"Der Samenspende-Skandal droht sich auszuweiten", titelt Het Laatste Nieuws. "Von den 37 Frauen, die mit dem Genmaterial des dänischen Spenders befruchtet wurden, wohnen nur 14 in Belgien", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Der Samenspende-Skandal sorgt weiter für Schlagzeilen. Laut Gesetz ist es ja so, dass der Samen eines Mannes nur bei maximal sechs Frauen eingesetzt werden darf. Diese Regel wurde offensichtlich missachtet. Das zeigt der Fall des dänischen Samenspenders, bei dem ein Gendefekt festgestellt wurde. Eine anschließende Untersuchung ergab, dass in Belgien 51 Kinder mit dem fraglichen Samen gezeugt wurden. Die Gesundheitsbehörden wollen jetzt aktiv nach den Fruchtbarkeitszentren fahnden, in denen in den letzten Jahren die Regeln missachtet wurden.
Samenspende-Skandal: Es musste so kommen
"Im Nachhinein ist man immer schlauer", meint De Morgen in seinem Leitartikel. Wenn man den Samenspende-Skandal von allen Seiten betrachtet, dann kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass so etwas früher oder später passieren musste. Zunächst einmal war es so, dass bis 2024 kein zentrales Register existierte, das einen Überblick über die Nutzung des Genmaterials von Samenspendern gegeben hätte. Abgesehen davon wurde die Missachtung der Regeln bis vor zwei Jahren nicht wirklich geahndet, die betroffenen Fruchtbarkeitszentren bekamen allenfalls eine Verwarnung. All diese Nachlässigkeiten sind letztlich aber die Folge eines fundamentalen Problems: Die Nachfrage ist viel höher als das Angebot. Das ist der entscheidende Grund dafür, dass moralischer und auch materieller Druck entsteht, die Regeln zu beugen. Sprich: Hier geht es zwar auch um Geld, aber letztlich vor allem um all die Familien mit einem unerfüllten Kinderwunsch. Besonders tragisch ist, dass der neuerliche Skandal dazu führen wird, dass das Angebot an Samenspenden noch kleiner werden und sich das Problem damit noch verschärfen dürfte. Aber, seien wir ehrlich: Es möchte auch niemand später dramatische Neuigkeiten erfahren über schwerwiegende medizinische Risiken.
"Unser Einkaufswagen ist wieder teurer geworden", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. "Und das den fünften Monat in Folge", präzisiert Gazet van Antwerpen. Das geht aus Zahlen der Verbraucherschutzorganisation Test Achats hervor. Die Preise in den Supermärkten sind damit um rund fünf Prozent gestiegen, was deutlich höher liegt als die Inflation.
Ohrenbetäubendes Schweigen der Politik zum Tod eines Kindes
Einige Leitartikler beschäftigen sich aber auch heute noch mit dem tragischen Tod des elfjährigen Fabian, der auf seinem E-Roller mit einem Polizeifahrzeug zusammenstieß und dabei ums Leben kam. Die Ordnungskräfte hatten den Jungen quer durch einen Park in Ganshoren verfolgt, nachdem dieser sich einer Kontrolle entzogen hatte.
Diese Tragödie ist viel mehr als nur eine Meldung in der Rubrik "Verschiedenes", findet La Dernière Heure. Im Elisabethpark in Ganshoren ist am Montagabend eine soziale Bombe explodiert, in aller Stille. Viele Eltern sind besorgt und empört, beißen aber auf die Zähne. Denn ein Kind ist tot, das vielleicht gegen Regeln verstoßen hatte, das aber getötet wurde durch eine total unverhältnismäßige Reaktion der Polizei. In sozialen Netzwerken weisen aber viele Menschen eben darauf hin, auf die Tatsache, dass doch der Junge oder seine Eltern letztlich für das Drama verantwortlich sind. Wenn man diesen unmenschlichen Gedanken weiterspinnt, dann wäre es am Ende also akzeptabel, wenn ein Klümpchendieb eine Kugel in den Rücken bekommt. Besonders verstörend bei alledem ist aber das ohrenbetäubende Schweigen der Politik.
Eine unmoralisch lange Untersuchung
Die Reaktion einer Polizeigewerkschaft ist aber auch nicht besser, hakt sinngemäß Het Nieuwsblad ein. "Was wäre denn die Alternative gewesen?", fragte rhetorisch ein Gewerkschaftssprecher. Menschen, die gegen die Straßenverkehrsordnungen verstoßen oder die sich einer Kontrolle entziehen, die könne man schließlich auch nicht laufen lassen. Wenn man immer erst die möglichen Folgen abwägen müsste, dann würden die Ordnungskräfte am Ende gar nichts mehr tun. Diese Argumentation ist doch ein bisschen skurril. Es verlangt doch niemand, dass Gesetzesbrecher nicht verfolgt werden dürfen. Und natürlich muss man auch, wenn nötig, ein Kind zur Ordnung rufen, das auf einem E-Roller vor der Polizei flüchtet. Entscheidend ist hier aber die Wahl der Mittel, denn die Priorität der Ordnungskräfte muss doch immer sein, die Menschen zu beschützen. Und es reicht nicht, am Ende als Entschuldigung anzugeben, dass das Gras im Park zu nass war.
"Ein Kind ist tot", ruft Het Laatste Nieuws noch einmal anklagend in Erinnerung. Es stimmt: Die Regel ist, dass man nicht vor der Polizei flüchtet. Die Regel ist aber auch, dass die Polizei keine Bürger tötet. Wenn man auch jetzt nicht die Untersuchungsergebnisse quasi vorwegnehmen will, so mag es doch arg danach aussehen, als hätten die Beamten am Montagabend jegliches Maß verloren. Das sogenannte Komitee P, das Aufsichtsorgan der Polizeidienste, soll jetzt also in dem Fall ermitteln. Das könne Wochen, vielleicht sogar Monate dauern, hieß es da. Wie bitte? Wochen oder Monate? Das ist geradezu unmoralisch lang. Und kontraproduktiv dazu, denn Vertrauen muss man sich verdienen, und die sich häufende Zahl von Fällen von Polizeigewalt trägt nicht unbedingt dazu bei. In der Zwischenzeit müssen Eltern ihren elfjährigen Sohn beerdigen. Und sie wissen nicht einmal, warum.
Die rechte Hand muss wissen, was die linke tut
"Die Nato-Staaten wollen ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes anheben", schreibt schließlich L'Echo. Bisher liegt das Ziel bei zwei Prozent, also mehr als eine Verdopplung. Le Soir fragt sich, "wofür all diese Milliarden letztlich konkret dienen werden".
L'Echo stellt sich in seinem Kommentar dieselbe Frage. Natürlich geht es hier in erster Linie um Geld. Und – zwischen Klammern gesagt: Verteidigungsausgaben im Gegenwert von drei oder gar fünf Prozent würden viele Staaten vor beinahe unlösbare Probleme stellen. Und letztlich sogar den Sozialstaat in Gefahr bringen. Aber Geld ist nicht alles. Es bedarf einer wirklich ausgefeilten Strategie. Vor allem müssen die Staaten dafür sorgen, dass ihre Rüstungsankäufe komplementär sind, dass also die rechte Hand weiß, was die linke tut. Und nicht jeder auf eigene Systeme setzt. Auf diese Weise kann man auch die Kosten senken. Und noch etwas: Bei alledem muss man auch die europäische Rüstungsindustrie stärken. Denn fast zwei Drittel aller Rüstungsgüter kommen nach wie vor aus den USA. Das ist keine Fußnote, sondern eine Grundsatzfrage, wenn die Europäer tatsächlich ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen.
Roger Pint