Innenpolitisch richtet sich die Aufmerksamkeit zudem auf das soeben von der Regierung verabschiedete Budget 2011, sowie eine neue Umfrage über die Wahlabsichten der Flamen. Viele Zeitungen richten nach wie vor einen bangen Blick auf Japan und insbesondere die immer noch angespannte Lage im AKW Fukushima. Und schließlich ist ein Foto von PS-Chef Elio Di Rupo allgegenwärtig, das wohl Seltenheitswert hat.
"Warten auf den Westen" titelt heute De Standaard. Le Soir spricht auf Seite 1 von einem "Ultimatum gegen Colonel Gaddafi". Und De Morgen fasst dessen Reaktion darauf auf seiner Titelseite wie folgt zusammen: "Gaddafi provoziert".
Nachdem die UNO grünes Licht für eine eventuelle Militäraktion gegen Libyen gegeben hat, bereitet sich die Weltgemeinschaft unter Hochdruck auf eine Intervention vor. Allen voran Frankeich, Großbritannien und die USA haben eine deutliche Warnung an die Adresse von Tripolis ausgesprochen: Entweder die Kampfhandlungen werden augenblicklich gestoppt und die Gaddafi-treuen Truppen ziehen sich aus einigen Städten zurück, oder man setzt eben diese Forderungen mit Gewalt durch.
Ultimatum und angebliche Waffenruhe
Gaddafi selbst hat zwar vordergründig eine Waffenruhe ausgerufen, auf dem Terrain gehen die Gefechte aber unvermindert weiter, wie De Morgen hervorhebt. In ihrem Kommentar warnt denn auch La Libre Belgique davor, dem libyschen Machthaber in die Falle zu tappen. Über Nacht ist aus dem tollwütigen Kläffer ein Schoßhündchen geworden. Die angekündigte Waffenruhe ist aber wohl nichts anderes als ein Täuschungsmanöver. Die Weltgemeinschaft darf sich davon nicht beirren lassen.
Belgien bereit für einen "gerechten Krieg"
Ob es nun gleich zu einer Serie von Luftschlägen kommt oder nicht: In jedem Fall dürfte wohl eine Flugverbotszone über Libyen eingerichtet werden. Und spätestens in dieser Phase dürfte sich Belgien an der internationalen Mission beteiligen. Innerhalb der belgischen politischen Klasse herrscht darüber eine seltene Einmütigkeit.
La Libre Belgique titelt denn auch: "Belgien steht einstimmig hinter einer möglichen Intervention in Libyen". L'Avenir ist da schon konkreter: "Unsere F16 werden in Libyen erwartet". Und Het Belang van Limburg hebt in diesem Zusammenhang auf seiner Titelseite hervor, dass besagte Kampfflugzeuge einer in Limburg, genauer gesagt in Kleine Brogel, angesiedelten Einheit angehören.
Schon diese Schlagzeilen stehen in gewisser Weise stellvertretend für so eine Art Kriegsbegeisterung. Doch sind sich alle Leitartikler in wesentlichen einig: Man kann angesichts der Gräuel in Libyen nicht mehr länger tatenlos zusehen. "Besser spät als nie", fasst es etwa Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel zusammen. Die UNO-Resolution ist eine deutliche Warnung an die Adresse aller arabischen Potentaten. Zugleich ist es aber auch das Comeback der Vereinten Nationen auf der Weltbühne.
Es wurde auch langsam Zeit, meint auch Gazet van Antwerpen. Wir haben die Menschen im Stich gelassen, die wir noch vor zwei Wochen zu Helden der Demokratie verklärt hatten. Das ist nicht mehr und nicht weniger als unterlassene Hilfeleistung. Schon jetzt ist das eigentlich nicht mehr gutzumachen. Und dass Belgien bereit ist, sich an einer Militäraktion gegen Libyen zu beteiligen, ist absolut richtig.
Het Nieuwsblad sieht das genauso: Wenn ein verrückter Machthaber sein eigenes Volk abschlachtet, dann können wir nicht einfach wegschauen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es da keine Risiken gäbe. Die Frage ist nämlich: Wie sähe denn das Kriegsziel aus? Was wäre zum Beispiel., wenn die Rebellen in Libyen es nicht schaffen, Gaddafi mit eigenen Mitteln zu vertreiben? Machen wir uns nichts weis: Wir lassen uns da auf einen Krieg ein. Aber es ist ein gerechter Krieg.
Scheinheiligkeit und Kakophonie
Nur wäre das alles vielleicht vermeidbar gewesen, meinen übereinstimmend Het Laatste Nieuws und L'Avenir. War es nicht der Westen, der den jetzt für verrückt erklärten Gaddafi über Jahre hinweg hofiert und mit ihm Geschäfte gemacht hat? Hinter einer Diktatur verbirgt sich meist noch eine andere, meint etwas L'Avenir, die Diktatur des Geldes, die demokratische Länder dazu bringt, totalitäre Regime direkt oder indirekt zu stützen.
Die Empörung kommt ein bisschen spät, kritisiert auch Het Laatste Nieuws und zielt damit insbesondere auf Ex-Premier Guy Verhofstadt. Verhofstadt hatte im EU-Parlament eine bemerkenswerte Brandrede gegen Gaddafi gehalten. 2004 war es aber eben dieser Verhofstadt, der Gaddafi in Brüssel freudig die Hand schüttelte. Jetzt gegen Gaddafi vorzugehen ist richtig. Man sollte nur zugleich die Lehren aus der Vergangenheit ziehen.
Le Soir und L'Echo bedauern ihrerseits die wieder einmal vorherrschende diplomatische Kakophonie. Europa gibt mal wieder ein jämmerliches Bild ab, sind sich beide Blätter einig. Während Paris nicht schnell genug in Nordafrika intervenieren konnte, hat sich Berlin im UN-Sicherheitsrat sogar enthalten. Von einer europäischen Diplomatie kann also nach wie vor keine Rede sein, analysiert L'Echo. Le Soir fügt verbittert hinzu: Die EU ist dazu verdammt, sich um die Drecksarbeit zu kümmern; die große Politik findet anderswo statt.
Regierung schnürt Haushalt 2011
In der Zwischenzeit hat die geschäftsführende Regierung den Haushalt 2011 nun definitiv geschnürt. Es bleibt dabei: In diesem Jahr soll sich das Haushaltsdefizit auf 3,6 Prozent belaufen. Ein deutlich besseres Ergebnis als erhofft. Unter den verschiedenen beschlossenen Maßnahmen hebt Le Soir vor allem eine hervor: Alle Pensionen sollen um 1,25 Prozent aufgewertet werden, die Mindestrenten sogar um zwei Prozent.
Het Laatste Nieuws stellt auf seiner Titelseite eine andere Maßnahme heraus: Die Regierung will die Entwicklung der Energiepreise reglementieren. Grob zusammengefasst: Strom- und Gasanbieter dürfen demnach ihre Preise in Zukunft nicht mehr monatlich sondern nur noch viermal pro Jahr anpassen.
A propos Geld: Das Wirtschaftsblatt L'Echo weiß heute auf seiner Titelseite zu berichten, dass sich der belgische Bankensektor offenbar blendend erholt hat: Die vier großen in Belgien aktiven Geldhäuser haben zusammen einen Gewinn von 5,5 Milliarden Euro eingefahren.
N-VA weiter vorn
De Standaard veröffentlicht heute derweil die Ergebnisse einer neuen Umfrage über die Wahlabsichten in Flandern. Demnach würden die flämischen Nationalisten N-VA ihr Ergebnis im Verglich zur letzten Wahl weiter verbessern. Kommentierend meint das Blatt dazu: Die guten Umfrageergebnisse dürften wohl nicht dazu beitragen, die Kompromissbereitschaft der N-VA den Frankophonen gegenüber zu steigern. Neuwahlen sind ebenso wenig eine Option wie eine Regierung ohne die N-VA. Letzteres wäre für die anderen Parteien politischer Selbstmord. Das einzige Risiko für die N-VA ist eine ewig währende Regierung Leterme. Und diese Gefahr sollte die N-VA jetzt dazu bringen, sich für eine der anderen Optionen zu entscheiden.
"Pack' die Badehose ein …"
Auf den Titelseiten von La Dernière Heure und Het Laatste Nieuws, aber auch im Innenteil vieler andere Blätter, ist schließlich ein bemerkenswertes Foto von Elio Di Rupo anzutreffen. Das zeigt den PS-Chef in einer knappen Badehose. Anlass war die Eröffnung eines Schwimmbades in seiner Heimatstadt Mons. Selbstredend: Die obligatorische Fliege hat Di Rupo abgelegt - und die Badehose ist natürlich rot.
Bild: Benoit Doppagne (belga)