"Eine 'entscheidende' Woche für den Frieden", titelt Le Soir. "Die USA erhöhen den Druck auf Russland", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Trump wird heute mit Putin telefonieren", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws sieht es aus der Perspektive des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: "Nach dem Gespräch mit dem Papst: Heute telefoniert Trump mit Selenskyj (und mit Putin)".
US-Präsident Donald Trump will nach eigenen Angaben heute sein Telefonat mit Kreml-Chef Putin führen. Vorher will er sich offenbar mit den europäischen Partnern abstimmen. Und auch mit Selenskyj will Trump telefonieren. Wirkliche Bewegung wird es aber nur geben, wenn Trump den Druck auf Russland spürbar erhöht.
Einige Zeitungen blicken aber auch besorgt bis entsetzt auf den Gazastreifen: "Ungeachtet des wachsenden Protestes rückt Israel in Gaza ein", titelt De Standaard. "Auf Gaza wartet nur noch mehr Verwüstung", so die Schlagzeile von De Morgen.
Israel hat mit einer neuen Großoffensive auf den Gazastreifen begonnen. Erklärtes Ziel ist es weiterhin, die islamistische Terrororganisation Hamas auszuschalten und die noch verbleibenden israelischen Geiseln zu befreien. Die humanitäre Lage in dem Küstengebiet ist aber inzwischen katastrophal.
ESC – ein Spiegelbild der europäischen Politik
Und doch durfte Israel am ESC teilnehmen. "Und beinahe hätte Israel auch noch gewonnen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Europa stimmt massiv für Israel, aber Österreich schnappt sich am Ende den Sieg", so die Schlagzeile von Gazet Van Antwerpen.
"Der Eurovision Song Contest darf nicht politisch sein, aber er ist noch nie so politisch gewesen", konstatiert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Die European Broadcasting Union, kurz EBU, die das Songfestival organisiert, hat in den letzten Jahren einen peinlichen Schleuderkurs hingelegt. Denn, nicht vergessen: Auch Russland war wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine zunächst nicht disqualifiziert worden. Erst, nachdem Island und Finnland mit einem Rückzug aus dem ESC drohten, entschloss sich die EBU doch zu dem Schritt.
Im Fall Israel geben die Veranstalter kein glücklicheres Bild ab. "Hier geht es doch nicht um Israel, sondern um eine unabhängige, öffentliche Sendeanstalt", heißt es da. Das ist doch ein Witz! Das ist, als würde man behaupten, die Zuschauer geben ihre Stimme für die VRT ab und nicht für Belgien. Der Punkt ist: Kein einziges europäisches Land hat diesmal mit einem Boykott des ESC gedroht. Die EBU fühlte sich also nicht zum Handeln genötigt. Der ESC ist damit aber letztlich nur ein Spiegelbild der europäischen Politik, die sich ja mit Blick auf Israel auch nicht klar positioniert.
ESC – ein ausgehöhltes Neutralitätsprinzip
Indem sie Israel die Teilnahme am ESC erlaubt hat, hat sich die EBU aber selbst in eine Zwangslage manövriert, glaubt De Standaard. Zum Beispiel wurde das Neutralitätsprinzip inzwischen wirklich ausgehöhlt. Es ging nämlich so weit, dass man es dem spanischen Fernsehen verboten hat, die Opfer im Gazastreifen überhaupt zu erwähnen. Dies sogar unter Androhung von Strafmaßnahmen. Mit Verlaub, aber das ist lächerlich. Das alles nur um zu sagen: Aus moralischer Perspektive ist die Teilnahme Israels am ESC nicht zu verteidigen. Denn hier wird der Eindruck erweckt, dass Israel ein "normales" Land ist. Und das ist es nicht! Es ist ein Land, das internationales Recht missachtet und Kriegsverbrechen auf dem Gewissen hat. Man kann nicht die Menschenrechte hochhalten und zugleich wegschauen bei Ländern, die das nicht tun.
"Aber warum hat das Fernsehpublikum Israel so viele Punkte gegeben?", fragt sich Gazet van Antwerpen. Es wirkt irgendwie unwahrscheinlich, dass dieses Abstimmungsergebnis sich allein dadurch erklärt, dass jüdische Organisationen massiv um Stimmen für Israel geworben hatten. Man kann vielmehr davon ausgehen, dass viele Menschen für Israel gestimmt haben, um ihre politische Unterstützung für das Vorgehen der Regierung Netanjahu zum Ausdruck zu bringen.
Und auch hierzulande gibt es Politiker, die daraus gleich Kapital schlagen wollen. Der N-VA-Verteidigungsminister Theo Francken etwa sah sich gleich in seiner Meinung bestätigt: Das Zuschauervotum strafe die "linke Presse" Lügen, die ja ununterbrochen über die Lage im Gazastreifen berichte. Viele Bürger sähen die Lage aber durchaus anders, so Frankens triumphalistische Analyse. Dabei weiß Franken sehr gut, dass Israel in unserem Vorgarten liegt und uns ausgehungerte Kinder sehr wohl etwas angehen.
Antidemokratische Parteien im Aufwind in Europa
"Europa kann derweil erstmal erleichtert aufatmen", meint L'Avenir. Rumänien, Polen und Portugal sind erstmal nicht ins rechtsextreme Lager gekippt. In Rumänien hat der rechtsextreme Kandidat, der Ex-Hooligan und Trump-Verehrer George Simion bei der Präsidentschaftswahl gegen seinen pro-europäischen Gegenkandidaten verloren. Und bei der Präsidentschaftswahl in Polen liegt ebenfalls der liberale und pro-europäische Kandidat in Führung. In Portugal konnten sich die Rechtsextremisten bei der Parlamentswahl auch nicht durchsetzen.
Man sollte aber nicht zu laut jubeln. Denn überall sind die antidemokratischen Parteien auf dem Vormarsch. Die Erleichterung ist womöglich nur von kurzer Dauer.
Jede Strafe muss verhältnismäßig und argumentiert sein
Innenpolitisch steht einmal mehr die Reformagenda der Regierung De Wever. Am Vorabend eines neuen nationalen Streiks beschäftigt sich Le Soir etwa mit der anstehenden Streichung des Arbeitslosengeldes für mindestens 100.000 Betroffenen. Man sollte die Maßnahme aufschieben, ist das Blatt überzeugt. Denn man kann davon ausgehen, dass die meisten von ihnen am nächsten Tag bei den Öffentlichen Sozialhilfezentren anklopfen werden. Die ÖSHZ sind aber – Stand jetzt – nicht auf einen solchen Ansturm vorbereitet. Der Ausschluss aus der Arbeitslosenunterstützung wird sich also für viele dieser Menschen so anfühlen, als lasse man sie fallen wie eine heiße Kartoffel.
Bis zu 140.000 Betroffenen: Das ist keine Zahl, hier handelt es sich um Leben. Hinzu kommt: Jede Strafe – und der Ausschluss aus der Arbeitslosenunterstützung ist eine Strafe – muss verhältnismäßig und argumentiert sein. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Wenn die Regierung die Maßnahmen übers Knie brechen will, dann riskiert sie, die Akzeptanz zu verlieren.
Roger Pint