"Donald Trump beginnt seinen Kreuzzug", titelt La Libre Belgique. "Trump schafft am ersten Tag bereits Fakten: Neuer Präsident vollzieht Kehrtwende", fasst das GrenzEcho zusammen. "Schon an Tag eins radikale Beschlüsse: Begnadigung für alle Kapitol-Stürmer, auch Anführer gewalttätiger Milizen kommen frei - Exit der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation und dem Pariser Klimaabkommen", schreibt Gazet van Antwerpen. "Wie die ersten Handlungen Trumps Europa und die Märkte erschüttern", lautet die Überschrift bei L'Echo.
Brutal, radikal, teilweise hasserfüllt. So kann man Tag eins von Trump sicher zusammenfassen, kommentiert La Dernière Heure. Aber er war auch: schnell, aktiv, symbolisch und mit einem klaren Kurs. In 24 Stunden hat Trump in puncto Repositionierung des Landes das gemacht, was er seinen Wählern versprochen hatte. Und wir in Europa derweil? Wir haben über zweifelhafte Gesten von Elon Musk diskutiert. Aber was wichtige Themen betrifft: Fehlanzeige. Keine neue Föderalregierung, Frankreich diskutiert weiter über die Absenkung des Rentenalters, während die Geburtenzahlen kollabieren, die deutsche Wirtschaft erstickt, strategische Investitionen bleiben aus und die europäische Armee ist weiter ein Luftschloss. Unser Kontinent glänzt nur in einer Disziplin: sich darüber empören, was woanders passiert, während man die Augen verschließt vor dem, was sich hier abspielt, wütet La Dernière Heure.
Wir müssen das Schlimmste befürchten
Ab Tag eins scheint Trump fest entschlossen, die Grenzen seiner Macht bis aufs Äußerste zu testen, hält L'Avenir fest. So viel zur Hoffnung, dass er sich nach seinem Einzug ins Oval Office mäßigen würde. Und die Welt kann nur fassungslos zuschauen. Dabei hätte Europa doch eine wichtige Karte zu spielen in diesem Pokerspiel: Die der Alternative zu all diesen Exzessen. Trump hat laut verkündet, dass für Amerika nun ein goldenes Zeitalter beginne. Schwierig zu glauben, dass unsere Nachkommen das so sehen werden angesichts der rassistischen Bemerkungen, Musks Gesten, der Freilassung von Kriminellen und der Dekrete Trumps, die auf die Wünsche der Hyper-Reaktionären zugeschnitten scheinen. Wir können nur auf die Rückkehr eines echten Zeitalters des Fortschritts und des Lichts hoffen – und bis dahin versuchen, um jeden Preis die Fundamente unserer europäischen Demokratie zu bewahren, appelliert L'Avenir.
Trump hat also alle Kapitol-Stürmer freigelassen, rekapituliert Gazet van Antwerpen. Unabhängig davon, wie gefährlich sie auch sind und wie verwerflich ihre Ideologie ist. Vier Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol wird also niemand mehr dafür bestraft. Der Mann, der damals zur Gewalt aufgerufen hatte, ist jetzt Präsident. Jeder, der seinem Aufruf folgte, ist wieder frei. Trump mag zwar demokratisch gewählt sein und darf natürlich begnadigen, wen er will. Aber dass das einfach hingenommen wird von dem Mann, der sich eigentlich vor Gericht für das Schänden der elementarsten Regeln der Demokratie hätte verantworten müssen, das lässt das Schlimmste befürchten für die Zukunft der amerikanischen Demokratie, meint Gazet van Antwerpen.
Trumps Waffen stehen bereit
Es ist fast schon rührend, wie europäische Experten noch immer positive Signale suchen in Trumps Großoffensive, schreibt Het Nieuwsblad. Meistens lautet ihre Schlussfolgerung, dass es vor acht Jahren ja auch nicht so schlimm geworden ist. Das könne man jetzt also auch wieder hoffen. Aber dabei übersehen sie einen ganz wichtigen Punkt: Damals betrieb Trump Isolationismus. Jetzt hat er sich für die Ausweitung der amerikanischen Einflusssphäre entschieden – allerdings nicht, um wie seine Vorgänger das demokratische Modell in die Welt zu tragen. Trump betrachtet andere Länder einfach als Kolonien, um die Vereinigten Staaten reich zu machen. Trump hat dem Rest der Welt den Krieg erklärt. Zunächst nur mit wirtschaftlichen Waffen. Aber beim Panamakanal spricht er zum Beispiel schon von "allen verfügbaren Mitteln". Nichts werde Amerika im Weg stehen, hat Trump gesagt. Und das meint er auch so. Seine Waffen stehen bereit, um die Welt in die Knie zu zwingen, warnt Het Nieuwsblad.
Der äußere und der innere Feind
Europa scheint total erschlagen von der Trump-Show, findet Het Belang van Limburg. Die Vorsitzende der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat in Davos gesagt, dass Europa Regeln und Prinzipien respektiert. Es ist anzunehmen, dass sie damit meinte: im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten. Aber sie nahm den Namen Trump dabei nicht in den Mund. Warum eigentlich nicht? Da haben ja selbst die paar Grönländer mehr Haare auf den Zähnen! Es ist offensichtlich, dass Europa nicht weiß, wie es mit Trump umgehen soll. Von allen europäischen Führern war nur die Italienerin Giorgia Meloni zu seiner Amtseinführung eingeladen. Die ja nicht zufällig auch eine Freundin von Elon Musk ist. Meloni versucht schon eine Weile, sich als Brückenbauerin zwischen Europa und den USA zu etablieren. Allerdings hat sie dafür kein Mandat. Aber jede Hilfe ist willkommen, um Trump von dummen Gedanken abzubringen, plädiert Het Belang van Limburg.
Endlich hat Ursula von der Leyen gesprochen, hebt Le Soir hervor. Es war zwar weder revolutionär noch besonders mitreißend, aber zumindest kam da mal etwas nach einem auffällig langen Schweigen. Das war nicht nur absolut unerlässlich, sondern auch sehr willkommen. Denn einerseits beruhigt sie damit etwas. Und anderseits macht sie auch klar: Es gibt eine Alternative. Dennoch muss man auch festhalten, dass die Wirkung ihrer Worte begrenzt bleibt angesichts der Sturzflut an Trump-Dekreten und der Lichtgeschwindigkeit, mit der seine Tech-Akolythen ihre Ideen über die Welt verteilen. Hinzu kommt, dass auch fraglich ist, wie groß der Rückhalt für von der Leyen ist. Denn wie bereits gesagt: Der äußere Feind Europas mag Amerika sein, aber der innere Feind sitzt auch in immer mehr europäischen Hauptstädten an den Hebeln der Macht, so Le Soir.
Boris Schmidt