Fast alle Zeitungen widmen sich heute einmal mehr in großer Aufmachung der internationalen Militärintervention in Nordafrika. Viele Leitartikler stellen sich in diesem Zusammenhang nach wie vor die Frage, ob eine geschäftsführende Regierung eine Beteiligung Belgiens an dem Einsatz wirklich beschließen durfte. Weitere Themen sind neue Entwicklungen im Fall des mutmaßlichen Serienmörders Kim De Gelder, die für morgen geplanten Protestkundgebungen in Brüssel, die Bonuszahlungen für Spitzenkräfte bei belgischen Banken und eine eigentümlich Idee in Flandern.
"Gaddafi fordert den Westen heraus", titelt heute De Standaard. La Libre Belgique fasst es so zusammen: "Der Himmel ist frei, die Fronten verhärtet". De Morgen stellt auf Seite 1 die bange Frage: "Was jetzt?" Diese Schlagzeilen bringen es auf den Punkt: Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi lässt sich trotz des internationalen Militäreinsatzes gegen sein Land nicht von neuen Angriffen auf die Rebellen abhalten.
NATO gespalten
Der Westen ist derweil nach wie vor heillos zerstritten. Wie unter anderem De Morgen hervorhebt, ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis die NATO, in welcher Form auch immer, das Kommando übernimmt. Eins ist jedoch sicher, meint das Blatt: Wenn Gaddafi nicht schnell kapituliert, dann droht die Offensive in Libyen zu versanden und sich in eine langwierigen Konflikt zu verwandeln. In diesem Zusammenhang kommt der Streit auf Ebene der NATO äußerst ungelegen, bemerkt Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Das Bündnis ist tief gespalten. Auf der einen Seite die Deutschen, deren Bedenken wohl auch wahltaktischer Natur sind. Auf der anderen Seite die Franzosen, die die NATO zwar brauchen, aber die Lorbeeren für sich beanspruchen.
Gestern sind erneut auch vier belgische F-16 im libyschen Luftraum zum Einsatz gekommen. Wie beim ersten Mal mussten die belgischen Piloten aber nicht direkt eingreifen, wie unter anderem Het Nieuwsblad hervorhebt.
Dringlichkeit und Demokratie
Dass es eine geschäftsführende Regierung war, die die Beteiligung an dem internationalen Einsatz beschlossen hat, sorgt indes weiter für Diskussionen. Het Laatste Nieuws etwa lässt unter anderem Johann Vande Lanotte und auch Bart De Wever zu Wort kommen. Beide sind der Ansicht, dass eine solche Entscheidung nichts mehr mit "laufenden Angelegenheiten" zu tun hat. Dazu stellt De Standaard in seinem Leitartikel fest: Das Parlament scheint in diesen Tagen die Macht an sich zu ziehen, oder besser gesagt, seine eigene Ohnmacht etwas zu vermindern.
Normalerweise ist die Entscheidung, sich an einem Militäreinsatz zu beteiligen, allein Sache der Regierung. Im vorliegenden Fall hat man sich aus den bekannten Gründen durch ein Votum der Kammer abgesichert. Jetzt hat das Parlament einen Fuß in der Tür. Und auch allgemein ist zu beobachten, dass das Parlament im Augenblick versucht, frei von Koalitionszwang, seiner Rolle als Gesetzgeber gerecht zu werden. Das kann unserer Demokratie eigentlich nur gut tun. L'Avenir kann nur feststellen, dass dem Land offensichtlich noch nicht jeglicher guter Wille abhanden gekommen ist. Pragmatismus ist angesagt; besteht Dringlichkeit, dann erscheint vieles möglich. Leider scheint man im Zusammenhang mit den institutionellen Fragen diese Dringlichkeit nicht zu verspüren.
Auch La Libre Belgique plädiert für eine konsequente Haltung. Wenn man im Namen der Dringlichkeit schon in den Krieg ziehen kann, dann sollte es auch möglich sein, in anderen Bereichen Entscheidungen zu treffen, wo man sich derzeit noch hinter den "laufenden Angelegenheiten" versteckt.
De Gelder (schon lange) psychisch krank?
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit neuen Entwicklungen im Fall des mutmaßlichen Serienmörders Kim De Gelder. De Gelder hatte ja am 23. Januar 2009 in einer Kinderkrippe drei Menschen, darunter zwei Kleinkinder, getötet und zwölf weitere verletzt. Wie Het Laatste Nieuws und De Morgen berichten, hat De Gelders Anwalt jetzt Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen den Psychiater des jungen Manns erstattet. Die Eltern von Kim De Gelder sind offenbar mit dieser Sicht der Dinge grundsätzlich einverstanden.
Het Nieuwsblad bringt auf seiner Titelseite exklusiv ein Interview mit den Eltern De Gelder. Darin bestätigen sie noch einmal früher gemachte Aussagen, wonach sie ihren Sohn in eine Anstalt einweisen lassen wollten; der Psychiater habe dies aber abgelehnt. Jetzt gehört De Gelder auf jeden Fall vor ein Schwurgericht, meint Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Die Geschworenen können dann immer noch entscheiden, ob De Gelder eingewiesen werden muss oder nicht.
Eine Botschaft, fünf Demos
La Libre Belgique und Le Soir befassen sich mit den für morgen angekündigten Protestaktionen in Brüssel. Allen voran die FGTB will insbesondere lautstark eine Lanze brechen für die Lohn-Index-Bindung, die ja von Deutschland und Frankreich in Frage gestellt worden ist. Le Soir befürchtet in diesem Zusammenhang sogar mögliche Ausschreitungen. Kommentierend meint die Brüsseler Zeitung: Im vorliegenden Fall übertreiben die Gewerkschaften. Allein die FGTB will vier Protestzüge organisieren - nur in Brüssel wohlgemerkt. Hinzu kommt eine Demo der CSC. Damit wird auch der Ärger von Unbeteiligten mit fünf multipliziert. Und ob ein solches Vorgehen am Ende der Botschaft dient, sei dahingestellt.
Banken, Boni, business as usual
De Morgen weiß heute auf seiner Titelseite zu berichten, dass unter anderem KBC und DEXIA sich anschicken, ihren Spitzenkräften in diesem Jahr einen Bonus auszahlen zu wollen. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Aus Politik und Gesellschaft mehren sich die Stimmen, die die Banken dazu aufrufen, auf ein solches Geschenk zu verzichten. Kommentierend meint De Morgen dazu: Bei den Banken gilt ganz offensichtlich wieder business as usual. Jeder weiß, dass die Banken und insbesondere ihre Bonuspraxis die Finanzkrise ausgelöst haben. Und während in ganz Europa drastische Sparprogramme ihre Schatten vorauswerfen, Otto Normalverbraucher also die Zeche für das Verhalten der Banken zahlen muss, tun die Schuldigen so, als wäre nichts gewesen.
La Dernière Heure bringt heute auf seiner Titelseite die Meldung, dass knapp eine Million Belgier regelmäßig Antidepressiva einnehmen. Pro Tag werden demnach 777.000 Dosen eingenommen.
Aus 5 mach 9
Het Nieuwsblad schließlich hat eine bemerkenswerte Note einsehen können, die durch die Flure der flämischen Region geistert. Demnach soll Flandern künftig nicht mehr aus fünf, sondern aus neun Provinzen bestehen. Die Pläne sorgen schon für harsche Kritik nach dem Motto: Eigentlich sollte doch Bürokratie abgebaut werden.