"Eine 'sofortige' Wiederaufnahme der Verhandlungen", titelt lapidar Le Soir. "Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand beginnen jetzt, sagt Trump nach dem Telefongespräch", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws. "Trump setzt auf Verhandlungen im Vatikan", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Gestern sind im Weißen Haus die Drähte heiß gelaufen. Erst hat sich US-Präsident Donald Trump mit den Europäern ausgetauscht, dann hat er den ukrainischen Präsidenten Selenskyj angerufen und schließlich hat er zwei Stunden mit Kreml-Chef Putin am Telefon verbracht. Im Anschluss erklärte Trump vollmundig, dass beide Seiten "sofort" mit Verhandlungen beginnen werden. Aus dem russischen Lager klang das aber deutlich weniger enthusiastisch. Für De Standaard ist klar: "Putin beugt sich nicht, auch nicht nach dem Telefongespräch mit Trump", titelt das Blatt.
"Es hat sich nichts verändert", führt De Standaard in seinem Leitartikel aus: "Putin will keinen Deal, er will die Ukraine". Putin nannte das Gespräch mit Trump "nützlich". Das sagt, was es sagt. Der Kreml-Chef hat offensichtlich nicht vor, auch nur einen Deut von seiner bisherigen Linie abzurücken. Russland bleibt bei seinen Maximalforderungen: Annexion der Krim und der östlichen Provinzen in der Ukraine, und der Rest des Landes soll der russischen Einflusssphäre einverleibt und demilitarisiert werden.
Eine 30-tägige Waffenruhe ist definitiv nicht im Interesse des Kremls. Putin spekuliert vielmehr, laut Medienberichten, auf einen entscheidenden Durchbruch gegen Ende dieses Jahres. Klar: Dem Land drohen neue Sanktionen von der EU und vielleicht auch von den USA. Vorläufig hat Putin aber erstmal wieder Zeit gewonnen.
Unser moralischer Kompass
Viele Zeitungen blicken aber heute auch wieder besorgt auf den Gazastreifen. "Israel lässt 'minimale Hilfe' zu, um die amerikanischen Verbündete zu besänftigen", titelt Gazet van Antwerpen. "Aber das bleibt viel zu wenig", schreibt anklagend Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad wird konkreter: "Ein Fladenbrot, eine warme Mahlzeit, das soll die 'Hilfe' sein".
"Ein Terror kann nicht einen anderen rechtfertigen", mahnt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Natürlich war der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 ein beispielloser Akt der Barbarei. Und natürlich hat in einem solchen Moment jeder Staat das Recht auf Selbstverteidigung. Doch eben dieses Recht kennt Grenzen. Israel hat den Gazastreifen buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht. Seit Wochen werden Hilfslieferungen in das Küstengebiet systematisch blockiert. Die jetzt beschlossene "begrenzte" Lockerung dieser Blockade erfolgt "aus rein diplomatischen Erwägungen heraus", betonte der israelische Ministerpräsident Netanjahu.
Das ist fast schon ein Offenbarungseid: Menschliche Not wird zu einer bloßen Stellschraube. Wer jetzt eine Waffenruhe fordert und auch die dringende Wiederaufnahme der Hilfslieferungen, der entscheidet sich nicht für eins der beiden Lager. Hier geht es letztlich nur noch um unseren moralischen Kompass.
Klare Positionierung Belgiens ist nötig
"Belgien wird sich hier deutlicher positionieren müssen!", fordert Het Nieuwsblad. Da gibt es keine Ausreden oder Entschuldigungen mehr. Es ist Außenminister Maxime Prévot, der hier jetzt Druck machen will. Geht es nach dem Les-Engagés-Politiker, dann sollte sich Belgien der Forderung anderer EU-Staaten anschließen, die das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel aussetzen wollen. Begründung: "Die Achtung der Menschenrechte gehört zu den Grundwerten der EU; und die israelische Regierung erfüllt dieses Kriterium nicht mehr".
Bleibt die Frage, warum sich N-VA und MR weiter gegen eine härtere Gangart sträuben. Schließlich richten sich die Maßnahmen nicht gegen die israelische Nation, sondern gegen die Regierung Netanjahu. Mehr noch: Laut israelischen Umfragen sprechen sich 70 Prozent für eine Waffenruhe aus. Wer nicht nur die palästinensische Zivilbevölkerung, sondern auch die Mehrheit der Israelis mit Sanktionen unterstützen kann, der sollte doch eigentlich keine Bauchschmerzen haben.
Aber einer schießt mal wieder quer, giftet sinngemäß De Morgen. Der N-VA-Verteidigungsminister Theo Francken sah ausgerechnet im Zuschauer-Voting beim ESC seine Meinung bestätigt. Wenn so viele Menschen für Israel stimmen, dann sei das doch der Beweis dafür, dass die Empörung über die Zustände im Gazastreifen letztlich nur ein Konstrukt der "linken Medien" sei, schreibt Francken auf Facebook. Mit dieser Provokation sollte Francken wohl den rechten Flügel der N-VA bei Laune halten. Der Punkt ist allerdings: Francken ist nicht irgendein N-VA-Politiker, sondern der föderale Verteidigungsminister. Und politische Stellungnahmen, die nicht dem Regierungsstandpunkt entsprechen, die gehören nicht zur politischen Folklore, sondern können sich zu einem ernsten Problem entwickeln. Die Geduld der Koalitionspartner ist nicht unendlich.
Staatsmännischer De Wever oder nur heiße Luft?
Die Regierung De Wever ist ja heute auch mit einem neuen Streik konfrontiert. "Das wird inzwischen fast schon zur Routine", zischt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Klar nervt das die Betroffenen, aber das war's auch schon. Und auch innerhalb der Regierung sorgen die Proteste nicht für viel Aufhebens. Eitel Sonnenschein also in Arizona? Mitnichten! Denn die EU-Kommission hat Belgien erneut wegen des Haushaltsdefizits auf die Finger geklopft. Die Lage hat sich demnach noch verschlechtert. Die Koalition wird also nachbessern müssen. Und das könnte zu einer Zerreißprobe werden, denn insbesondere Vooruit und die CD&V spüren schon jetzt durchaus den Druck ihrer jeweiligen Basis.
"Das Gutachten der EU-Kommission ist gleichbedeutend mit einer Sturmwarnung", meint sogar alarmiert L'Echo. Der belgische Haushalt ist nicht in der EU-Spur. Diese Feststellung wird noch durch eine neuerliche Rüge des Rechnungshofes untermauert. Der kritisiert einmal mehr die Luftbuchungen der Regierung, die vorweggenommenen Veranschlagungen von erhofften Einnahmen. Die habe man systematisch überschätzt, etwa wenn man davon ausgeht, dass die Beschäftigungsrate im Jahr 2030 tatsächlich die angestrebten 80 Prozent erreicht hat. Das allerdings ist alles andere als sicher.
Kurz und knapp: Am Arizona-Himmel ziehen dunkle Wolken auf. Einmal mehr wird Premier De Wever den rechten und den linken Flügel seiner Regierung auf einen gemeinsamen Nenner bringen müssen. Schafft er das, dann beweist er seine staatsmännischen Qualitäten. Anderenfalls waren seine Slogans nicht mehr als heiße Luft.
Roger Pint