"Hochsommer am 1. Mai: 'Zum Glück stehen wir nicht im Stau ans Meer'", titelt Het Belang van Limburg über einem Foto von Menschen im Schwimmbad. "Küste überlaufen: Stadt Ostende geschlossen, Züge überfüllt, E40 voll, Rekordbesucherzahlen am Meer", meldet La Dernière Heure. "Ostende kurzfristig geschlossen wegen unerwartetem Ansturm", schreibt Het Laatste Nieuws. "Feiertag an der Küste – außer, wenn man mit dem Auto kam", so Het Nieuwsblad.
Am Mittwoch hatte Jean-Marie Dedecker, seines Zeichens unter anderem Bürgermeister von Middelkerke, wieder für viel Wirbel gesorgt, erinnert La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Dedecker hatte gesagt, dass alle an der Küste willkommen seien – solange sie sich benähmen. Das hatte gerade bei vielen Frankophonen zu einem Sturm der Entrüstung geführt, sicher nicht zuletzt in den Sozialen Netzwerken. Man müsse die belgische Küste boykottieren, sie sei hässlich, verschandelt, wenig einladend, überteuert und so weiter.
Und trotzdem war die Küste auch gestern wieder total überlaufen, die Besucherzahlen erreichten neue Rekorde. Das zeigt einmal mehr, dass wir unsere Küste einfach lieben. Schließlich ist es auch der einzige Ort des Landes, an dem Frankophone und Niederländischsprachige wirklich miteinander in Kontakt kommen. Statt sich gegenseitig zu kritisieren, wäre es also besser, unsere Strände zu nutzen, um sich besser kennenzulernen und sich gegenseitig zu respektieren, regt La Dernière Heure an.
Eine Frage der Perspektive
Gestern war aber nicht nur Feiertag, sondern auch Tag der Arbeit, wie Gazet van Antwerpen unterstreicht: Das haben vor allem die oppositionelle PTB und die sozialistische Gewerkschaft genutzt, um die Föderalregierung scharf zu kritisieren. Die Regierung zerstöre die Soziale Sicherheit, so eine ihrer zentralen Botschaften. Kritik an der Regierung zu äußern ist sinnvoll und nötig. PTB und Gewerkschaft erfüllen hier also ihre Rolle und müssen auch ernst genommen werden. Aber dennoch ist die Darstellung absolut falsch, dass die Regierung De Wever eine Regierung mit hartem Sparkurs ist, die den Menschen nicht zuhört.
Erstens hat De Wever bei den Wahlen ein klares Mandat bekommen für seine Politik. Zweitens kann man ihm sicher auch nicht vorwerfen, dass er den Sozialstaat mit der Axt angeht. Und schließlich sind da noch das Rekord-Haushaltsloch und die besorgniserregend hohen Staatsschulden. Die Anstrengungen der Regierung können also genauso gut als Versuch gesehen werden, das Rentensystem zu retten und für folgende Generationen zu bewahren, meint Gazet van Antwerpen.
L'Echo hat bei den Reden zum 1. Mai vor allem eines vermisst: eine Diskussion über die Rolle der Arbeit in der Gesellschaft. Welchen Platz wollen wir Arbeit einräumen in einem immer älter werdenden Belgien? Wie soll Arbeit aussehen angesichts einer immer schärferen Konkurrenz aus anderen Teilen der Welt und in einer Gesellschaft, die Migration manchmal kritisch sieht? Immer mehr Menschen, vor allem junge, sind auch auf der Suche nach einem Sinn in dem, was sie tun. Darüber wurde gestern so gut wie gar nicht gesprochen – und das ist ein Fehler. Denn Arbeit einen Sinn zu geben und Arbeitende ausreichend zu würdigen, ist wichtig. Es verbessert die Leistung der Arbeitnehmer und erhöht die Produktivität, das Engagement und das Wohlbefinden der Menschen. All das sind Aspekte, die bei den Reformen nicht vergessen werden dürfen, mahnt die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Belgien darf nicht zum Spielplatz fremder Mächte werden
La Libre Belgique greift die Affäre Eric Dosogne auf: Dem PS-Lokalpolitiker aus Huy in der Provinz Lüttich wird vorgeworfen, während seiner Zeit als diensttuender Bürgermeister für das chinesische Regime unter anderem den heutigen Ecolo-Co-Vorsitzenden und China-Kritiker Samuel Cogolati ausspioniert zu haben. So etwas macht fassungslos, schreibt die Zeitung.
Falls die Beschuldigungen wahr sind, zeigt das einmal mehr, wie anfällig unser Land ist für hinterhältige und gefährliche Angriffe ausländischer Mächte, die vor nichts zurückschrecken. Die Vorgehensweise erinnert dabei stark an bereits bekannte Fälle, in denen China belgische Politiker für seine Spionagetätigkeiten eingespannt hatte. Dosogne scheint unverständlicherweise auch nicht vom Präsidenten seiner Partei sanktioniert worden zu sein für sein Treiben. Und das, obwohl der Inlandsgeheimdienst den PS-Vorsitzenden informiert haben soll.
Das Ganze zeigt, dass Wachsamkeit wichtiger denn je ist. Belgien darf nicht zum Lieblingsspielplatz für ausländische Mächte auf der Suche nach Einflussmöglichkeiten werden, warnt La Libre Belgique.
Ein Abkommen mit Fragezeichen
Le Soir kommentiert das gerade geschlossene Rohstoffabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Ukraine: Hundert Tage nach seinem zweiten Amtsantritt kann sich Donald Trump nun mit einem hübschen Deal rühmen. Denn der Vertrag ist eindeutig ein Sieg für den Republikaner.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war es vor allem ein kleineres Übel. Zumindest vorläufig, denn wir kennen noch nicht alle Einzelheiten des Abkommens. Und das ukrainische Parlament muss dem Vertrag auch noch zustimmen. Außerdem darf man auch nicht unterschlagen, dass die Vereinbarung wohl keinerlei Sicherheitsgarantien gegenüber Russland beinhaltet oder eine Fortsetzung der amerikanischen Militärhilfe. Es ist also wohl nur ein erster Schritt zu einem möglichen Ende des russischen Angriffskriegs, betont Le Soir.
Trump kann jetzt einen Deal vorweisen, der den Vereinigten Staaten – zumindest auf dem Papier – Milliarden einbringen könnte, fasst De Tijd zusammen. Und für Selenskyj war es eine Gelegenheit, die Beziehungen zu Trump etwas zu kitten. Allerdings kommt der Deal zu spät für Trumps Bilanz der ersten hundert Tage seiner zweiten Amtszeit. In dieser Zeit hat er zwar sehr viel Staub aufgewirbelt, effektiv aber wenig erreicht, zumindest, was seine Außenpolitik betrifft. Für jemanden, der ständig mit seiner Verhandlungskunst prahlt, mit seiner "Art of the Deal", ist die Ausbeute bisher jedenfalls sehr mager, stichelt De Tijd.
Boris Schmidt