"Endlich Hoffnung!", titelt Le Soir. "Ab Sonntag sollen die Waffen schweigen", schreiben Gazet van Antwerpen und auch das GrenzEcho auf Seite eins. "Endlich ein Waffenstillstand in Gaza", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad und auch von L'Avenir.
Israel und die Hamas haben sich gestern auf ein Abkommen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen einigen können. Auf vielen Titelseiten sieht man Fotos von jubelnden Menschen, und das auf beiden Seiten, im Gaza-Streifen, aber auch in Israel. Der Waffenstillstand kommt keine Sekunde zu früh, genau gesagt "nach 470 Tagen und 47.000 Toten", notiert De Tijd auf ihrer Titelseite. "Die Lage bleibt fragil", bemerkt derweil L'Echo. De Morgen sieht seinerseits das Glas halb voll: "Frieden für Gaza ist endlich in Sicht", so die Schlagzeile.
"Euphorie ist dennoch fehl am Platz", glaubt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Zunächst einmal kommt das Abkommen viel zu spät. Aber gut, immerhin kann jetzt endlich der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen systematisch geholfen werden. Tragisch ist dabei, dass der Text, auf dessen Grundlage man sich nun geeinigt hat, schon seit Monaten auf dem Tisch liegt. Die Hamas hat nun plötzlich doch eingewilligt, anscheinend auf Druck des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Der wollte sich offenbar selbst ein Geschenk machen mit Blick auf seine offizielle Amtseinführung am kommenden Montag. Die Botschaft: "Trump macht die Welt sicherer." Wenn das mal kein vergiftetes Geschenk ist. Die Hamas hat nämlich nicht die Absicht, die Kontrolle über den Gazastreifen aufzugeben. Der von Trump selbst so hochgejubelte Triumph ist wohl allenfalls eine Atempause.
Einzige Garantie: Ein miserables Leben
Auch Le Soir vermutet hinter dem Abkommen den langen Schatten von Donald Trump. Wenn der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun plötzlich einer Waffenruhe zustimmt, dann kann man das nur vor dem Hintergrund der Amtsübernahme von Donald Trump am kommenden Montag verstehen. Er will sich schon vorab zum "Retter der Welt" hochstilisieren, zu dem Mann, der alle Probleme lösen kann. Aber dieses israelische Geschenk hat seinen Preis. Als Gegenleistung könnten die USA die künftige israelische Annexion von Palästinensergebieten im Westjordanland stillschweigend durchwinken. Nicht vergessen: Trump funktioniert wie ein Geschäftsmann, der – wie er es auch selber immer wieder stolz hervorhebt – mit Deals arbeitet. Aber ungeachtet dieser gefährlichen Perspektiven muss jetzt erstmal eins im Vordergrund stehen: Der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen muss dringend geholfen werden.
In einem "Freiluft-Gefängnis" kann man sich von Frieden nicht viel kaufen, meint resigniert De Standaard. Klar, man muss das Abkommen auch nicht kleinreden. Nach einem mörderischen Bombenhagel von 15 Monaten mit knapp 47.000 Toten besteht nun immerhin die Aussicht, dass für die Bewohner des Gazastreifens jetzt noch mal eine relative Ruhe einkehrt. Aber was für ein Leben erwartet sie jetzt? Der Gazastreifen liegt in Trümmern. Jegliche Infrastruktur, die für die Grundversorgung der Menschen unabdingbar ist, ist zerstört. Die einzige Perspektive ist – Stand jetzt – die Garantie auf ein miserables Leben. Solange sich das nicht ändert, wird die Region nicht zur Ruhe kommen.
Ein abgrundtiefes Haushaltsloch und extreme Polarisierung
L'Avenir denkt da schon einen Schritt weiter. Der Krieg im Gazastreifen darf nicht über ein simples Waffenstillstandsabkommen beendet werden. Wenn daraus ein dauerhafter Frieden werden soll, dann müssen auch vor Gericht die Rechnungen beglichen werden. Die Verantwortlichen auf beiden Seiten werden sich für ihre Taten verantworten müssen. Hier haben auch die westlichen Demokratien eine Rolle zu spielen.
L'Echo zieht eine Bilanz der Amtszeit des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden. Und die fällt, gelinde gesagt, durchwachsen aus. Ja, Biden hinterlässt eine robuste amerikanische Wirtschaft. Vor allem sein milliardenschweres Programm zur Senkung der Inflation hat Früchte getragen. Der Preis dafür war aber hoch. Das amerikanische Haushaltsloch ist nach wie vor abgrundtief. Und die amerikanische Mittelschicht hat nicht wirklich von alledem profitiert, was die demokratische Wahlniederlage erklärt. Viel schlimmer noch: Biden hat den Riss, der die amerikanische Gesellschaft durchzieht, nicht kitten können. Im Gegenteil: Bester Beweis ist allein die Tatsache, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen kann. Allein der Vergleich mit seinem Vorgänger und Nachfolger macht aus Joe Biden nicht automatisch einen großen Präsidenten.
"Justice has to be seen to be done"
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich seinerseits weiter mit den Nachwehen der Silvesterkrawalle, insbesondere in Brüssel und Antwerpen. Die politische Aufarbeitung der Ereignisse findet aktuell in den Fernsehstudios statt, doch im Grunde interessiert die Menschen nur eine Frage: Welche Strafe wird den Unruhestiftern auferlegt? Und diese Frage ist legitim. Weil viele Bürger das Gefühl haben, dass sie bei der kleinsten Übertretung zur Kasse gebeten werden. Schon wer auch nur zwei km/h zu schnell fährt, der muss blechen. Und die Krawallmacher? "Noch ein bisschen Geduld bitte", hört man in diesem Zusammenhang von der zuständigen Staatsanwaltschaft Brüssel.
Die Justiz hat also offensichtlich nach wie vor nichts verstanden. In Großbritannien gab es schon vor hundert Jahren ein geflügeltes Wort: "Justice has to be seen to be done". Auf Hochdeutsch: Gerechtigkeit muss nicht nur erfolgen, man muss auch sehen, wie sie erfolgt. Im Vereinigten Königreich war man also schon vor hundert Jahren weiter als hierzulande.
Roger Pint