Eine Woche nach dem Beginn der internationalen Militäraktion gegen Libyen ziehen die meisten Zeitungen heute eine erste Bilanz. Innenpolitisch stehen vor allem das jüngste Politbarometer der Zeitung La Libre Belgique sowie die Nachwehen des Streits zwischen N-VA und CD&V im Mittelpunkt.
Weitere Themen sind das politische Ende von Michel Daerden, die Verkehrstoten in Belgien und der Sieg von Tom Boonen bei Gent-Wevelgem.
"Gaddafi hat die Kontrolle über die Hälfte von Libyen verloren, titelt heute De Morgen. "Sie fliehen wie die Ratten", notiert De Standaard auf Seite 1. Und Het Belang van Limburg fokussiert auf die belgische Beteiligung mit der Schlagzeile: "Belgische F16 bombardieren Libyen".
Gaddafi verliert an Boden - Belgier werfen erste Bombe
Die libyschen Rebellen bewegen sich auf Gaddafis Heimatsstadt Sirte zu, das Reich von Gaddafi droht auseinanderzubrechen, unterstreicht De Morgen. Erstmals mussten auch belgische F16-Kampfbomber im Rahmen des internationalen Militärbündnisses gegen Libyen das Feuer eröffnen, wie viele Zeitungen hervorheben. Die Piloten bombardierten dabei Stellungen von Gaddafi-treuen Truppen. Dabei habe es keine Kollateralschäden - sprich zivile Opfer- gegeben, wie unter anderem Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite unterstreicht.
Umfrage: PS und cdH abgestraft
Innenpolitisch richtet sich die Aufmerksamkeit heute ganz besonders auf das neue Politbarometer der Zeitung La Libre Belgique. Das Ergebnis bringt das Blatt mit der Schlagzeile auf den Punkt: "Das Tandem PS-cdH ist ins Stocken geraten". Grob zusammengefasst: In der Wallonie und in Brüssel müssen PS und cdH Federn lassen. In der Wallonie verlieren beide im Vergleich zur Parlamentswahl im Juni 2010 mehr als vier Prozentpunkte. Gewinner ist die liberale MR. Die Grünen gewinnen in der Wallonie, was sie in Brüssel verlieren. Populärster Politiker in der Wallonie und in Brüssel ist PS-Chef Elio Di Rupo. Einziger wirklicher Gewinner in Flandern ist die N-VA mit einem Plus von rund fünf Prozent.
Es ist zwar nur eine Momentaufnahme, meint La Libre in ihrem Kommentar, dennoch dürften die Ergebnisse der Umfrage bei PS und cdH für Diskussionsstoff sorgen. Bei der PS kann man das Gefühl haben, dass sie seit dem vergangenen September kein wirkliches Risiko mehr eingegangen ist, um die Verhandlungen wieder anzukurbeln. Bei der cdH wird man die Kommunikation der Partei in Frage stellen müssen. Die Arbeit von cdH-Chefin Joëlle Milquet erweist sich zumindest für ihre Partei als kontraproduktiv. Es wird Zeit, dass Benoît Lutgen endlich, wie eigentlich schon lange geplant, die Zügel in die Hand nimmt.
La Dernière Heure sieht das genauso: Joëlle Milquet wird durch das historisch schlechte Ergebnis jetzt unter Druck gesetzt, die Fackel weiter zu reichen. Was die PS betrifft: Ihr scheint man jetzt den Stillstand in den Verhandlungen anzulasten.
Ähnlich sieht das auch der renommierte Politwissenschaftler Carl Devos in De Morgen: Die PS bekommt jetzt die Rechnung präsentiert, weil sie in den letzten Monaten zu wenig Initiative gezeigt hat.
Für Le Soir ist jetzt endgültig der Wahlkampf eingeläutet, vielleicht nicht mit Blick auf die föderale Ebene, mit Sicherheit aber auf die Kommunalwahlen in anderthalb Jahren. Selbst wenn das Land in den nächsten Wochen oder Monaten endlich eine Regierung bekäme, kann man davon ausgehen, dass dann gleich wieder nichts passiert - um die Wähler im Vorfeld der Kommunalwahl nicht zu brüskieren. Und genau dieser Termin dürfte jetzt auch die Atmosphäre am föderalen Verhandlungstisch beeinflussen.
Appelle zur flämischen Einigkeit
In Flandern derweil sorgt weiter der bizarre Streit zwischen N-VA und CD&V für Diskussionsstoff. Gazet van Antwerpen ruft in diesem Zusammenhang zu Einigkeit auf. Es bedarf absolut einer flämischen Front, um eine wirklich gute, tief greifende Staatsreform an Land zu ziehen. Wenn sich N-VA und CD&V nicht einig sind, dann sollten sie es zumindest vermeiden, ihren Streit auf dem Marktplatz auszutragen. Die einzige Art und Weise, die PS zu einem Abkommen zu bewegen, ist klarzumachen, dass die zwei größten flämischen Parteien zusammenhalten. Hat Di Rupo den gegenteiligen Eindruck, dann wird er sich keinen Millimeter mehr bewegen.
Tatsächlich hat auch der flämische CD&V-Ministerpräsident Kris Peeters gestern zur Einigkeit aufgerufen, wie auch L'Avenir unterstreicht. Alle Parteien sollten sich um die so genannte Octopus-Note scharen, in der die flämischen Parteien ihre Forderungen im Hinblick auf eine neue Staatsreform formuliert hatten. Dadurch hat Peeters aber seinem Parteifreund Yves Leterme Knüppel zwischen die Beine geworfen, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Im Lichte des Peeters-Appels erscheint der Angriff von Yves Leterme auf die N-VA jetzt als unnütz und schädlich. Die CD&V hat eigentlich nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Regieren ohne die N-VA wäre Selbstmord, Neuwahlen ebenso.
De Morgen kann sich demgegenüber nur darüber wundern, dass diese Land offensichtlich keine andere Probleme hat. Während ganz Europa insbesondere an harte Sparmaßnahmen denkt, spielt man hierzulande politische Spielchen. Dabei verhalten wir uns, als wäre unser Wohlstand gottgegeben. Da darf man sich nicht wundern, dass das Vertrauen in die politische Klasse unter null gesunken ist.
"Der letzte Dinosaurier" - "Rasen ist normal"
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit der politischen Zukunft von Michel Daerden. Dessen Ende als Bürgermeister von Ans dürfte wohl heute besiegelt werden. Für Het Laatste Nieuws verlässt damit einer der letzten Dinosaurier der alten PS die Arena.
Het Nieuwsblad veröffentlicht heute eine Studie über die Überzeugungen belgischer Autofahrer. Daraus geht hervor, dass die Mehrzahl wenig von Geschwindigkeitsbegrenzungen hält. Mit dem Handy am Steuer zu telefonieren findet beinahe jeder normal. Dem gegenüber steht die immer noch überdurchschnittlich hohe Zahl der Verkehrstoten in Belgien.
Nicht zu übersehen ist schließlich das Foto des belgischen Radprofis Tom Boonen, der gestern den Radklassiker Gent-Wevelgem gewonnen hat. Der allgemeine Tenor: Jetzt richten sich alle Blicke auf die Flandernrundfahrt am kommenden Sonntag.