"Regierungsbildung: Rechte FPÖ in Österreich kurz vor dem Kanzleramt", titelt das GrenzEcho. "Österreich: Herbert Kickl, der Chef der Rechtsextremen, hält die Karten in der Hand", schreibt Le Soir. "Mit der Macht in Österreich in Griffweite schlägt die extreme Rechte in Europa immer tiefere Wurzeln", so L'Echo auf Seite eins.
Schon 2024 war für Europa mit seiner nie dagewesenen populistischen Welle ein brutaler Weckruf, erinnert L'Avenir in seinem Leitartikel. Seit diesem Wochenende zeigt nun Österreich, dass sich dieser alarmierende Trend fortsetzt. Falls die Regierungsverhandlungen zum Erfolg führen sollten, wäre es das erste Mal seit 1945, dass ein Vertreter einer von Altnazis gegründeten Partei das wichtigste Amt Österreichs bekleiden würde.
Das kann auch erhebliche Folgen für den Rest Europas haben: Die Bildung eines russlandfreundlichen populistischen und europaskeptischen Blocks wäre ein wahrer Segen für Wladimir Putin und seine Pläne, uns zu spalten. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf eine mögliche Erweiterung der Europäischen Union. Unsere politischen Führer sollten diese Entwicklungen als unmissverständliche Warnung nehmen, was passiert, wenn sich die demokratischen Parteien nicht um ein gemeinsames Zukunftsprojekt scharen. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, wird uns die populistische Welle wegspülen. Und dass hinterher niemand behauptet, nicht gewarnt worden zu sein, wettert L'Avenir.
Die extreme Rechte kann nie eine Lösung sein
Nach Ungarn und Italien machen sich die Rechtsextremen nun also auch in Österreich auf, die Macht zu ergreifen, fasst L'Echo zusammen. Und machen wir uns nichts vor, auch andernorts in Europa ist die Lage nicht viel erfreulicher: In den Niederlanden, in Finnland und in der Slowakei regieren die Rechtsextremen schon mit. Und in den beiden Motoren des europäischen Projekts, in Deutschland und Frankreich, werden AfD und RN zu einem immer größeren Problem.
Diese Entwicklung darf vor allem nicht banalisiert oder heruntergespielt werden: Die rechtsextremen Parteien sind eine Gefahr für unsere Demokratien. Es wäre ein großer Fehler, das nicht deutlich auszusprechen. So wie es auch ein großer Fehler wäre, die Wähler dieser Parteien auszuschließen und an den Pranger zu stellen. Stattdessen muss die Politik verstehen, was diese Menschen bewegt und antreibt. Und sie muss auch den Mut haben, den Extremisten auf ihren Lieblings-Schlachtfeldern entgegenzutreten, man darf diesen Parteien nicht einfach kampflos das Monopol über bestimmte Themen überlassen. Die extreme Rechte ist keine Lösung und kann es auch nie sein. Deswegen muss sie auch bekämpft werden, fordert L'Echo.
Im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Rechtsextremen beschäftigt sich La Dernière Heure mit Elon Musk: Träumt der Tech-Milliardär schon davon, sich zum Herrn der ganzen Welt aufzuschwingen? Gestern hat er wieder Tweets und Millionen Dollar an ihm genehme Kandidaten verteilt. Und trotz aller Einmischung und Manipulation, die wir schon von Musk gesehen haben, stehen wir wohl erst am Anfang. Die Frage, die wir uns stellen sollten, sollte nicht sein, wie weit Musk gehen könnte. Die Frage sollte sein, was wir ihn noch alles machen lassen wollen, empört sich La Dernière Heure.
Ein zynisches Pokerspiel
Andere Zeitungen befassen sich mit den föderalen Regierungsverhandlungen: Wenn wir uns nicht verzählt haben, wird der König die Mission von Bart De Wever als Regierungsbildner heute zum 17. Mal verlängern, kommentiert Het Nieuwsblad. Zynismus hilft natürlich nicht, aber man kann sich schon fragen, ob der Formateur sich einen Platz im Guiness-Buch der Rekorde sichern will. Es werde nun wirklich verhandelt, heißt es. Was ist denn dann in den ganzen letzten Monaten passiert? Offensichtlich muss das Pokerspiel bis zum bitteren Ende getrieben werden, damit sich die Verantwortlichen maximal profilieren können, so lange, bis wirklich keine Karten mehr übrig sind. Bei dem Zustand, in dem sich das Land befindet, ist das an Zynismus kaum noch zu überbieten, ärgert sich Het Nieuwsblad.
Het Belang van Limburg greift den Vorstoß des MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez auf, dass die Präsidenten der fünf Arizona-Parteien der neuen Föderalregierung angehören müssten, um eine stabile und schlagkräftige Regierung zu garantieren. Dabei war MR-Boss Bouchez doch der größte Störenfried in der Vivaldi-Regierung. Und er war es auch, der die geplante Steuerreform torpediert hat. Aber abgesehen davon hat er mit seinem Vorschlag Recht: Angesichts der historischen Einsparungen und Reformen, die uns bevorstehen, brauchen wir eine Politik mit möglichst breiter Rückendeckung. Und die gibt es nur, wenn die Parteischwergewichte auch Verantwortung übernehmen, glaubt Het Belang van Limburg.
Zehn Jahre nach "Charlie Hebdo"
Ein weiteres wichtiges Thema ist dann das Gedenken an den islamistischen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", bei dem Terroristen vor genau zehn Jahren in Paris zwölf Menschen ermordet hatten: 2015 war die Welt erschüttert, Millionen Menschen gingen auf die Straße für Meinungsfreiheit, hält De Standaard fest. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass der Anschlag wirklich ein neues Zeitalter eingeläutet hat, aber leider nicht so, wie sich das damals viele erhofft hatten.
Terror und Radikalisierung sind weiter ein Problem. Viel schlimmer ist aber, dass Angriffe auf Presse und Medien mittlerweile für viele fest zum politischen Programm gehören. Viele Zeitungen haben Karikaturen ganz gestrichen, andere zensieren unliebsame oder potenziell kontroverse Zeichnungen. Widerborstige Medien werden aufgekauft, geschlossen oder durch Reformen unschädlich gemacht. Wer wirklich nicht spuren will, wird vor Gericht gezerrt, verklagt oder darf nicht mehr arbeiten. Siehe Russland, siehe China, siehe immer mehr europäische Länder, siehe Trumps Versprechen. Das Zeitalter, in dem es normal war, eine freie Presse zu verteidigen, ist definitiv vorbei, beklagt De Standaard.
Boris Schmidt