"Massenproteste gegen die Reformen", titelt das GrenzEcho. "60.000 – und das ist erst der Anfang", schreibt La Dernière Heure auf ihrer Titelseite. "Das wird ein heißes Jahr", so die Schlagzeile von De Morgen. Die Großdemonstration in Brüssel gegen die geplanten Reformen der neuen Regierung ist auch Thema in den Leitartikeln der Zeitungen.
Gazet van Antwerpen hält fest: 60.000 Menschen kamen gestern auf die Straße, um für ihre Renten, ihren Arbeitsplatz, ihr Einkommen oder das von anderen zu demonstrieren. Auf der einen Seite ist das unverständlich. Denn eigentlich weiß doch jeder, dass Reformen nötig sind. Auf der anderen Seite kann man die Menschen auch verstehen, denn bislang herrscht noch große Unsicherheit. Was genau auf sie zukommt wissen sie nicht. Auch die neue Regierung hat es bislang versäumt, klar zu kommunizieren. Dass gestern gerade vor der Parteizentrale der MR Tumulte ausbrachen hat damit zu tun. MR-Chef Bouchez ist das beste Beispiel für einen Politiker, der nur an seine Partei denkt, nicht an die Regierungsmannschaft. Hier muss bei der Regierung De Wever noch nachgebessert werden, behauptet Gazet van Antwerpen.
Gewerkschaften benötigen langen Atem
Het Nieuwsblad prophezeit: Es wird weitergehen mit den Protesten. Schon am 31. März soll ja ein Generalstreik folgen. Und danach werden die Gewerkschaften weitermachen. Aber sie werden einen langen Atem benötigen. Denn es sieht nicht danach aus, als ob die Regierung De Wever zurückweichen würde. Gestern in der Kammer hat selbst der Vooruit-Fraktionsvorsitzende noch einmal betont, dass seine Partei voll hinter den Plänen der Regierung steht. Und ehrlich gesagt hat die Regierung mit vielen ihrer Vorhaben auch Recht. Denn Lokführer kann man nicht wie bisher mit 55 Jahren in die Rente schicken, wenn man von allen anderen Menschen verlangt, bis 65 zu arbeiten, meint Het Nieuwsblad.
De Standaard analysiert: Der Protest richtet sich gegen die Maßnahmen einer Regierung, die die Mehrheit der Wähler repräsentiert. Dass die Gewerkschaften gegen diese Pläne demonstrieren, ist ihr gutes Recht. Sie müssen ja die Belange ihrer Mitglieder vertreten. Doch bei all der Aufmerksamkeit, die gestern die 60.000 Menschen in Brüssel auf sich gezogen haben, darf man nicht vergessen: Viele Menschen unterstützen die Maßnahmen der Regierung. Aber sie gehen dafür nicht auf die Straße, erinnert De Standaard.
"Starke Männer"
Zum Telefongespräch zwischen Trump und Putin zur Beendigung des Ukraine-Kriegs notiert Le Soir: Trump hat Europa über dieses Gespräch "informiert". Allein das schon zeigt deutlich: Eigentlich spielt Europa für Trump keine Rolle. Das ist mehr als beunruhigend für Europa, denn beim Konflikt in der Ukraine geht es auch um die Sicherheit der europäischen Staaten. Kann man angesichts dieser Situation noch darüber diskutieren, ob es gut ist, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben?Warschau, die baltischen Staaten oder Paris liegen in Reichweite von Moskau, vor allem dann, wenn Trump Europa im Stich lässt, fragt rhetorisch Le Soir.
La Libre Belgique bemerkt: Die beiden "starken Männer", Trump und Putin, haben viele Gemeinsamkeiten. Sie verachten Europa, haben ein außergewöhnlich großes Ego, Expansionsgelüste und werden immer radikaler. Und vor allem spielen Moral und Gesetz keine Rolle für sie. Weil sie darauf verzichten und dabei gleichzeitig auf das Gleichgewicht der Mächte pfeifen, bleiben nur noch die Macht des Stärkeren und der kurzfristige Erfolg übrig. Die erniedrigten Ukrainer werden sich damit zufriedengeben müssen, weiter auf einem Vulkan zu leben. Denn die Region wird ein Pulverfass bleiben. Nichts wird durch ein schnelles Kriegsende geregelt sein, bedauert La Libre Belgique.
Truppen in die Ukraine
De Morgen betont: Die Ukrainer und Europäer fordern völlig zu Recht, mit am Verhandlungstisch zu sitzen, wenn es über die der Ukrainer und die kollektive Sicherheit eines ganzen Kontinents geht. Sollte es allerdings dabei bleiben und ein Kriegsende in der Ukraine nur zwischen Russland und den USA ausgehandelt werden, muss Europa handeln. Es wird keine andere Wahl haben, als seine Kräfte zu bündeln und europäische Truppen in die Ukraine zu schicken. Diese Einheiten müssen die Sicherheit eines Landes gewährleisten, das einen Beitritt zur EU anstrebt. Und sie müssen gleichzeitig den Eisernen Vorhang stärken, der sich zwischen Russland und der EU wieder gesenkt hat, argumentiert De Morgen.
L'Avenir kommentiert zur Entscheidung der wallonischen Regierung, die Zuschüsse für Renovierungsarbeiten an Häusern zu kürzen: Für den Haushalt der Wallonie ist es gut, dass die Regierung die Reißleine zieht. Denn würde es so weitergehen wie bisher, würden die Zuschüsse ein noch größeres Loch in die Finanzen der Region reißen als jetzt schon. Natürlich ist die Ankündigung keine gute Nachricht für Menschen, die wenig Geld haben. Denn sie sehen ihre Pläne zur Renovierung jetzt gefährdet. Trotzdem ist die Entscheidung der Regierung richtig. Und ganz abgeschafft werden die Zuschüsse ja nicht, betont L'Avenir.
Kay Wagner