"Verteidigung und Hilfe für die Ukraine auf dem Tisch des EU-Gipfels", meldet Het Nieuwsblad. "Die Europäer bereiten sich darauf vor, die Ukraine zu unterstützen und sich zu verteidigen ohne die Vereinigten Staaten", titelt La Libre Belgique. "Europa will sich schnell wiederbewaffnen", hebt L'Echo hervor. "Wichtigster EU-Gipfel in Jahrzehnten: De Wever will noch mehr Geld in die Landesverteidigung stecken", schreibt Het Laatste Nieuws.
Für Europa und die Ukraine steht ab heute wahrlich viel auf dem Spiel, kommentiert das GrenzEcho. Ein Scheitern des Gipfels würde die Stabilität in der EU gefährden und das Vertrauen in die europäische Solidarität, Integrität und Souveränität (einmal mehr) untergraben. Dieser Gipfel ist daher mehr als nur ein weiteres Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs. Er ist der Lackmustest für die Fähigkeit Europas, in Krisenzeiten gleichermaßen geschlossen wie entschlossen zu handeln. Es ist an der Zeit, dass Europa seine Verantwortung erkennt und handelt, bevor es zu spät ist. Den Weg zur Einheit hat der US-Präsident durch seinen Abgesang auf die transatlantischen Beziehungen, wie wir sie kannten, bereitet – nun muss er auch beschritten werden, fordert das GrenzEcho.
"Make America Great Alone"
Die Vereinigten Staaten sind unter Donald Trump dabei, teilweise sehr alte Freundschaften und Bündnisse zu zerstören, resümiert La Libre Belgique. Durch sein Verhalten der Ukraine gegenüber bringen sie nicht nur Europa gegen sich auf, sondern stellen selbst das Überleben der Nato infrage. Die Wut der Kanadier hat bis vor Kurzem unvorstellbare Ausmaße angenommen. Und der amerikanische Vizepräsident hat die bisher heiligen Beziehungen zu Großbritannien mit Füßen getreten und das Andenken an die britischen Soldaten besudelt, die an der Seite Amerikas gefallen sind im Irak und in Afghanistan.
Bei seinem Versuch, die Vereinigten Staaten wieder groß zu machen, hat Trump sie vor allem mehr denn je isoliert – sein Slogan müsste mittlerweile passenderweise lauten "Make America Great Alone", giftet La Libre Belgique.
De Wever muss zum "Vater der Nation" werden
Der französische Präsident Macron hat sich gestern Abend mit großem Ernst an die Bevölkerung seines Landes gewandt, schreibt Le Soir. Er hat unter anderem von der nie dagewesenen Bedrohung Russlands für Frankreich und Europa gesprochen, von der Notwendigkeit militärischer Investitionen und von der Ausweitung der französischen nuklearen Abschreckung.
So deutlich und eindringlich zu den eigenen Bürgern zu sprechen ist nicht nur eine Pflicht geworden, sondern schlicht eine Notwendigkeit für alle Staats- und Regierungschefs, die die russische Gefahr eindämmen und die amerikanische Fahnenflucht zumindest notdürftig kompensieren wollen. Das gilt auch für Belgien. Premierminister Bart De Wever hat bereits angekündigt, dass sich Belgien beim EU-Gipfel dem "Koste es was wolle" für die Verteidigung Europas anschließen wird. Diese Entscheidung ist wichtig und richtig, aber sie muss der Bevölkerung auch entsprechend kommuniziert werden. Der Zeitpunkt ist gekommen, dass Premier De Wever die Rolle eines "Vaters der Nation" übernimmt, so wie es Sophie Wilmès während der Corona-Krise getan hat. De Wever muss nun Premierminister, europäischer Führer und Mitglied der "Koalition der Willigen" auf einmal sein. Schweigen oder gar regierungsinterne Kabbeleien sind keine Option mehr, unterstreicht Le Soir.
Der Neo-Imperialismus von Trump, die Kriegssucht von Putin, der Krieg in der Ukraine und die hybride Kriegsführung gegen Europa zwingen die EU dazu, ihre Rüstungsindustrie schnell auszubauen, hält Het Belang van Limburg fest. Laut dem Arbeitgeberverband Agoria könnte der belgische Verteidigungs- und Sicherheitssektor in den nächsten acht Jahren doppelt so groß werden, wie er jetzt ist – mindestens. Heute umfasst der Sektor 900 Betriebe mit 16.000 Angestellten und einem Umsatz von fünf Milliarden Euro.
Allerdings ist der Weg zum Ausbau der Rüstungsindustrie steinig: Neben zahlreichen bürokratischen Hürden leidet der Sektor auch unter einem Imageproblem. Das wirkt sich nicht nur negativ aus bei der Suche nach Arbeitskräften, auch Banken sind sehr zögerlich, was die Vergabe von Krediten angeht. Wenn wir eine eigene, stärkere Verteidigungsindustrie wollen, muss sich das ändern. Das würde uns nicht nur mehr Stabilität und Sicherheit bringen, sondern auch Jobs und Wohlstand. Worauf warten wir in Gottes Namen also noch?, fragt Het Belang van Limburg.
Schulden machen hat seinen Preis
Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa ist Schuldenmachen offenbar wieder populär geworden, merkt De Standaard an. Nach der Corona-Epidemie ist es jetzt das zweite Mal, dass Haushaltsregeln außer Kraft gesetzt werden sollen. Auch das viele Jahre geltende Tabu gemeinsamer europäischer Schulden soll wieder gebrochen werden. Es ist ein typischer Fall von "Not kennt kein Gebot": Jetzt, da selbst Deutschland sich von der heiligen Kuh "Schuldenbremse" verabschieden will, ist kaum noch politischer Widerstand zu erwarten. Das ist auch nachvollziehbar, die Vereinigten Staaten, China und Russland nehmen ja auch keine Rücksicht auf eine gesunde Haushaltsführung. Die geopolitischen Umstände diktieren, dass auch Europa diesen Weg beschreiten muss.
Aber es wäre zu einfach, so zu tun, als ob das keine Folgen hätte. Die Märkte haben bereits ein deutliches Signal gegeben: Mehr Schulden machen geht in Ordnung – aber das wird seinen Preis haben. Für Deutschland ist eine höhere Zinslast verschmerzbar, für das hoch verschuldete Belgien sieht das aber ganz anders aus. Der Enthusiasmus von De Wever und Co., die Haushaltsregeln auszusetzen, bietet also Grund zur Sorge. Denn jede Milliarde, die für Zinsen draufgeht, kann nicht für Maßnahmen eingesetzt werden – und auch nicht für die Landesverteidigung, mahnt De Standaard.
Boris Schmidt