"Wilders stürzt Niederlande in tiefe Krise: Partei für die Freiheit schmeißt hin", titelt das GrenzEcho. "Wilders lässt die niederländische Regierung stürzen", fasst Gazet van Antwerpen zusammen. "Wilders versetzt dem Kabinett den Todesstoß und stellt sich selbst endgültig ins Abseits", so De Standaard. "Wilders schickt die Niederlande wieder an die Wahlurnen", liest man bei Het Nieuwsblad.
Einmal Populist, immer Populist, kommentiert La Libre Belgique den Ausstieg von Geert Wilders und seiner PVV, der "Partei für die Freiheit", aus der niederländischen Regierung. Und es ist ja nicht das erste Mal, dass Wilders den Stecker aus einer Regierung zieht, 2012 hat er das schon mal gemacht. Und auch jetzt wieder konnte der Populist es nicht lassen, sich als Opfer des Systems zu präsentieren. Die Konsequenzen seiner Entscheidung könnten schwer werden. Zunächst einmal droht den Niederlanden jetzt wieder politische Instabilität und Unsicherheit. Gleichzeitig wankt aber auch die Normalisierung der Rechtsextremen. Denn Wilders' Verhalten stellt ihre Fähigkeit infrage, zu verhandeln oder Kompromisse zu akzeptieren. Daraus sollten auch andere Länder Lehren ziehen. In Belgien, Frankreich, Italien und Polen sind die Nationalisten und Extremisten ja auch ständig auf dem Vormarsch. Das stellt eine Versuchung dar für die anderen politischen Kräfte, sie in Mehrheiten zu integrieren – im Namen von Realismus und politischen Berechnungen. Da werden auch fragwürdige Ideologien gerne ausgeblendet. Der niederländische Donnerschlag erinnert uns daran, dass so ein Vorgehen große Risiken birgt, mahnt La Libre Belgique.
Die wahren Gründe für Wilders' Rückzieher
Auch jetzt wird es wieder Menschen geben, die Wilders als Opfer dunkler Mächte verkaufen werden, die den Willen des Volkes zur Begrenzung der Migration untergraben wollen, schreibt De Morgen. Das ist, mit Verlaub, ein Haufen Unsinn. Die niederländische Regierung ist nicht gestürzt, weil die Koalitionspartner eine strengere Asyl- und Migrationspolitik verweigerten. Sie ist über die Unfähigkeit der von Wilders persönlich ernannten PVV-Minister gestürzt, das umzusetzen. Sie ist wegen taktischer Berechnungen gestürzt, weil Wilders' Beliebtheitswerte sanken. Sie ist gestürzt über die Unberechenbarkeit und Unzuverlässigkeit der Ein-Mann-Partei PVV. Wilders wollte die Regierungsverantwortung wieder loswerden, weil ihm der Boden zu heiß wurde unter den Füßen. Vielleicht wird es ihm auch wieder gelingen, mit seiner Panikmache über Migration zu punkten. Das ist eben Demokratie. Aber es wäre absolut unverantwortlich, das noch mal mit den Schlüsseln zur Macht zu belohnen, wettert De Morgen.
Wilders' ganzer Parcours zeigt, wie sehr er die Demokratie verachtet, meint Het Laatste Nieuws. Vielleicht fand er es, mit Blick auf seine sinkenden Popularitätswerte, einfach einen idealen Zeitpunkt für einen Exit aus der Regierung. Aber wenn er es selbst nach seinem historischen Sieg nicht geschafft hat, seine Politik in puncto Migration umzusetzen, warum sollte das in Zukunft anders sein?, fragt Het Laatste Nieuws.
Wilders konnte nicht den Trump machen
Eigentlich hat es viel zu lange gedauert, bis die Regierung gestürzt ist, findet Het Nieuwsblad. Denn das Fiasko saß von Anfang an in ihren Genen: Ein Technokraten-Premier, dem niemand zuhörte, ein Mini-Kabinett ohne echtes Regierungsprogramm, keine Parteispitzen in der Regierung. Die Folge waren Amateurismus und Unfähigkeit. Populisten egal welcher Couleur haben eben vor allem eines vor Augen: ihre eigenen Interessen. Die wichtigste Lektion ist, dass radikale Parteien, die ihren Anhängern Luftschlösser verkaufen, nichts von ihren vollmundigen Versprechen umsetzen. Die Niederlande haben bewiesen, dass der schnellste Weg in den Abgrund über extreme Pfade führt, giftet Het Nieuwsblad.
Eine Schlussfolgerung liegt auf der Hand, auch für Belgien, fasst Gazet van Antwerpen zusammen: Koalitionen aus rechtsextremen und Zentrumsparteien funktionieren nicht. Wilders spiegelte seinen Wählern ein Programm à la Trump vor, das sich weder um europäische Gesetze noch moralische Skrupel scheren sollte. Aber im Gegensatz zu Trump scheiterte Wilders an den drei anderen Parteien, die doch lieber am Rechtsstaat festhalten wollten. Vielleicht wird Wilders den Schaden bei den Wählern noch begrenzen können. Aber die Chancen, dass andere Parteien jemals wieder mit ihm zusammenarbeiten werden, ist mikroskopisch klein geworden, glaubt Gazet van Antwerpen.
Vielleicht hat Wilders keinen Rückzieher gemacht, weil er die Migranten nicht draußen halten durfte, sinniert Het Belang van Limburg. Sondern, weil er begreifen musste, dass er in der aktuellen Konstellation den Rechtsstaat nicht ohne Weiteres in die Luft jagen konnte. Für so etwas braucht man schon einen Trump, der Chaos zu seinem Beruf gemacht hat. Aber Niederländer lieben nun einmal Ordnung und Regeln. Chaos ist etwas, was sie wohl wenig locken dürfte, so Het Belang van Limburg.
Wo bleiben die Lehren aus den Dramen?
L'Avenir greift den Tod eines elfjährigen Jungen in der Brüsseler Stadtgemeinde Ganshoren auf. Der Junge war gestorben, nachdem er sich auf einem E-Roller einer Polizeikontrolle entziehen wollte und bei einer Verfolgungsjagd mit einem Polizeiauto kollidiert war. Unverständnis, Trauer und Wut – und überall immer wieder die gleichen Fragen: Wie konnte eine einfache Polizeikontrolle in so einer Tragödie enden? Wie kann ein Polizeieinsatz zum Tod eines Kindes führen? Wie kann die Polizei ein elfjähriges Kind mit dem Auto mitten am Nachmittag durch einen Park jagen? Die Emotionen kochen hoch und diese Fragen sind alle legitim. Aber es ist an der Justiz, ihre Arbeit zu tun, gewissenhaft und ohne Druck von außen. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass es ja nicht der erste tödliche Vorfall mit Polizeibeteiligung war. Das zeigt zumindest, dass noch immer nicht die richtigen Lehren aus solchen Dramen gezogen worden sind, beklagt L'Avenir.
Wir müssen uns davor hüten, den Jungen oder seine Eltern verantwortlich zu machen, weil er mit elf Jahren auf einem E-Roller unterwegs war, obwohl das erst mit 16 erlaubt ist, unterstreicht La Dernière Heure. Wir müssen uns davor hüten, Fehler in der Erziehung des getöteten Jungen zu suchen. Wir müssen uns auch davor hüten, in gefährliche Anti-Polizei-Rhetorik zu verfallen oder alle Polizisten als "Cowboys" zu beschimpfen. Denn der tödliche Unfall zerstört auch die beteiligten Beamten. Aber was wir sehr wohl dürfen, ist, die Wahrheit zu verlangen. Für diese Art von Unfall gibt es keine Entschuldigungen. Es kann einfach nicht sein, dass ein Polizeiwagen durch einen Park rast an einem Juniabend um kurz vor sechs Uhr, nur um einen Knirps zu erwischen, der zwar sicher gegen geltende Gesetze verstoßen hatte, der aber keine Gefahr für andere darstellte. Die Polizei wird sich erklären müssen, denn auch sie steht nicht über dem Gesetz. Das wird den Jungen zwar nicht zurückbringen, aber hier müssen trotzdem Antworten kommen. Und zwar schnell, fordert La Dernière Heure.
Boris Schmidt