"Das Abkommen über das Schwarze Meer steht schon unter Druck", titelt De Morgen. "Russland fordert die Aufhebung von Sanktionen als Gegenleistung für Sicherheit im Schwarzen Meer", so die Schlagzeile von De Standaard. "Das Abkommen wackelt schon", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Die USA hatten gestern angekündigt, dass es ein Abkommen gibt über eine zeitweilige Waffenruhe auf dem Schwarzen Meer. Erst hieß es, Russland und die Ukraine hätten eingewilligt, die Sicherheit der zivilen Schifffahrt im Schwarzen Meer zu gewährleisten. Plötzlich scherte der Kreml aber aus und stellte zusätzliche Bedingungen, etwa die Aufhebung von Sanktionen.
Waffenstillstandsabkommen ohne Wert?
Für die Ukraine hat das Abkommen von Riad so gut wie keinen Wert, meint denn auch Le Soir in seinem Leitartikel. Kreml-Chef Putin versucht, den Preis hochzutreiben. Nicht nur, dass er eine Aufhebung der Sanktionen auf Getreideexporte fordert, obendrauf verlangte Moskau dann auch noch ein Ende der Einschränkungen in Bezug auf Finanztransaktionen. Im Klartext: Bislang sehen wir hier eine bloße Ankündigung. Ob eine Waffenruhe im Schwarzen Meer wirklich in Kraft treten wird, ist im Moment noch höchst zweifelhaft. In der Zwischenzeit setzt Russland seine Luftangriffe auf das Nachbarland unvermindert fort. Trump scheint immer noch nicht verstanden zu haben, dass Putin andere Interessen hat als das Ende des Krieges.
Signal-Gate: "Es geht immer noch bekloppter"
Der US-Präsident hat aber auch noch ein anderes Problem: "Signal-Gate – Die Panne, die die Sorglosigkeit der Trump-Administration an die Öffentlichkeit bringt", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Schockierendes Sicherheitsleck in der Regierung Trump, aber wird das Konsequenzen haben?", fragt sich De Standaard.
"Signal-Gate": Es geht um die unglaubliche Geschichte, bei der ein amerikanischer Journalist auf dem Messengerdienst Signal einer Chatgruppe hinzugefügt wurde, auf der Regierungsmitglieder einen Angriff auf die Huthi-Rebellen im Jemen planten. Der Journalist konnte also mitlesen und die Entscheidungsfindung quasi live mitverfolgen.
"Jeden Tag denkt man, dass es schon bekloppt genug ist, und am nächsten Tag stellt man fest: Es geht noch bekloppter", giftet De Tijd in ihrem Kommentar. Ausgerechnet der Mann, der Kapital schlug aus der Tatsache, dass die frühere demokratische Außenministerin Hillary Clinton E-Mails über einen privaten Computer verschickte, ausgerechnet dieser Mann hat Minister eingestellt, die in einem nicht-gesicherten Chat über eine militärische Operation beraten haben. Für Trump gehörte Clinton dafür ins Gefängnis. Jetzt steht er hinter seinen Mitarbeitern und verteidigt sie. Das zeigt eindrucksvoll, wie die neue Administration funktioniert: Wir sehen hier ein neues Feudalsystem. Das Einzige, was zählt, ist die Treue dem König gegenüber.
La Libre Belgique schlägt in dieselbe Kerbe. Die Sicherheitspanne in Washington ist ein dermaßen dicker Hund, dass es einem die Sprache verschlägt. Und dieselben Leute, die seinerzeit Hillary Clinton wegen "extremer Nachlässigkeit" ins Gefängnis bringen wollten, reden diesen Skandal nun klein. Aber auch inhaltlich spricht das Debakel Bände. Erstens: Aus den Einlassungen der verschiedenen Minister wird deutlich, dass es bei der Militäroperation wieder nur darum ging, Amtsvorgänger Biden und seine Entscheidungen zu diskreditieren. Die Administration wirkt also nach wie vor rückwärtsgewandt. Zweitens sind da aber vor allem die Bemerkungen über die Europäer. Aus den Äußerungen von Vizepräsident Vance und Verteidigungsminister Hegseth trieft nur so der Hass auf den Alten Kontinent. Als wären wir schon keine Verbündeten mehr.
"Keine Verbündeten mehr"
Für De Morgen besteht daran kein Zweifel mehr. Der Signal-Gate-Skandal mag ein weiteres Indiz für die Dummheit der neuen Administration sein, in dieser Dummheit gibt es aber ein System: Europa ist ins Fadenkreuz geraten. Ob es nun um Grönland geht, die Ukraine, Handelskriege oder die Unterstützung von rechtsradikalen Parteien, die Schlussfolgerung ist immer die gleiche: Die USA betrachten uns Europäer nicht länger als ihre Verbündeten, sondern als einen Konkurrenten oder sogar als einen Gegner. Bester Beweis war doch schon die berüchtigte Rede von Vizepräsident Vance bei der Sicherheitskonferenz in München. Nur wer besonders naiv ist, glaubt noch, dass es dabei um die Redefreiheit ging. Das war vielmehr ein Frontalangriff auf die Europäische Union als politisch-demokratisches Projekt. Doch ungeachtet aller Provokationen müssen wir jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Das Dümmste, was Europa jetzt tun könnte, wäre selbst die Brücken abzuschlagen. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass wir im Moment noch die USA nötig haben. Dies eben in dem Wissen, dass die Amerikaner schon die Scheidungsdokumente ausfüllen. Das zu negieren, wäre das Zweitdümmste, was wir machen können.
Arme Amerikaner
Wer noch ein Fünkchen Hoffnung hatte, dass die Beziehungen zwischen den USA von Trump und Europa am Ende doch noch auf eine gesunde Grundlage gehoben werden können, ist um eine Illusion ärmer. Amerikanische Spitzenverantwortliche machen keinen Hehl aus ihrer Aversion gegen Europa, nennen uns sogar "pathetische Loser". Aber wer ist der Verlierer? Signal-Gate ist schon jetzt ein ultimativer Tiefpunkt. Und das nach weniger als 100 Tagen Trump im Amt. Ein absolut beispielloses Fiasko, das in einer europäischen Demokratie schwere Folgen für die Beteiligten hätte. Hier zeigt sich, dass Trump seine Lakaien nicht wegen ihrer fachlichen Kompetenz ausgewählt hat. Deren einzige Qualität ist es, sich immer vor Trump zu verneigen. Signal-Gate ist denn auch nur ein Symptom. Ein weiteres Indiz dafür ist die Art und Weise, wie sich die Trump-Administration von den Russen regelmäßig vorführen lässt. Die wahren Loser sitzen im Weißen Haus. "Die armen Amerikaner", wäre man geneigt zu sagen. Doch die haben sich diese Suppe selbst eingebrockt.
Roger Pint