"Magistrate verschärfen ihre Proteste: Justizkrise droht – Prozesse werden verschoben", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Der Clash zwischen Magistratur und Regierung eskaliert", titelt De Tijd. "Jetzt machen auch die Richter Aktionen: 'Es ist ein Wunder, dass wir noch jeden Tag unsere Arbeit machen'", liest man in De Standaard. "Gerichte und Tribunale: Der Aufstand organisiert sich", so L'Avenir.
"Wir haben noch nie eine so kritische Situation erlebt", zitiert L'Avenir in seinem Leitartikel den Abteilungsprokurator und diensthabenden Prokurator des Königs von Lüttich. Diese Worte zeigen, wie tief die Malaise bei den Staatsanwaltschaften des Landes sitzt. Und die Wut über die zahlreichen Missstände bei der Justiz ist ja nicht neu. Die Politik ist sich dessen auch bewusst, scheint aber unfähig, eine Lösung zu finden. Das Fass zum Überlaufen gebracht haben nun aber die Rentenreformpläne der Regierung De Wever. Die haben dazu geführt, dass die Justiz endlich zum Gegenangriff übergegangen ist. Die Magistrate sind ganz offensichtlich nicht mehr gewillt, sich ignorieren zu lassen. Hier muss schnellstmöglich eine Einigung gefunden werden – für eine gute Justiz, fordert L'Avenir.
Der Widerstand wächst
Der Aufstand der Magistrate gegen die Rentenreformpläne der Regierung scheint zu eskalieren, kommentiert De Tijd. Noch geht es um einzelne Akte des Widerstands – aber der Widerstand wächst und wird brutaler. Einige Magistrate scheinen zu allem bereit, um ihre fürstlichen Renten zu schützen. Dabei sollten doch gerade sie begreifen, dass sie damit auch den Rechtsstaat angreifen. Die Lösung für die Regierung kann nicht lauten, jetzt den Fuß vom Gas zu nehmen oder die Reformen teilweise zurückzunehmen. Denn alle müssen ihren Beitrag leisten, damit sich die finanzielle Lage Belgiens zumindest nicht noch weiter verschlechtert. Dass dazu auch die Pensionen der Magistrate herangezogen werden müssen, liegt auf der Hand. Schließlich gehören sie zu den höchsten des Landes. Außerdem kann man es nur begrüßen, dass die Regierung versucht, den Wildwuchs an vorteilhaften Pensionsregelungen zu stutzen. Den Forderungen der Justiz nachzugeben könnte auch anderswo zu Widerstand führen. Andererseits muss die Regierung an ihrer Kommunikationsstrategie arbeiten: Sie muss glaubwürdiger werden und vor allem Perspektiven bieten für die immer weiter verfallende Justiz, mahnt De Tijd.
Fast schon Erpressung
Grundsätzlich sollte man es ja begrüßen, dass die Justiz auf die Barrikaden geht, schreibt Het Laatste Nieuws. Und auch, dass zum Beispiel die Brüsseler Staatsanwaltschaft angekündigt hat, verstärkt gegen korrupte Beamte und Politiker, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Subventionsbetrug vorgehen zu wollen. Aber leider sind die Motive der Magistrate eben alles andere als edel, es geht ihnen vor allem um ihre eigenen Interessen. Frei nach dem Motto: Finger weg von unseren Pensionen, oder wir richten unsere Pfeile auf euch. So etwas ist unerhört und gefährlich. Der Prokurator des Königs von Brüssel hat sich auf dünnes Eis begeben, indem er Politikern implizit mit Korruptionsermittlungen gedroht hat. Außerdem könnte er damit den Eindruck erwecken, dass die Staatsanwaltschaften käuflich sind. Das Vorgehen stärkt auch nicht gerade die Verhandlungsposition gegenüber der Regierung. Denn wer in der Regierung wird schon nachgeben wollen, wenn es dann so aussieht, als ob sie Angst hätten vor Korruptionsermittlungen?, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken.
Magistrate und Richter haben, so wie alle anderen Menschen auch, das Recht, sauer zu werden, wenn sich ihre Rentenregelungen verschlechtern, unterstreicht De Morgen. Auch ihre Wut über die mangelhafte Finanzierung der Justiz ist mehr als gerechtfertigt. Wobei man allerdings auch anmerken sollte, dass die Magistrate sich auch gegen Rationalisierungsmaßnahmen sperren. Allerdings gibt es keinerlei Rechtfertigung, die eigene richterliche Macht einzusetzen, um die politisch Verantwortlichen ins Visier zu nehmen, weil man unzufrieden ist mit den Rentenreformplänen. Für so ein Vorgehen reicht noch nicht mal das Wort "Machtmissbrauch" aus. Das ist fast schon Erpressung: Entweder ihr gebt uns Recht, oder es passiert etwas. Indem sie eigene und allgemeine Interessen miteinander vermischen, untergraben die Magistrate das ohnehin schon angeknackste Vertrauen in die Justiz auch noch weiter, kritisiert De Morgen.
Der Unterschied zwischen Gegnern und Feinden
L'Echo kommt auf den gestrigen Aktionstag der Gewerkschaften zurück: So legitim die Anliegen der Gewerkschaften auch sind, sie müssen dennoch proportional bleiben. Denn die ständigen Streiks und Aktionen haben Folgen für die Wirtschaft des Landes – und die hat schon genug unter den geopolitischen Entwicklungen zu leiden. Außerdem sollte immer auch eine gewisse Form gewahrt bleiben. Absolut niemandem ist gedient mit Aufrufen zur Ermordung von Politikern, auch wenn nur eine sehr kleine Minderheit hinter solchen Aktionen steckt. So etwas verstärkt nur die Polarisierung der ohnehin schon stark polarisierten Gesellschaft und untergräbt die vorgebrachten Forderungen. Andererseits sollte auch die Regierung größere Anstrengungen machen, auf die Gewerkschaften zuzugehen, zu einem Dialog gehören immer zwei. Und ein sozialer Dauerkonflikt wie unter der Regierung Michel ist schlicht nicht wünschenswert. Beide Seiten müssen endlich lernen, zwischen Gegnern und Feinden zu unterscheiden. Denn zu einer liberalen Demokratie gehören zwar immer Gegner, aber nicht Feinde, die sich gegenseitig hassen und zerstören wollen, appelliert L'Echo.
Le Soir greift die ersten hundert Tage der zweiten Amtszeit von Donald Trump auf: Was für hundert Tage waren das, stöhnt die Zeitung. Hundert Tage, in denen die Amerikaner und die Welt Schlag auf Schlag einstecken mussten. Trump, seine Akolyten, Ideologen und Oligarchen haben nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, dass sie Amerika komplett umkrempeln wollen. Und dass sie dabei vor absolut nichts zurückschrecken werden. Die letzten hundert Tage haben auch gezeigt, wie schwierig es ist, vorherzusagen, was aus dem Weißen Haus kommen wird – und nachhaltige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Werden die demokratischen Kräfte ausreichen, um dieses "Neue Amerika" zu bändigen? Einige sind schon jetzt überzeugt, dass es nie wieder so werden wird wie vorher, so Le Soir.
Boris Schmidt