Wie man auch an den explosiven Äußerungen von Außenminister Prévot sieht, meint La Dernière Heure.
Stückchen für Stückchen bröckelt die Demokratie
L'Avenir blickt in die Vereinigten Staaten, wo US-Präsident Donald Trump Großstädte, die von Demokraten regiert werden, mittlerweile von schwer bewaffneten Nationalgardisten patrouillieren lässt. Erst war es Los Angeles, dann Washington. Aber Trump hat schon weitere Ziele im Visier für seine Machtdemonstration: zum Beispiel Chicago, Baltimore und selbst New York. Mit seiner Rhetorik, dass nur sein Militär für Recht und Ordnung in demokratischen Städten sorgen könne, schwächt Trump ein bereits tief gespaltenes Land weiter. Die Geschichte zeigt: Das Gebäude der Demokratie stürzt nicht schlagartig in sich zusammen. Es bröckelt Stückchen für Stückchen ab, von innen heraus zerstört durch die, die vorgeben, es verteidigen zu wollen, warnt L'Avenir.
Le Soir greift die drohende Regierungskrise in Frankreich auf: Am 8. September wird Premierminister François Bayrou im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Gerade mal zwei Tage vor einem nebulösen Aufruf im Internet, das "ganze Land zu blockieren". Damit stellt der Premier die Abgeordneten vor ihre Verantwortung angesichts des verheerenden Zustands der Staatsfinanzen. Statt weiter zu versuchen, doch noch einen Kompromiss zu erreichen, hat sich Bayrou für einen sehr wahrscheinlichen theatralischen Abgang entschieden. Er will gehen, bevor er gegangen wird. Und damit wird Emmanuel Macron sich erneut auf die Suche begeben müssen nach einem Premierminister, seufzt Le Soir.
Boris Schmidt