"Erster Händedruck seit 2022 – die Amerikaner wollen wieder Geschäfte machen mit den Russen", titelt De Tijd. "Die USA und Russland nehmen ihre Beziehungen wieder auf; über die Ukraine", so die Schlagzeile von De Morgen. "Aber es ging vor allem um die USA und Russland", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben die USA und Russland wieder miteinander verhandelt. Dabei ging es auch um die Ukraine und die Beendigung des Konflikts. Das allerdings "ohne die Ukraine und ohne die Europäer", titelt anklagend Le Soir. "Die Ukraine wurde gedemütigt", schreibt sogar L'Echo. "Jetzt, da die USA und Russland wieder zusammenrücken, sieht die Zukunft der Ukraine noch düsterer aus", so die bedrückende Schlagzeile von De Standaard.
Auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatten die Vertreter einiger großer EU-Staaten am Montag in Paris über die Lage beraten. Heute soll eine zweite Krisensitzung folgen. "Und diesmal ist Premierminister Bart De Wever auch eingeladen", notiert Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Europa steht jetzt am Scheideweg, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Spätestens nach dem amerikanisch-russischen Spitzengespräch in Riad wissen wir, dass die Welt nicht mehr dieselbe ist. Von dem Gipfel in Saudi-Arabien geht ein alarmierendes Signal aus: Die USA von Donald Trump teilen die russische Idee, wonach die Welt und damit auch souveräne Staaten dem Willen und den Eigeninteressen von Großmächten unterworfen sind. Diese Vision einer neuen Weltordnung ist nicht mal mehr die des Kalten Kriegs, sondern geht noch weiter zurück, nämlich ins 19. Jahrhundert mit seinem erbarmungslosen Imperialismus und seinem menschenverachtenden Kolonialismus. Europa soll in dieser Welt allenfalls die dritte Geige spielen. Für die EU gibt es jetzt nur zwei Optionen: Entweder man lässt sich verknechten, oder man setzt sich zur Wehr. Das entscheidet nicht Donald Trump, sondern nur wir selbst.
Europa ist auf sich gestellt
De Tijd sieht das ähnlich. Für die russische Seite muss sich das Spitzentreffen in Riad wie eine wunderbare Genugtuung angefühlt haben. Seit fast genau drei Jahren war Russland international geächtet. Und das völlig zurecht. All das ist seit dem vergangenen Montag wie weggefegt. Der Aggressor ist zu einem Gesprächspartner geworden. Aus europäischer Sicht ist das eine wirklich schmerzhafte Normalisierung; und das erst recht, wenn die USA zugleich die Europäer und vor allem die Ukrainer buchstäblich im Regen stehen lassen.
Schlimmer noch: Während Trump mit den Russen Geschäfte machen will, droht er der EU mit einem Handelskrieg, beansprucht das Territorium von Grönland und trommelt zudem für die rechtsextreme AfD in Deutschland. Das alles kommt vielleicht nicht überraschend; das Tempo kann einem aber doch die Sprache verschlagen. Das Fazit nach nur einem Monat Trump im Weißen Haus: Europa ist alleine.
De Morgen teilt diese Analyse. Ja! Washington lässt die Ukraine im Stich; und mit ihr auch die Europäer. Und, ja! Damit hätte der Alte Kontinent eigentlich rechnen müssen. Jetzt darf es aber nicht mehr um die Fehler der Vergangenheit gehen, sondern nur noch um die Frage: "Was jetzt? ". Die Antwort liegt allerdings nicht auf der Hand. Eins ist sicher: Wenn die Amerikaner wirklich den Stecker aus der transatlantischen Partnerschaft ziehen, dann erwarten uns wirklich schlimme Zeiten. Denn ohne die Hilfe der USA ist Europa – Stand jetzt – nicht dazu in der Lage, seine Ostgrenzen gegen die russische Kriegsmaschine zu verteidigen. So weit ist es zum Glück noch nicht. Man muss jetzt leider aber alle möglichen Szenarien vor Augen haben.
Kühlen Kopf bewahren
De Standaard gibt sich seinerseits kämpferisch. Klar: Die Signale aus Riad waren für die Europäer wirklich erschütternd. Drei Amerikaner und zwei Russen entscheiden über die Sicherheit in Europa: Für den Alten Kontinent ist das ein Schlag ins Gesicht. Außerdem wird Putin rehabilitiert, ohne auch nur einen Deut von seiner Kriegslogik abgerückt zu sein. Die erste europäische Reaktion kann man denn auch zusammenfassen mit Verzweiflung und Selbstkasteiung. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein bitte! Wer glaubt denn ernsthaft, dass Trump ein loyaler Freund geblieben wäre, wenn wir nur drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung gesteckt hätten?
Nein, was die Amerikaner und Russen vereint, das ist ihre Ablehnung des europäischen Integrationsprojekts, das auf Regeln aufbaut und vor allem auf einer sozialen Demokratie. Und, mal ehrlich: Es wäre doch gelacht, wenn ein reicher Markt mit gut 500 Millionen Menschen es nicht schafft, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wichtig ist jetzt nur, einen kühlen Kopf zu bewahren. Bei allen Großmachtsphantasien schaffen es die Russen nicht, ihr eigenes Territorium in der Region Kursk zu befreien. Es bleibt also noch Zeit, um sich nicht von Trump verrückt machen zu lassen und uns in Europa neu aufzustellen.
Belgien ist aber auch noch mit einer weiteren, vielleicht unmittelbareren Bedrohung konfrontiert: "IS ruft auf Flugblättern zu Anschlägen in Antwerpen und Brüssel auf", titeln Gazet van Antwerpen und Het Laatste Nieuws. Die islamistische Terrororganisation verbreitet diese Appelle derzeit in sozialen Netzwerken. Unmittelbarer Anlass ist der jüngste Anschlag in Berlin. "Der IS hofft auf Trittbrettfahrer", notiert Het Laatste Nieuws. Es gebe aber keine Hinweise auf eine wirklich konkrete Bedrohung, hieß es beim Antiterrorstab Ocam.
Roger Pint