"Die neue Kapitalertragssteuer in 20 Fragen verstehen", verspricht La Libre Belgique auf Seite eins. "Regierung behandelt Gewinne und Verluste unterschiedlich", titelt De Tijd. "Wer Steuer auf Wertzuwachs bezahlt, muss Freistellung selbst beantragen", schreibt Het Nieuwsblad. "Die Kapitalertragssteuer führt bei Krypto-Investoren zu Unsicherheit", so L'Echo. "Steuersenkung soll Werktätigen netto 100 Euro pro Monat bringen", meldet De Tijd.
Kaum hatte sich die Föderalregierung auf die Kapitalertragssteuer geeinigt, schlug schon der Bankenverband Febelfin Alarm, merkt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel an. Denn laut dem Finanzsektor ist es praktisch unmöglich, die neuen Maßnahmen bis Beginn des kommenden Jahres umzusetzen. Natürlich kann man nie ausschließen, dass das zum Teil auch einfach eine Hinhaltetaktik ist, mit der die Banken versuchen, Anleger noch aus der Schusslinie zu bringen. Denn schließlich gehören Anleger zu den wichtigsten Kunden der Banken. Aber in einem Punkt hat der Verband trotzdem Recht: Jede politische Entscheidung hat noch einen langen Weg vor sich. Zunächst einmal muss die Entscheidung in Gesetzestexte gegossen werden. Dann muss das Ganze vom Staatsrat abgesegnet werden. Und schließlich muss auch noch das Parlament grünes Licht geben. All das sorgt für Unsicherheit bei den Menschen, die davon betroffen sein können. Und Unsicherheit kann zu überstürzten Entscheidungen vonseiten der Bürger führen, die das genaue Gegenteil von dem bewirken, was die Politik eigentlich erreichen wollte. Das gilt auch nicht nur für die Kapitalertragssteuer, sondern für alle Reformen. Die Menschen haben ein Recht, so schnell wie möglich Klarheit zu bekommen, fordert Het Nieuwsblad.
Arbeiten soll sich mehr lohnen
Nach der Einigung über die Kapitalertragssteuer will sich die Föderalregierung jetzt auf die Steuerreform konzentrieren, schreibt De Tijd. Die soll Menschen, die arbeiten, so schnell wie möglich pro Monat 70 bis 140 Euro zusätzlich bescheren. Die Regierung hofft, dadurch den öffentlichen Diskurs in eine für sie positivere Richtung zu lenken. Statt der stärkeren Besteuerung von Menschen, die investieren, sollen die Menschen darüber sprechen, dass sich Arbeiten wieder mehr lohnt. Aber diese Steuersenkung wird möglicherweise nicht reichen, um den bitteren Nachgeschmack der Kapitalertragssteuer wegzuspülen. Dafür bräuchte es viel mehr, nämlich eine Ergänzung des Regierungsabkommens, um den Haushalt unter Kontrolle zu bekommen, meint De Tijd.
Le Soir befasst sich ebenfalls mit der prekären Finanzlage: Wer die Defizite reduzieren will, hat nur zwei Möglichkeiten – die Steuern erhöhen und bzw. oder die Ausgaben zu verringern. Aber wo soll bitteschön denn noch der Rotstift angesetzt werden? Justiz, Gesundheitswesen, Bildungswesen – sie alle gehen doch schon auf dem Zahnfleisch. Von der enormen Herausforderung durch den Klimawandel mal ganz zu schweigen. Und wie in Gottes Namen sollen schmerzhafte Einschnitte in puncto Soziales und Umwelt gerechtfertigt werden, wenn gleichzeitig mehr amerikanische F-35 gekauft werden sollen?, wettert Le Soir.
Der begehrte Aufkleber "Nato-Ausgabe"
Die Jagd ist eröffnet auf alle Ausgaben, die auch nur irgendwie als relevant für die Sicherheit und die Verteidigung des Landes verkauft werden können, kommentiert De Standaard. Politiker aller Ebenen versuchen, so erfindungsreich und kreativ wie möglich zu sein, um den Aufkleber "Nato-Ausgabe" auf ihre Posten kleben zu können. Weil es erstens keinen Cent zusätzlich kostet. Zweitens ist es eine willkommene Entschuldigung, falls der Haushalt doch wieder entgleist. Und wer weiß, vielleicht ist auch die EU gewillter, ein Auge zuzudrücken. Die Den Haager PR-Operation, um Trump zu bauchpinseln, kann sich als zweischneidiges Schwert erweisen. Optimistisch betrachtet kann dieses Framing vielleicht dabei helfen, Sachen dringlicher zu machen und damit schneller anzupacken. Skeptiker warnen hingegen davor, dass Regierungen das für Augenwischerei missbrauchen könnten, warnt De Standaard.
EU-Klimaziel 2040
L'Echo befasst sich mit den neuen Klimazielen der EU-Kommission: Das Endziel der europäischen Klimaneutralität bis 2050 ist schon lange gesetzlich verankert. Nun also kommt das lang erwartete Zwischenziel für 2040 dazu: Bis dahin soll der Ausstoß an Treibhausgasen um 90 Prozent gesenkt werden. Theoretisch zumindest, denn die EU-Kommission spielt die Karte der größtmöglichen Flexibilität. Damit will sie zweierlei erreichen: Zum einen will sie der ohnehin schon gebeutelten Wirtschaft helfen. Zum anderen hofft sie, dadurch möglichst viele Mitgliedsstaaten überzeugen zu können. Falls sie das schafft, wird es der Union zumindest gelungen sein, die Botschaft zu senden, dass der Kurs in puncto Klima gehalten wird. Das ist essenziell, um Investoren und potenzielle Nachahmer außerhalb der EU zu überzeugen, beim Kampf gegen die Klimaerwärmung mitzumachen. Aber Vorsicht vor zu viel Flexibilität: Zu große Zugeständnisse könnten der schon angeschlagenen Glaubwürdigkeit der Klimapolitik endgültig den Todesstoß versetzen, befürchtet L'Echo.
Echte Klima-Ambitionen verlangen Mut, unterstreicht Het Belang van Limburg. Mut für Reformen. Mut, um ehrlich und offen über die Schwierigkeiten zu sprechen, die das mit sich bringen kann. Mut, um Haushalte und Betriebe bei der notwendigen Umstellung so breit wie möglich zu unterstützen, auch mit konkreten Hilfen und Investitionen. Europa hat sich in der Tat erneut ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Aber so lange die Hintertürchen größer sind als die Vordertür, so lange werden wir uns weiter im Kreis drehen, stellt Het Belang van Limburg klar.
Boris Schmidt