"Die EU-Staaten wollen die Ukraine weiter unterstützen und sich wieder bewaffnen", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Das Ganze aber ohne Ungarn", notiert sinngemäß Le Soir. "Die großen Ambitionen für die Ukraine stoßen auch auf den Widerstand von Frankreich und Italien", so die Schlagzeile von De Standaard.
Die EU-Staaten haben gestern beschlossen, alles dranzusetzen, um spätestens 2030 verteidigungsbereit zu sein. Dafür will die EU-Kommission ja 800 Milliarden Euro mobilisieren. Parallel dazu soll auch die Ukraine weiter unterstützt werden, denn sie hält gerade den Kreml von weiteren Angriffskriegen ab. Ungarn steht hier aber auf der Bremse. Wieder einmal. Anscheinend wollen die übrigen 26-Mitgliedsstaaten den autoritär regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orban jetzt aber einfach ignorieren. 100-prozentige Einigkeit herrscht aber auch nicht unter den 26 verbleibenden EU-Ländern: Frankreich und Italien weigern sich offensichtlich, ihre Hilfe für die Ukraine weiteraufzustocken.
Nichts, wirklich nichts ist unmöglich
"Zum ersten Mal nach 131 Jahren steht eine Frau an der Spitze des IOC", schreibt derweil Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Das Internationale Olympische Komitee hat Kirsty Coventry zu seiner neuen Vorsitzenden gewählt. Die Frau kommt aus Simbabwe und ist damit auch die erste Afrikanerin an der Spitze des mächtigen Sportbundes.
Für das IOC ist das eine veritable Revolution, ist Le Soir überzeugt. Kirsty Coventry folgt auf neun weiße Männer, die sich an der Spitze des olympischen Weltverbands die Klinke in die Hand gegeben haben. Aber, was stellen wir fest? Selbst bei den Sport-Kardinälen, die als erzkonservativ und reaktionär gelten, hält die gläserne Decke nicht ewig. Die Wahl von Kirsty Coventry zur neuen IOC-Präsidentin beweist, dass nichts, wirklich nichts, unmöglich ist. Auf die 41-jährige ehemalige Schwimmerin warten allerdings große Herausforderungen, angefangen bei der extrem unruhigen Weltlage. Doch das ist für später. Zuallererst ist ihre Wahl jetzt mal ein wohltuendes Signal.
Hoffnung auf eine bessere olympische Politik
De Standaard denkt seinerseits vor allem an die schweren Aufgaben, die auf Kirsty Coventry warten. "Kann die neue Sport-Päpstin den Olympischen Frieden bewahren?", fragt sich das Blatt in seinem Leitartikel. Denn die Probleme und Streitfragen sind längst absehbar. Wie soll das IOC mit Transgender-Athletinnen umgehen? Wie lange bleibt Russland noch von den olympischen Wettkämpfen ausgeschlossen? Wie können die Spiele nachhaltiger und klimafreundlicher werden? Und vor allem: Wie würde das IOC reagieren, wenn Donald Trump die Spiele in eine Richtung drängen will, die nicht den Werten und Grundsätzen des IOC entsprechen?
Es sind definitiv nicht die einfachsten Fragen, die der neuen IOC-Präsidentin im Laufe ihrer Amtszeit auf den Schreibtisch flattern könnten. Vielleicht hat sie als erste Frau, erste Afrikanerin und darüber hinaus hochgeschätzte und respektierte Funktionärin aber das ideale Profil. Der Bruch mit der Vergangenheit nährt die Hoffnung auf eine bessere olympische Politik.
Oudenaarde-Pflegeheim-Skandal: die Spitze des Eisbergs?
In Belgien sorgt derweil zunächst der Pflegeheim-Skandal in Flandern für Schlagzeilen. "Möglicherweise mehr als 50 Opfer", schreibt Gazet Van Antwerpen auf Seite eins. "Mindestens 50 Pflegeheimbewohner wurden erniedrigt", notiert auch Het Laatste Nieuws.
Das ist das Resultat jahrelanger Vernachlässigung, schimpft Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Spätestens die Corona-Krise hat es gezeigt: Die Alten- und Pflegeheime stehen auf der Prioritätenliste unserer Gesellschaft ganz unten. Und daran hat sich seither offensichtlich nicht sehr viel geändert. Die Ereignisse in Oudenaarde sind da wohl nur die Spitze des Eisbergs. Schuld ist der himmelschreiende Personalmangel in den Einrichtungen. Daran muss man dringend etwas ändern.
Arbeitsmarktpolitik: Dogmatismus der Arizona-Koalition
Einige Zeitungen beschäftigen sich aber auch mit der Arbeitsmarktpolitik der Arizona-Regierung. Gestern haben sich im Parlament erste Risse innerhalb der Koalition gezeigt.
Prinzipiell hat die Regierung Recht, wenn sie das Arbeitslosengeld auf zwei Jahre begrenzen will, meint Het Belang van Limburg. Denn so kann es nicht weitergehen. Im Moment gibt es in Belgien 100.000 Arbeitslose, die länger als zwei Jahre ohne Job sind. Die meisten davon leben in der Wallonie. Und selbst im südlichen Landesteil scheint man davon genug zu haben; dafür spricht jedenfalls das Wahlergebnis der MR. Diesen Menschen das Arbeitslosengeld zu entziehen, das allein wird das Problem aber wohl nicht lösen. Schätzungsweise ein Drittel der Betroffenen dürfte dann immer noch zu Hause bleiben. Deswegen bedarf es denn auch zielgerichteter Maßnahmen, um diese Menschen tatsächlich auch ins Arbeitsleben zu orientieren.
So richtig diese Maßnahme auch ist, so sehr kann sie ins Absurde abgleiten, wenn man sie überdreht, gibt Het Nieuwsblad zu bedenken. Natürlich ist die eigentliche Diagnose nicht falsch: In Belgien gibt es zu viele Menschen, die erstmal auf dem Arbeitslosengeld "sitzenbleiben". Schade nur, dass der zuständige MR-Minister David Clarinval da gleich Karikaturen bemühte und von "Karrierestemplern" sprach. Denn nicht jeder, der länger arbeitslos ist, ist dafür automatisch ein Profiteur. Es gibt etwa Menschen, die sich gerade mit Blick auf einen Mangelberuf umschulen lassen. Eine solche Ausbildung dauert mitunter länger als zwei Jahre. MR und N-VA wollen für die Betroffenen aber keine Ausnahme machen und auch ihnen das Arbeitslosengeld streichen. Also selbst diejenigen, die vier Jahre studieren, also durchaus Engagement zeigen, werden bestraft. Das nennt man Dogmatismus. Die ideologische Trophäe vor Augen macht offensichtlich so blind, dass man das Kind mit dem Badewasser ausschüttet.
Überrumpelte Rote Teufel
"Fehlstart", schreiben schließlich Het Laatste Nieuws und Le Soir auf Seite eins. Die Fußballnationalmannschaft hat ihr erstes Spiel unter dem neuen Trainer Rudi Garcia gleich krachend verloren: eine 3:1-Niederlage gegen die Ukraine. "Die Teufel wurden überrumpelt und erniedrigt", so die beißende Schlagzeile von L'Avenir. Das frustrierte Fazit von La Dernière Heure: "Die Roten Teufel sind noch immer krank".
Roger Pint