"Zwischen Palast und Parlament: Premier Bart De Wever absolviert ersten vollen Arbeitstag", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Regierungserklärung: der erste Arbeitstag von Premier De Wever… und schon gibt es Streit um die Kapitalertragssteuer", titelt Gazet van Antwerpen. "Die Arizona sieht fast drei Milliarden Einsparungen bei den niedrigsten Bezügen vor", meldet L'Echo. "Nur wer arbeitet, wird belohnt: So will die Regierung De Wever die Rechnung aufgehen lassen", liest man bei De Standaard. "Militärs, Gewerkschaften… die Regierung De Wever schon unter Druck", so La Dernière Heure.
Es wird keine Legislatur mit Smileys
Nein, es war kein leidenschaftlicher Bart De Wever, den wir gestern in der Kammer gesehen haben bei seiner historischen Regierungserklärung, hält Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel fest. Der frischgebackene Premier beschränkte sich auf eine sachliche Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Regierungsvereinbarung, ab und zu unterbrochen von verhaltenem Applaus. De Wever blieb unterkühlt, schaute kaum von seinem Text auf und war genauso schnell wieder weg, wie er gekommen war. Vielleicht war er einfach nur müde, es wäre keine Überraschung. Wir sind natürlich auch nicht Amerika, wo alles mit viel Pomp stattfinden muss. Vielleicht entschied sich De Wever auch bewusst für einen möglichst unaufgeregten Auftritt in der föderalen Löwengrube, in der bis vor Kurzem ein N-VA-Premier noch absolut undenkbar war für die Frankophonen. Und es war ganz sicher auch nicht hilfreich, dass De Wever schon mit Verspätung loslegte, weil er erst noch Vooruit und MR zur Ordnung rufen musste, die sich wegen der Kapitalertragssteuer in die Haare bekommen hatten, fasst Gazet van Antwerpen zusammen.
Es war eine trockene und wenig inspirierende erste Rede, findet De Morgen. Aber damit wollte De Wever wohl auch eine Botschaft senden: Das ist jetzt nicht die Zeit für irgendwelche Zukunftsfantasien, das wird keine Legislatur mit Smileys. Nach der aus der nackten Not geborenen heterogenen Vivaldi-Regierung kündigt sich die Arizona als viel klassischere belgische Sanierungsregierung an - selbst mit erstmals einem flämischen Nationalisten an der Spitze. Es wird eine Regierung, die unverkennbar von Rechts dominiert wird. Das werden vor allem Migranten, Arbeitslose und Beamte zu spüren bekommen. Aber es ist auch eine Regierung, die gelobt, in der Spur des sozialen Wohlfahrtsstaats zu bleiben, und die schrittweise und vernünftig unumgängliche Reformen durchführen will, resümiert De Morgen.
Die samtene Revolution des Bart De Wever
De Wever klang bei seiner Ansprache weniger enthusiastisch, als man es von einem Premierminister in so einem wichtigen Moment erwartet hätte, merkt auch Het Belang van Limburg an. Vielleicht war das eine bewusste Entscheidung, denn es bleibt noch immer die Spitze der Ironie, das Land zusammenhalten zu müssen, das man aufspalten will. Also wurde es eine rein sachliche Regierungserklärung, ohne Klimbim, Show und ohne Stolz sowieso. Der feurige Flame scheint also zu einem langweiligen Belgier geworden zu sein. Vielleicht ist das aber auch nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn wenn die Frage der Kapitalertragssteuer nicht schnell geklärt wird, dann bekommt De Wever noch in den Flitterwochen Opposition innerhalb der Mehrheit, warnt Het Belang van Limburg.
Wir müssen uns immer noch kneifen, so unglaublich scheint es, kommentiert Le Soir. Bart De Wever, der 54. Premierminister Belgiens, ein Premier wie jeder andere? Aber plötzlich wachen wir auf und stellen fest: De Wever hat sich nicht verändert. Er ist immer noch Konföderalist, wenn auch Salon-Konföderalist. Er hat im Prinzip seine Revolution bekommen; es war eine samtene, Schritt für Schritt hat er in wenigen Monaten erreicht, was er wollte. Und er hat nun auch die Hebel, um potenziell noch weiter zu gehen. Er hat also gar keinen Grund, gegen das belgische Establishment zu wüten, es zu verhöhnen, zu verspotten, herauszufordern oder zu erniedrigen. Denn das würde nur sein Projekt in Gefahr bringen, das er doch auch diskret weiterverfolgen kann, meint Le Soir.
Kurze Flitterwochen und eine Kriegserklärung
Es waren kurze Flitterwochen für die Regierung De Wever, stellt Het Nieuwsblad fest. Eigentlich waren es kaum Tage. Und De Wever war das sicher nicht recht: Am Tag seiner Regierungserklärung musste er erst noch schnell einen Brand in der Arizona löschen. Ein Brand, der von niemand anders gelegt worden war als natürlich von Georges-Louis Bouchez. Denn der MR-Chef zog plötzlich wieder öffentlich die Konturen der Einigung über die Kapitalertragssteuer in Zweifel. Das brachte Vooruit auf die Palme und vermutlich auch die CD&V und Les Engagés. Die Parteivorsitzenden mussten also zusammen und zur Ordnung gerufen werden, damit der Premier nicht mit heruntergelassenen Hosen seine Regierungserklärung abgeben musste. De Wever wird noch oft an seine Zeit im Rathaus von Antwerpen denken, wo er nur mit den Fingern schnipsen musste. Den wallonischen Hansdampf in allen Gassen zu zähmen, damit er nicht andauernd Amok läuft, wird eine ganz andere Herausforderung, befürchtet Het Nieuwsblad.
Es ist eine Kriegserklärung, zitiert L'Avenir aus der Reaktion der sozialistischen Gewerkschaft auf die Regierungserklärung. Die FGTB hat auch schon einen Generalstreik angekündigt. Die christliche und die liberale Gewerkschaft geben sich aktuell allerdings noch vorsichtiger, um eine mögliche Konzertierung nicht unmöglich zu machen. De Wever ist sich des Widerstands natürlich bewusst, aber das wird ihn und seine Regierung nicht davon abhalten, die Reformen durchzuziehen. Und was den Sozialkonflikt betrifft, kann De Wever eigentlich nur gewinnen: Wenn das Land lahmgelegt wird, wird er das als weiteren Beweis nehmen, dass es unregierbar ist. Und es wäre natürlich auch eine Steilvorlage, um noch mehr gegen die Gewerkschaften zu wettern. Der Pyromane brauchte noch nicht einmal die Gemeinschaftspolitik in seine Rede zu packen, um Öl ins Feuer zu gießen, giftet L'Avenir.
Boris Schmidt