"Eine erste Hoffnung auf einen Waffenstillstand", titelt Le Soir. "Die Ukraine hat einer Waffenruhe zugestimmt", so die Schlagzeile von De Morgen. "Die Ukraine ist einverstanden mit einem Waffenstillstand, jetzt bleibt noch Russland", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Bei den Verhandlungen in Saudi-Arabien hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nun also doch einer 30-tägigen Waffenruhe zugestimmt. Er wurde aber von den USA quasi dazu gezwungen. Die Gegenleistung steht auf Seite eins von De Standaard: "Die USA teilen jetzt wieder Aufklärungsdaten mit der Ukraine", schreibt das Blatt. Jetzt muss allerdings auch Moskau zustimmen. "Der Ball liegt jetzt im Feld der Russen", so denn auch die Schlagzeile von L'Echo und De Tijd.
US-Präsident Donald Trump verfolgt hier eine riskante Strategie, analysiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Er verstößt so ungefähr gegen alle Regeln und ungeschriebenen Gesetze, die bislang auf dem diplomatischen Parkett galten; und von denen viele beileibe nicht umsonst existieren. So wurde die ukrainische Seite regelrecht bedroht, eingeschüchtert, drangsaliert, um nicht zu sagen: erpresst. Schließlich hatten die USA ihre militärische Hilfe eingestellt; und sie teilten auch nicht mehr ihre Aufklärungsdaten mit Kiew. Jetzt ist die Ukraine plötzlich wieder ein Verbündeter; und jetzt wird das Weiße Haus wohl zweifelsohne den Druck auf den Kreml erhöhen und dabei wohl wieder eine Drohkulisse aufbauen. Putin gehört aber nicht zu denen, die sich herumkommandieren lassen. Und wenn sich Moskau nicht beugt, dann droht das Gegenteil dessen, was Trump doch angeblich anstrebt, dann droht eine neue Eskalation.
Zeit für wohlüberlegte Entscheidungen
Währenddessen läuft in Europa die Debatte über die dringend nötige Aufrüstung auf Hochtouren. Einige Blätter warnen jetzt aber vor überstürzten Entscheidungen. Die Waffendebatte darf jetzt nicht überhitzen, ist etwa De Standaard überzeugt. Zugegeben: Die Europäer sind plötzlich in einer neuen Welt aufgewacht: Auf der einen Seite ein aggressiver Putin, auf der anderen ein erratischer Trump, der sich von seinen bisherigen Verbündeten abkehrt. Da gibt es jetzt keine Zeit zu verlieren, für die Aufrüstung des Alten Kontinents gilt jetzt Dringlichkeitsstufe 1. Das bedeutet aber immer noch nicht, dass wir dafür die demokratischen Entscheidungsfindungsprozesse mit einem Mal über Bord werfen müssen. Konkret: Brauchen wir noch weitere F35-Kampfjets, wenn Kriege doch heute vor allem mit Drohnen geführt werden? Auch die Zeit der Leopard-Panzer scheint vorbei zu sein. Heute muss man wohl eher auf IT-Köpfe setzen. Das nur um zu sagen: Solche Entscheidungen wollen wohlüberlegt sein.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. Die Europäer dürfen ihre Aufrüstung jetzt nicht wie ein kopfloses Huhn vorantreiben - auf die Gefahr hin, dass hier am Ende Geld regelrecht verbrannt wird. Im Klartext: Nicht nur auf der nationalen Ebene muss eine Bedarfsanalyse gemacht werden, sondern auch gesamteuropäisch. Dies natürlich um zu verhindern, dass – salopp gesagt – alle in dieselben Waffentypen investieren und in anderen Bereichen nichts passiert. Das setzt eine gemeinsame strategische Vision und letztlich auch eine integrierte europäische Befehlskette voraus. Kurz und knapp: Hier ist kein Platz für Improvisation, kein Platz für nationales Denken und auch kein Platz für wirtschaftlichen Nationalismus.
Eine europäische Strategie für die Rüstungsindustrie
In der Tat, so hakt Le Soir ein: Sich von den USA zu emanzipieren, das bedeutet auch, in erster Linie rein europäische Projekte zu bevorzugen. Man mag es bedauern, dass schon sehr bald wieder Milliardensummen in die Rüstung fließen müssen, aber – so zynisch es klingt – das ist für die belgische Rüstungsindustrie eher eine gute Neuigkeit. Denn insbesondere in der Wallonie gibt es einige Unternehmen mit Weltruf, man denke nur an Firmen wie FN oder Sonaca. Doch ist man in Europa längst nicht auf die plötzlich enorme Nachfrage vorbereitet. Es bedarf deshalb dringend einer gemeinsamen Strategie für die Rüstungsindustrie. Hier geht es um unser aller Sicherheit.
Europa muss jetzt schnellstens noch viel enger zusammenwachsen, ist L'Avenir überzeugt. Der Alte Kontinent war bislang doch allzu bescheiden, dabei ist Europa längst nicht der kleine Däumling, für den die Amerikaner uns halten. Zusammen mit den Briten kann eine Koalition der Willigen einen neuen Block bilden. In jedem Fall haben wir es nicht nötig, uns von den USA gängeln zu lassen und uns Moralpredigten anzuhören. Und das bestimmt nicht von einem neo-reaktionären Clown.
Die Folgen von Trumps Politik für die USA
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit der Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten. Sein Protektionismus, der sich vor allem über Strafzölle äußert, scheint Donald Trump inzwischen auf die Füße zu fallen, glaubt etwa La Dernière Heure. Die Börsen hat er jedenfalls auf Talfahrt geschickt. Inflationsängste gehen um, vielleicht droht sogar eine Rezession. Schuld ist vor allem der Schleuderkurs des Weißen Hauses, das heute so, und morgen wieder anders entscheidet. Die Märkte hassen aber derlei Unwägbarkeiten.
"Wie soll man bei alledem nicht zynisch und verdrossen werden?", fragt sich schließlich Gazet van Antwerpen. Die Welt scheint kopf zu stehen, die Unsicherheit wird immer noch größer, und der Einzelne fühlt sich dabei furchtbar machtlos. Da hilft ein Zitat des französischen Philosophen Emmanuel Lévinas: "Das Gute kann niemals zerstört werden, weil es so klein ist. Was Menschen füreinander tun, das kann kein einziger Politiker und auch keine Struktur unterbinden".
Roger Pint