"Der russische Raketenterror trifft Sumy", titelt De Morgen. Die russische Armee hat am gestrigen Palmsonntag in der ukrainischen Ortschaft Sumy ein Massaker angerichtet. Zwei Raketen schlugen im Zentrum der Stadt ein, wo unter anderem Gläubige in einer örtlichen Kirche den Palmsonntag feierten. Mindestens 34 Menschen wurden getötet. Der Angriff wurde international scharf verurteilt.
"Die zusätzlichen F-35 sollte man in Italien bestellen, nicht in den USA", so derweil die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Das ist ein Zitat von Verteidigungsminister Theo Francken. Er will also weiter auf die amerikanische F-35 setzen, allerdings dann eben "Made in Italy".
Die Regierung brütet ein Osterabkommen aus, titelt seinerseits das GrenzEcho. "Unser Abkommen umfasst teilweise historische Reformen", betont Premierminister Bart De Wever auf Seite eins von La Libre Belgique. Le Soir hebt eine dieser Reformen hervor: "Am ersten Januar werden hunderttausend Arbeitslose aus der Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen".
"Osterabkommen": ein sozialwirtschaftlicher Wendepunkt
"Die Föderalregierung ist schlussendlich noch überraschend schnell zu Potte gekommen", kann Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel nur feststellen. Viele hätten wohl erwartet, dass das ominöse Osterabkommen länger auf sich warten lassen würde. Das hat aber wohl auch damit zu tun, dass die Arizona-Koalition am Ende einige delikate Dossiers schlicht und einfach ausgeblendet hat. Die wohl sichtbarste Neuerung ist die zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes. Für rund hunderttausend Belgier wird die Welt ab dem ersten Januar kommenden Jahres nicht mehr dieselbe sein. Laut Schätzungen wird ein Drittel von ihnen aus den Arbeitsmarktstatistiken ganz verschwinden und entweder zu Hause bleiben oder schwarzarbeiten. Ein weiteres Drittel der Betroffenen dürfte bei den öffentlichen Sozialhilfezentren anklopfen. Für das Land ist das in jedem Fall ein sozialwirtschaftlicher Wendepunkt.
Bringt das Wundermittel die versprochenen Resultate?
Für viele der Betroffenen wird das aber gleichbedeutend sein mit einem sozialen Abstieg, glaubt La Dernière Heure. Offiziell will die Regierung mit der Befristung des Arbeitslosengeldes die Menschen dazu "ermuntern", ins Arbeitsleben zurückzukehren. In der Praxis allerdings dürfte die Maßnahme dazu führen, dass sich die Lage vieler Menschen nur noch verschlimmert. Denn, nicht vergessen: Nicht alle Arbeitslosen sind schuld an ihrer Situation, man denke nur an die knapp 1.800 Cora-Mitarbeiter, die gerade erst erfahren haben, dass sie im kommenden Jahr auf die Straße gesetzt werden. Nicht die Dauer der Arbeitslosigkeit ist das Problem, sondern die Tatsache, dass nicht ausreichend passende Jobs angeboten werden. Oft gibt es auch keine adäquaten Weiterbildungsmaßnahmen oder werden die Arbeitslosen nicht anständig begleitet. Ist all das wirklich unsere Vision von Solidarität?
"Na gut", meint Le Soir. Die Arizona-Regierung will jetzt also ihre Revolution durchziehen. Die Reform des Arbeitslosengeldes ist definitiv ein Bruch mit der Vergangenheit. Damit verbunden ist aber dann auch eine große Verantwortung. Die fünf Arizona-Parteien müssen jetzt nämlich beweisen, dass diese Maßnahme, die sie selbst als Wundermittel bezeichnen, auch wirklich die versprochenen Resultate bringen wird. Die Messlatte wurde auch schon definiert, mit Namen die Beschäftigungsrate. In einer ersten Phase wird es aber wohl vor allem darum gehen, das Chaos und damit verbunden auch soziale Dramen zu verhindern. Einige der Arizona-Parteien predigen diese Reform schon seit Jahren. Für Amateurismus gibt es also im Zweifel keine Entschuldigung.
Die heiße Kartoffel wird weiter vor sich hergeschoben
Die Regierung De Wever macht jetzt also das, was jahrzehntelang politisch unmöglich war, konstatiert auch Het Laatste Nieuws. In einem verkrusteten Land also, in dem mächtige Gewerkschaften bislang immer dafür gesorgt haben, dass am Ende doch alles beim Alten blieb. Eben diese Gewerkschaften formulieren jetzt erwartungsgemäß Fundamentalkritik: "Wenn die Verteidigung des Landes wichtiger wird als der Schutz der Bürger, die sich in einer prekären Situation befinden, dann hat das nicht mehr mit Staatsmännigkeit zu tun", heißt es da. Dieses Argument ist allerdings unlauter. Denn weil wir 80 Jahre lang in Frieden leben durften, konnten wir überhaupt Sozialsysteme aufbauen. Man kann beide Entscheidungen nicht gegenüberstellen. Das Problem liegt woanders. Diese Regierung hat zwar den Verteidigungshaushalt angehoben, nur sucht man die Gegenfinanzierung vergeblich. Auch De Wever & Co. haben da tief in die Trickkiste gegriffen. So werden die Rüstungsausgaben oft mit One Shots finanziert, also nicht wirklich strukturell. Die heiße Kartoffel wurde also nur vor sich hergeschoben.
Zeit für eine neue Staatsreform?
La Libre Belgique sieht das genauso. In diesem Osterabkommen regiert die Unklarheit, die Unschärfe. Das beginnt schon bei der Reform des Arbeitslosengeldes, in der die zu erwartenden Kollateralschäden so gut wie nicht angesprochen werden. Der Verteidigungsetat wird aufgestockt, doch ist die Finanzierung – gelinde gesagt – abenteuerlich. Die genauen Modalitäten der berühmt-berüchtigten Kapitalertragssteuer sind ebenfalls noch weitgehend unklar. Auf diese Weise schafft man kein Vertrauen.
Auch Het Nieuwsblad hat ernste Bedenken. Quasi über Nacht wurden knapp vier zusätzliche Milliarden gefunden, um die Verteidigungsausgaben anzuheben und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen. Wo dieses Geld in den kommenden Jahren herkommen soll: Fragezeichen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass der Föderalstaat längst an seine Grenzen stößt. Eine gigantische Staatsschuld, die Vergreisung mit ihren explodierenden Pensionen und jetzt auch noch eine massive Erhöhung des Rüstungshaushaltes: Irgendwann wird der Kuchen zu klein. Vielleicht wird es tatsächlich höchste Zeit für eine neue Staatsreform mit einer besseren Aufteilung der Befugnisse und auch der Finanzmittel. Ansonsten ist das belgische Haus vom Einsturz bedroht.