"US-Militärhilfen für Ukraine ausgesetzt – Selenskyj versucht Trump zu besänftigen", titelt das GrenzEcho. "Wie lang hält die Ukraine ohne amerikanische Waffen stand?", fragt De Standaard. "Was kann Selenskyj ohne amerikanische Waffen?", so auch Het Belang van Limburg. "Amerikanische Hilfe für Ukraine ausgesetzt, Europa mit dem Rücken zur Wand", schreibt La Libre Belgique. "Alles auf Gefechtsstation in Europa", ist der Aufmacher bei Le Soir. "800 Milliarden Euro, um Europa wiederzubewaffnen", fasst Gazet van Antwerpen zusammen. "Die Entscheidungen von Donald Trump erschüttern die Märkte", ergänzt L'Echo.
Es hat schon fast etwas von einer Revolte, kommentiert Gazet van Antwerpen: Am gleichen Tag, an dem Donald Trump die temporäre Einstellung aller Waffenlieferungen an die Ukraine verkündet, verspricht die Europäische Union ein Wiederbewaffnungspaket im Wert von fast 800 Milliarden Euro zusätzlich. Das kommt natürlich viel zu spät und es wird Jahre dauern, bis man wirklich etwas davon spüren wird. Auf dem überforderten und überhitzten Rüstungsmarkt beträgt die Wartezeit für Waffensysteme schon jetzt sechs bis sieben Jahre.
Aber dennoch sind diese 800 Milliarden Euro sehr symbolisch: Erstens wird uns die Wiederbewaffnung widerstandsfähiger machen. Sie wird Europa aus diplomatischer Sicht auch mehr Gewicht geben. Und es ist ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Trump. Gleichzeitig müssen wir aber auch beginnen, Trump und seinen Konsorten das Leben schwerer zu machen. Dänische Supermärkte haben beispielsweise schon damit begonnen, europäische Produkte zu kennzeichnen, damit die Kunden wissen, was sie kaufen. Und warum sollen wir nicht Aktien amerikanischer Firmen abstoßen, profitable Betriebe gibt es auch in Europa und schließlich leben wir hier. Das würde auch den europäischen Bürgern mehr Mut geben. Einer gegen alle, alle gegen Trump, fordert Gazet van Antwerpen.
Weder Putin noch Trump werden warten
Trump hat sich mit seinem erneuten Verrat an der Ukraine und Selenskyj gegenüber wie ein Mafia-Boss aufgeführt, hält La Dernière Heure fest. Er hat gezeigt, dass er keine natürlichen Verbündeten mehr hat, dass er keine Werte mit uns teilt, dass ihn allein Geldmachen interessiert, dass er bereit ist, den Einfluss Amerikas an den Meistbietenden zu verhökern. Trump spielt Putin in die Karten, er ist ein russischer Agent und versteckt das auch nicht mehr, wettert La Dernière Heure.
Wenn es mit einer Krise konfrontiert wird, kann Europa plötzlich viel, stellt Het Nieuwsblad fest. Das hat die EU-Kommission in der Corona-Krise bewiesen und tut es auch jetzt wieder. Für ihren "ReArm Europe"-Wiederbewaffnungsplan wirft Ursula von der Leyen viele Tabus über Bord – unter anderem sollen Verteidigungsausgaben nicht unter die EU-Haushaltsregeln fallen. Das kommt gerade Belgien mit seinem tiefroten Haushalt sehr gelegen.
Man kann natürlich nicht leugnen, dass Europa besser viel früher mit seiner Einholbewegung begonnen hätte. Aber das lässt sich nicht mehr ändern, jetzt muss aufs Gaspedal getreten werden. Die europäische Rüstungsindustrie muss nun beweisen, dass sie auch liefern kann. Und Europa, dass es sich nicht von Querulanten wie Orban ausbremsen lässt. Europa zeigt endlich die Zähne. Und es ist auch höchste Zeit. Denn Putin wird nicht warten, bis wir unsere Haushalte in Ordnung gebracht haben. Und Trump auch nicht, warnt Het Nieuwsblad.
Hoffen wir, dass es nicht zu spät ist
"ReArm Europe" könnte ein entscheidender Wendepunkt werden, meint La Libre Belgique. Denn der Wiederbewaffnungsplan macht deutlich, dass man hier endlich verstanden hat, dass sich ein starkes Europa nicht weiter von den Kapriolen Amerikas abhängig machen darf. Was noch vor einigen Jahren undenkbar schien, wird nun zur Selbstverständlichkeit: Ein souveränes Europa ist ein Europa, das sich verteidigen kann. Und ein Europa, das in diesem Bereich auch industriell betrachtet autonom ist. Hoffen wir, dass es nicht zu spät ist, so La Libre Belgique.
Wie die Grille in der Fabel haben sich die Europäer nicht im Geringsten auf die Machtübernahme von Trump vorbereitet, prangert Le Soir an, sie haben keine Vorräte angelegt, obwohl es absehbar war, dass der Hurrikan Trump zuschlagen würde. Entsprechend riesig ist der Rückstand nun, jetzt heißt es Dampf machen. Wir dürfen nicht zögern auf diesem Weg, wir müssen das durchziehen, wir dürfen uns nicht ablenken lassen. Und wir dürfen nicht immer wieder in Schockstarre verfallen, wenn die Amerikaner wieder etwas Neues ersinnen oder verkünden. Das erfordert große Männer und Frauen am Ruder, Entschlossenheit, echte Solidarität und Einheit, unterstreicht Le Soir.
All das schöne Geld …
Ist die Wiederbewaffnung Europas ein notwendiges Übel?, fragt L'Avenir in ihrem Leitartikel. Angesichts des Krieges und der geschäftemacherischen und expansionistischen Ambitionen gewisser größenwahnsinniger Führer muss Europa reagieren. Wir werden also den Preis für Frieden und Sicherheit zahlen müssen, viele Milliarden. Die Menschheit scheint einfach unfähig, Lehren zu ziehen aus der nicht mal allzu fernen Vergangenheit. Ach, was man sonst alles Konstruktives tun könnte mit all diesen Euros und Dollar, beklagt L'Avenir.
Zusätzliche Verteidigungsausgaben sollen zwar nicht unter die EU-Haushaltsregeln fallen, resümiert Het Laatste Nieuws. Aber man sollte das nicht schönreden: Diese Investitionen sind trotzdem Schulden, die man aufnimmt und die man irgendwann zurückbezahlen muss. Es stimmt zwar, dass man dafür Panzer oder Luftabwehr bekommt, aber die verlieren schnell an Wert. Die echte Investition ist die in einen glaubwürdigen europäischen Abschreckungseffekt. Der ist auch bitter nötig, jetzt, wo wir nicht mehr auf die Vereinigten Staaten zählen können. Dennoch sollte die Föderalregierung nun auch die Reform- und Sparanstrengungen beschleunigen, um die Verteidigungsanstrengungen zu unterstützen, verlangt sinngemäß Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt