"Der amerikanische Ex-Präsident Jimmy Carter ist tot", schreibt nüchtern Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Der Präsident und Friedensnobelpreisträger wurde 100 Jahr alt", präzisiert L'Avenir. Le Soir nennt ihn den "Mann, der die Demokratie reparieren wollte". Für De Standaard war Jimmy Carter – im Nachhinein betrachtet – "seiner Zeit voraus".
Einige Zeitungen haben es noch geschafft, Jimmy Carter auf ihre Titelseite zu heben. Gestern Abend war bekannt geworden, dass der frühere US-Präsident gestorben ist. Er amtierte von 1977 bis 1981.
Einige Zeitungen blicken auch geschockt auf Südkorea. "Flugzeugunglück erschüttert Südkorea", schreibt das GrenzEcho. "Nur zwei der 181 Insassen überleben den Crash", titelt Het Laatste Nieuws. "Und über die Ursache kann man nur spekulieren", notiert Het Nieuwsblad. Es ist der zweite Flugzeug-Crash innerhalb von nur wenigen Tagen. La Dernière Heure spricht denn auch von einem "Schwarzen Dezember für die Luftfahrt", aber, so fügt die Zeitung hinzu: "Das Flugzeug bleibt das sicherste Verkehrsmittel".
Eine neue Regierung Ende Januar?
Innenpolitisch geht es weiter um die föderalen Koalitionsverhandlungen. "Bart De Wever will das Tempo beschleunigen", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Bart De Wever peilt eine neue Föderalregierung für Ende Januar an", schreibt Gazet van Antwerpen. Het Nieuwsblad ist deutlicher: "Ende Januar muss die Regierung stehen".
Diesmal scheint der Regierungsbildner es ernst zu meinen. Das Ziel, das er da ausgibt, ist offensichtlich buchstäblich eine "Deadline". Anders gesagt: Wenn die Regierung Ende Januar nicht endlich steht, dann war's das mit Arizona.
"Es wird auch langsam Zeit", meint sinngemäß La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. In den letzten Wochen sind die föderalen Koalitionsverhandlungen immer mehr zu einem absurden Theater verkommen: Arizona drehte sich im Kreis, ohne auch nur den geringsten Fortschritt zu erzielen. Wie ein Metronom, das in sturer Präzision von links nach rechts und von rechts nach links geht, schieben sich die Parteien den Schwarzen Peter zu. Das gilt in erster Linie für Conner Rousseau und Georges-Louis Bouchez, die Vorsitzenden von Vooruit beziehungsweise der MR, die sich gegenseitig die Schuld an der Blockade geben. Das eigentlich Schlimme ist: In der Zwischenzeit scheint dem politischen Personal jegliches Gefühl der Dringlichkeit abhandengekommen zu sein. Denn die Zeit drängt mit jedem Tag etwas mehr. Die EU-Kommission und auch die Finanzmärkte werden die Schonfrist für Belgien nicht mehr lange hinausziehen.
Missratenes Weihnachtsessen im Kreise einer gescheiterten Familie
Auch La Dernière Heure hat nur noch Kopfschütteln übrig. Nach mehr als 200 Tagen endlosen Palavers wirkt das Ganze inzwischen wie ein missratenes Weihnachtsessen im Kreise einer gescheiterten Familie. Irgendwann kriegen sich Onkel Georges-Louis und Onkel Vincent in die Haare, während Conner ungeduldig auf seinem Instagram-Account herumdaddelt; später zwischen Hauptgang und Dessert kippt die Stimmung dann endgültig, weil irgendjemand das Wort "Supernote" in den Mund genommen hat. Keine Ahnung, ob der Dreikönigstag die Erleuchtung bringen wird. Man sagt uns, dass Eile geboten ist, dass die Rating-Agenturen das Land schon ins Fadenkreuz nehmen. Frage ist, ob das die Bürger dieses Landes überhaupt noch interessiert.
Stillstand in der Rue de la Loi und niemanden stört es, kann auch Gazet van Antwerpen nur feststellen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass keiner wirklich Lust hat auf die schmerzhaften Einschnitte und Reformen, die uns zweifelsohne bevorstehen. Oder man denkt sich, dass das alles gar nicht so schlimm ist, gemessen an dem, was sonst so in der Welt passiert: Frankreich hatte in diesem Jahr bereits vier Premierminister, Südkorea drei Präsidenten. In den Niederlanden hat der Rechtsextremist Geert Wilders die Wahl gewonnen. Die Deutschen haben genug von Kanzler Olaf Scholz, die Kanadier von Justin Trudeau. Die Amerikaner setzten dem Ganzen mit der Wahl von Donald Trump die Krone auf. 2024 war im Grunde ein einziger Mittelfinger an die Adresse der Politik. Es fällt doch schwer, mit Zuversicht auf das kommende Jahr zu blicken.
Demokratie droht betrügerischer Bankrott
Dies erst recht, wenn Leute wie Elon Musk noch mehr Einfluss erlangen, hakt Het Nieuwsblad ein. Der amerikanische Tech-Milliardär hat dieselbe Strategie wie der russische Präsident Putin: Die Menschen aufwiegeln, wo man nur kann, und Zwiespalt sähen, wo es nur geht. Elon Musk unterstützt inzwischen unverhohlen Rechtsextremisten in ganz Europa, zuletzt die AfD in Deutschland. Gestern veröffentlichte die Zeitung Welt am Sonntag sogar einen Gastkommentar, in dem Musk eine Wahlempfehlung für die AfD aussprach. Putin verfolgt lediglich das Ziel, den Westen zu schwächen. Musk gehört seinerseits zu den immer zahlreicher werdenden Superreichen, die die Demokratie als störend empfinden.
Hier kann man längst einen roten Faden erkennen, ist auch Le Soir überzeugt. Leute wie Elon Musk, und in dessen Fahrwasser Donald Trump, träumen von einer Welt, in der Nachrichten und Informationen keinerlei Regulierung mehr unterworfen sind. Auf diese Weise kann man genüsslich seine toxische Propaganda verbreiten, gespickt mit den tollsten Fake News. Ziel ist es, jegliche Gegenmacht auszuschalten. Und das alles im Namen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, dessen Geist regelrecht vergewaltigt und dessen Grenzen bis zum ekelhaften Exzess überdehnt werden. Europa wirkt da so ein bisschen wie das letzte noch verbleibende Widerstandsnest. Amerika zeigt: Die Demokratie wird am Ende nicht einem Staatsstreich zu Opfer fallen, sondern einer schleichenden Normverschiebung. Unter Trump droht der Demokratie ein betrügerischer Bankrott.
Roger Pint