"Bilanz nach einer Woche Trump", titeln De Morgen und De Standaard. Beide Blätter dröseln das in Form von Schlagzeilen auf: "Oligarchen rund um einen verurteilten Straftäter: Das soll also das Goldene Zeitalter sein", schreibt De Morgen. De Standaard nennt den neuen US-Präsidenten "König Donald" und dessen Motto: "Hier bin ich; und ich mache, was ich will".
"Das Beste, was die Europäer jetzt machen können: Sie sollten X und Facebook verlassen", das empfiehlt die bekannte amerikanische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum auf Seite eins von De Tijd. Auch die Schwesterzeitung L'Echo bringt ein Interview mit Applebaum: "Unsere Demokratie wird von konzertierten und permanenten Angriffen erschüttert", sagt sie auf Seite eins.
Die Rosskur, die der Alte Kontinent nötig hatte?
Für Europas Wirtschaft bedeutet Trumps Rückkehr ins Weiße Haus eine erhebliche Herausforderung, meint das GrenzEcho in seinem Leitartikel. Die von Trump angekündigte "America First"-Wirtschaftspolitik markiert nicht weniger als einen radikalen Paradigmenwechsel hin zu einem so genannten "nationalen Kapitalismus". Der zeichnet sich vor allem durch massive protektionistische Maßnahmen aus. Nicht umsonst hat Trump gleich mit Zöllen gegen europäische Unternehmen gedroht.
Der vor allem in Europa seit Jahren propagierte Weg des Freihandels stößt spätestens dann an seine Grenzen, wenn ein maßgeblicher globaler Akteur wie die USA eigenmächtig die Spielregeln ändert. Trump strebt zudem bilaterale Vereinbarungen an, was den europäischen Zusammenhalt vor erheblichen Herausforderungen stellen wird. Bei alledem wirkt die EU-Kommission schwach, scheint Europa zu zaudern und sich in politischer Trägheit zu üben. Hier steht letztlich die Vision einer vereinten starken Union auf dem Spiel.
L'Echo macht eine ähnliche Analyse. Die EU steckte ohnehin schon in einer Sinnkrise. Und jetzt kommt auch noch Trump, der diesen Nagel noch weiter einschlagen will. Vielleicht ist das aber genau die Rosskur, die der Alte Kontinent nötig hatte. Und tatsächlich: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Therapie schon vorbereitet. In der Pipeline der Kommission befindet sich unter anderem ein ehrgeiziger Plan zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Das allerdings muss jetzt auch noch funktionieren. Fakt ist aber, dass sich die EU bereits auf die Rückkehr von Trump ins Weiße Haus vorbereitet hatte. Das ist beruhigend, doch müssen den Worten jetzt Taten folgen.
"Es ist Zeit!"
Einige Zeitungen beschäftigen sich aber auch mit den föderalen Koalitionsverhandlungen. "De Wever hat noch eine Woche Zeit", titelt nüchtern Het Nieuwsblad. Die fünf Arizona-Parteien haben sich ja selbst ein Ultimatum gestellt: Wenn gegen Ende des Monats keine Regierung steht, dann will man die Gespräche beenden.
"Es wird Zeit", mahnt Het Laatste Nieuws mit scharfen Worten. Nach 230 Tagen muss an diesem Wochenende der Sack zugemacht werden. Herr De Wever, das gilt in erster Linie für Sie. Sie haben selbst gesagt, dass Sie jetzt ein Rendezvous mit der Geschichte haben. Das stimmt! Allerdings auch dann, wenn diese Verhandlungen scheitern. Verantwortlich dafür wären viele, aber in allererster Linie Sie selbst. Herr Bouchez, "il est temps", auch für Sie. Sie mögen die Verkörperung dunkelblauer Prinzipien sein, eine Regierungsbildung, das ist nichtsdestotrotz immer noch ein Cha-Cha-Cha. Sie haben dabei allerdings schon jetzt zu viele Tanzschritte nach rechts gemacht. Herr Rousseau: "Het is tijd". Sie wollen zum Cha-Cha-Cha einige kubanische Salsa-Rhythmen. Das sei ihnen gegönnt. Doch bei jedem Tanz bedarf es am Ende der richtigen Balance. Aber nochmal: "Es ist Zeit!" Und das gilt für alle.
"Ein weißer Elefant in der Nordsee"
"Denn wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die dringend nötige Entscheidungen fällen kann", hakt De Tijd sinngemäß ein. Bestes Beispiel ist die Energie-Insel, die vor der belgischen Küste entstehen soll. Die Kosten sind inzwischen regelrecht explodiert: Ursprünglich wurden sie auf 2,2 Milliarden Euro geschätzt, jetzt sind es 7,5 Milliarden. Und doch will die geschäftsführende Energieministerin Tinne Van der Straeten an dem Projekt festhalten. Der Hochspannungsbetreiber Elia scheint immerhin zurückzurudern, doch muss hier eine vollwertige Regierung jetzt ein Machtwort sprechen. Das Gleiche gilt für die Zukunft der Kernenergie in diesem Land. Der Atomkraftwerksbetreiber Engie hat der geplanten Laufzeitverlängerung der älteren Reaktorblöcke eine Absage erteilt. Allein diese offenen Fragen in der Energiepolitik sollten für die Arizona-Parteien jetzt Grund genug sein, endlich eine Regierung auf die Beine zu stellen.
Auch De Standaard beschäftigt sich in seinem Kommentar mit der Energie-Insel. Das einstige Prestigeprojekt wird mehr und mehr zum "weißen Elefanten in der Nordsee". Ein technologisches Unikum, das von der Realität überholt wurde. Bester Beweis: Die Niederländer und auch die Dänen haben vergleichbare Projekte inzwischen stillschweigend beerdigt. Doch wollen einige Leute hierzulande immer noch stur an dem Vorhaben festhalten. Sie ignorieren dabei geflissentlich, dass die Kosten von 7,5 Milliarden Euro am Ende an die Stromkunden weitergereicht werden. Das ist der beste Weg, um die brotnötige Energiewende letztlich zu sabotieren.
Die Erinnerung an den Holocaust weiterhin hochhalten
La Libre Belgique schließlich blickt schon auf den kommenden Montag. Dann jährt sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Wir müssen das Gedenken an den Holocaust hochhalten, meint das Blatt. Dies erst recht, weil es bald keine Überlebenden mehr geben wird, die aus erster Hand von dem Horror berichten können. Und das ist umso nötiger in der heutigen Zeit, in der die Nazi-Nostalgie in den sozialen Netzwerken wieder Konjunktur zu haben scheint.
Wir dürfen jetzt nicht kapitulieren! Es wäre unverzeihlich, auf das Wiedererstarken rechtsradikaler Ideen nicht mutig und entschlossen zu reagieren. Wir dürfen nicht den Ignoranten, den Mistkerlen oder den Dummköpfen das Feld überlassen, wenn sie ihren Negationismus verbreiten oder dieses dunkle Kapitel unserer Vergangenheit kleinzureden versuchen. Die noch verbleibenden Holocaust-Überlebenden sollten uns eine Inspiration sein. Die Gefahr war nie weg.
Roger Pint