"Arizona, der Tag der Wahrheit", titelt Le Soir. "Tag X für die Arizona, 236 Tage nach den Wahlen", schreibt La Libre Belgique. "Mit einer Einigung zum König? Oder doch mit leeren Händen?", fragt De Morgen über einem Foto von Bart De Wever. "Regierungsbildung: Heute Showdown für Bart De Wever – mit Einigung oder Rücktrittsgesuch zum König?", so auch das GrenzEcho. "Erschöpfungsschlacht bis zum Ende", lautet die Überschrift bei Het Nieuwsblad.
Eine neue Föderalregierung haben wir noch immer nicht, stellt De Tijd in ihrem Leitartikel fest, die Arizona-Parteien verhandeln immer noch. Aber das ändert nichts daran, dass ihr Auftrag klar ist. Ein kurzer Blick auf die politische und wirtschaftliche Lage macht deutlich: Belgien muss als Land stärker werden angesichts einer Welt, die keine Gnade kennt für Schwäche. Das gilt für viele verschiedene Bereiche – von deutlich mehr Mitteln für Landesverteidigung und Sicherheit über die Reform der diversen wichtigen Systeme bis hin zu Hilfen für die schwächelnde Wirtschaft. Dann sind da auch noch die großen Herausforderungen unserer Zeit: die Klimawende und die digitale Revolution, Stichwort Künstliche Intelligenz. Beide können zu Trümpfen werden, aber nur, wenn auch in sie investiert wird. Die Geschichte lehrt, dass belgische Regierungen zu sehr viel in der Lage sind, wenn sie in den Krisenmodus gezwungen werden. Aber dieser historische Auftrag muss nun schon wieder fast neun Monate warten, beklagt De Tijd.
Die Gewerkschaften sind bereit
Le Soir befasst sich mit der Rolle der Gewerkschaften: Mit Bert Engelaar, dem jungen flämischen Generalsekretär der sozialistischen Gewerkschaft, scheinen die Arbeitnehmervertreter nun ihre eigene Version von Georges-Louis Bouchez gefunden zu haben, dem Präsidenten der frankophonen Liberalen MR. Beide haben den gleichen Stil, sie benutzen dieselben Kommunikationskanäle, die sozialen Medien, und sie sprechen die gleiche Generation an. Falls eine Arizona-Regierungskoalition zustande kommt, wird sie nun mit heftigem Gegenwind rechnen müssen. Die Gewerkschaften sind bereit, den Kampf auf der Straße, in der öffentlichen Meinung und in den sozialen Netzwerken zu führen. Sollte die Arizona-Koalition scheitern, dann wird das maßgeblich Bert Engelaar zu verdanken sein. Denn er hat, gerade in Flandern, für maximalen Druck auf die Sozialisten gesorgt – er hat Vooruit-Präsident Conner Rousseau die Hölle versprochen, falls dieser föderal mitregieren sollte, hält Le Soir fest.
De Morgen blickt über den Atlantik, auf die Vereinigten Staaten: US-Präsident Donald Trump will jetzt bis zu 30.000 illegale Migranten in die berüchtigte Marinebasis Guantánamo Bay auf Kuba bringen lassen. Trump zufolge soll es dabei um Menschen ohne Papiere gehen, die einer Straftat verdächtigt werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass Guantánamo zur Unterbringung von Flüchtlingen benutzt wird. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben in der Vergangenheit bereits über die menschenunwürdigen Zustände in dem Lager geklagt. Die Gefahr ist auch real, dass Trump Migranten in Guantánamo wegsperren wird, die unschuldig sind, oder dass angebliche Straftaten als Vorwand missbraucht werden, um sie schneller aus den Vereinigten Staaten zu schaffen. Und sind sie erst mal in Guantánamo, wird es natürlich schwer, sich noch juristisch zu wehren. Aber die USA sind nicht das einzige Land, das Migranten "offshore" wegsperrt, siehe Australien. Und die EU mit ihrem Outsourcing des Migrantenproblems ist auch in keiner Position für Moralpredigten. Wir schieben die Folgen der Migrationsströme am liebsten so weit wie möglich von uns weg. Und wir gehen ihre Ursachen auch nicht an, prangert De Morgen an.
Der CDU droht der Rechtsruck
De Standaard greift die deutsche Migrationsdebatte auf, genauer gesagt den Eklat um das Votum der rechtsextremen AfD für einen von der CDU eingebrachten Migrations-Antrag: Zumindest ist die Lage jetzt klar. Wenn die Deutschen nächsten Monat wählen gehen, wissen sie, woran sie sind. Mit CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Ruder werden die deutschen Christdemokraten einen nie dagewesenen Rechtsruck machen. Die Kritik von Angela Merkel an Merz macht auch deutlich, wie scharf diese ideologische Wende ist. So etwas hat es in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben, Merz hat sein wahres Gesicht gezeigt. Und Merz kann noch so oft beteuern, dass er nicht aktiv mit der AfD zusammenarbeiten wird – wie glaubwürdig ist das noch nach dieser Woche? Seine politische Strategie ist derweil klar: Merz glaubt, dass es sich stimmentechnisch lohnt, auf die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zu setzen. Er kann potenziellen AfD-Wählern auch etwas bieten, was AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel nicht kann: Regierungsmacht. Ob sein Plan aufgehen wird, ist aber unsicher. Es gibt Anzeichen, dass ihn sein Flirt mit den Rechtsextremen Stimmen kosten könnte. Aber es sind noch drei Wochen bis zu den Wahlen, erinnert De Standaard.
Das europäische Projekt ist in Gefahr
Die oft beschworene Brandmauer gegen die AfD ist eingestürzt, kann auch das GrenzEcho nur feststellen. Merz verengt aus wahltaktischen Gründen die politische Debatte und macht jeden Migranten zum zentralen Sündenbock. Damit übernimmt er nicht nur die Narrative der AfD, sondern stärkt sie auch noch – anstatt Lösungen für den ganzen Berg wirklicher Probleme anzubieten, die die gescheiterte Ampel-Koalition hinterlassen hat. Die Welt ist nach Aschaffenburg keine andere. Eine härtere Einwanderungspolitik hätte die entsetzliche Messertat nicht verhindert. Es hätte gereicht, wenn der Staat die bestehende Gesetzeslage angewendet und die Behörden nicht versagt hätten, meint das GrenzEcho.
Diese Entwicklung sorgt für Unruhe weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, kommentiert L'Avenir. Denn die Rechtsextremen gewinnen überall an Boden. In Italien, den Niederlanden, Ungarn, der Slowakei und Finnland regieren sie bereits. Österreich und Tschechien könnten bald folgen. Der Aufstieg der Rechtsextremen bedroht das europäische Gleichgewicht, das ohnehin bereits sehr zerbrechlich geworden ist. Das europäische Projekt ist in Gefahr. Falls es den demokratischen Parteien nicht gelingt, schnell etwas gegen diese braune Welle zu unternehmen, droht ihnen nicht nur der Verlust ihrer Seele. Sie drohen auch, der Zukunft Europas nachhaltigen Schaden zuzufügen, prophezeit L'Avenir.
Boris Schmidt