"Wo die 17,2 Milliarden finden, um Belgien wiederzubewaffnen?", fragt L'Avenir auf Seite eins. "Die belgische Armee sieht sich einer budgetären Herausforderung von 17 Milliarden Euro gegenüber", schreibt La Libre Belgique. Und schiebt nach: "Verteidigung: Wird es Spannungen in der Arizona geben?" "Rückkehr der Wehrpflicht: 'Mission Impossible' –Verteidigungsexperte prangert den schreienden Mangel an Mitteln an, um das umzusetzen", liest man bei La Dernière Heure.
Europa hat endlich die Augen geöffnet, schreibt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Nach Jahren des Aufschiebens, der pazifistischen Illusionen und der strategischen Naivität hat der Alte Kontinent etwas verstanden, was eigentlich auf der Hand lag: Verteidigung lässt sich nicht improvisieren. Belgien steht dabei vor einer gleich doppelten Herausforderung: Einerseits muss es sich glaubhaft und strukturiert wiederbewaffnen, und zwar in Absprache mit den anderen Europäern. Andererseits muss es seine Staatsfinanzen drastisch in Ordnung bringen. Es wäre reiner Selbstmord, das eine ohne das andere angehen zu wollen. Und es gibt auch keine wirkliche Alternative. Denn eine Alternative wäre nur, andere für uns entscheiden zu lassen. Was zu noch wesentlich schmerzhafteren Bedingungen führen würde, warnt La Libre Belgique.
Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen
Kaum einen Monat nach der Bildung der neuen Föderalregierung liegt der Vorsatz einer nüchternen Sanierungspolitik im Mülleimer, stellt De Morgen fest. Auch diese Regierung wird wieder Schulden machen müssen. Viele Schulden. Es ist sogar möglich, dass die Regierung De Wever einen Haushalt hinterlassen wird, der genauso rot oder noch roter sein wird als die ihrer Vorgänger. Das ist natürlich nicht die Schuld der frischgebackenen Regierung. Aber die vorherigen Regierungen trugen ja auch keine Schuld an der Bankenkrise, an der Eurokrise, an der Coronakrise oder an der Energiekrise. Es ist jetzt natürlich einfach, das Ganze zu kritisieren.
Aber die Wahrheit ist, dass wir nicht wirklich viele Optionen haben. Mit Gejammer über die Vergangenheit bekommt man nun einmal keine Panzer. Wir können also realistischerweise nicht verlangen, dass die Regierung unter diesen Umständen den Haushalt im Gleichgewicht hält. Was wir aber sehr wohl verlangen können, das ist, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Und das bedeutet zum einen Geld sinnvoll auszugeben und zum anderen alle in die notwendigen Anstrengungen miteinzubinden – auch die Teilstaaten, fordert De Morgen.
Mit Wehrpflichtigen in den Krieg 2.0?
Der Wind des Krieges hat brutal wieder eine Frage aufgeworfen, die wir längst ad acta gelegt glaubten, kommentiert La Dernière Heure: Müssen wir in Europa und Belgien die Wehrpflicht wieder einführen angesichts der russischen Bedrohung, der Abwendung Amerikas und der neuen Kräfteverhältnisse auf der Welt? Von einem gesellschaftspolitischen Standpunkt könnte das durchaus Sinn macht: Eine Wehrpflicht könnte dabei helfen, sinnvolle Werte zu vermitteln, wie etwa Disziplin, Solidarität und Selbstüberwindung. Und sie könnte auch die Bildung eines Gemeinschaftsgefühls fördern. Aus militärischer Sicht aber wäre die Maßnahme zumindest zweifelhaft. Denn Krieg wird heute anders geführt als früher, zum Beispiel mit Cyberattacken oder Drohnenangriffen auf kritische Infrastruktur. Das macht spezialisiertes Wissen notwendig. Und es ist fraglich, ob hastig einberufene Wehrpflichtige diesen Anforderungen des Krieges 2.0 genügen würden, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
Make Europe Great Again
Gazet van Antwerpen blickt derweil auf die Vereinigten Staaten: Die wahnsinnigen Pläne von US-Präsident Trump und seinem Handlanger Musk beginnen, sich gegen sie zu kehren. Trump hatte ja versprochen, die angeblich hohe Inflation anzupacken. Aber seitdem er an der Macht ist, ist die Inflation nur gestiegen. Die amerikanischen Börsen reagieren derweil sehr schlecht auf die Kapriolen aus Washington. Tesla, das ja Musk gehört, hat dieses Jahr schon 40, ja, richtig gelesen, 40 Prozent seines Börsenwertes eingebüßt. Leider schaden Trump und Musk aber nicht nur der amerikanischen Wirtschaft. Durch die extremen Kürzungen bei der US-Entwicklungshilfe etwa werden tausende Menschen sterben, ätzt Gazet van Antwerpen.
Trump hatte den Amerikanern ein Goldenes Zeitalter versprochen, erinnert De Tijd. Aber was er tatsächlich macht, das ist, das wirtschaftliche Potenzial der Vereinigten Staaten im Eiltempo zu zerstören. Die Hoffnungen, dass die US-Wirtschaft mit Trump stärker wachsen würde, sind enttäuscht worden, genauso wie die auf weniger Regeln und höhere Gewinne. Stattdessen geht nun die Angst vor einer Rezession um. Trumps Unberechenbarkeit muss den Techbonzen des Silicon Valley schon einen gehörigen Schreck eingejagt haben. Denn sie hatten Trump ja eigentlich als Verbündeten gesehen. Stattdessen sehen sie seit zwei Monaten ihre Börsenkurse stark fallen, ihr Wohlstand schmilzt und sie haben einen Präsidenten bekommen, der nicht zu verstehen scheint, was die amerikanische Wirtschaft und ihren Techsektor so außergewöhnlich gemacht hat, so De Tijd.
Die wirre Wirtschaftspolitik des amerikanischen Präsidenten überzeugt die Märkte nicht, hält L'Echo fest. Der ewige "Make America Great Again"-Slogan Trumps scheint innerhalb kürzester Zeit jegliche Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten eingebüßt zu haben. Der anfängliche Enthusiasmus über den Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus scheint an der Wall Street komplett verflogen zu sein. Während im gleichen Zeitraum die europäischen Börsen bei den Investoren wieder beliebter geworden sind, unterstreicht L'Echo.
Boris Schmidt