"Wir wünschen Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest", schreiben Het Laatste Nieuws und Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Frohe Weihnachten", wünscht auch das GrenzEcho. Ansonsten geht es in diesem Jahr auf den Titelseiten aber nicht besonders weihnachtlich zu. Einige Titelstorys passen aber doch in die Jahreszeit: "Noch nie gab es so viele Endjahres-Schnäppchen", so etwa die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Vor allem für Delikatessen gibt es in diesem Jahr in vielen Supermärkten attraktive Rabattaktionen. Die Daten lieferte ein Preisvergleichs-Portal.
Insgesamt kann man feststellen, dass das Weihnachtsfest wohl wärmer werden dürfte als sonst, glaubt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Als Indikator mögen dafür die Verkaufszahlen von Aperitif-Häppchen und "Amuse-Gueules" dienen. Die gehen in diesem Jahr weg wie warme Semmeln, was darauf hindeuten mag, dass wir Weihnachten in diesem Jahr besonders gesellig verbringen wollen, möglichst im Kreis der Familie und/oder Freunden. Grund dafür dürfte wohl die unruhige Weltlage sein: wachsende Kriegsgefahr, der Vormarsch extremistischer Parteien, die baldige Amtsübernahme von Donald Trump. Nicht zu vergessen, dass Belgien auch nach wie vor keine neue Regierung hat. All das sorgt dafür, dass sich viele Zeitgenossen nach menschlicher Wärme sehnen. Das ist mehr als nur ein Klischee: In bedrohlichen Zeiten rücken wir zusammen.
"Si vis pacem, para bellum"
Eins ist sicher: Die Angst in Europa nimmt zu, ist auch Het Belang van Limburg überzeugt. Inwieweit diese Angst berechtigt ist, ist im Augenblick schwer zu sagen. Aber sie ist eben da. Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte warnte unlängst noch, dass wir nicht vorbereitet sind auf die Kriegsgefahr. "Si vis pacem, para bellum", sagt schon der Lateiner: Wer den Frieden will, der muss sich auf Krieg vorbereiten. Also: Kein Frieden ohne Waffen. "Nie wieder Krieg" - dieser große europäische Traum ist nicht über Nacht verschwunden. Nur wissen wir gerade nicht mehr, wie wir ihn verwirklichen sollen. Weihnachten ist jetzt der ideale Moment, um nochmal ungeniert Pazifist zu sein und mal ganz kurz davon zu träumen, dass Diplomatie und Dialog alle Probleme lösen können.
La Dernière Heure sieht das ähnlich. Es gibt weiß Gott sehr viele Gründe, um ängstlich in die Zukunft zu blicken. Und man darf das nicht leugnen, auf die Gefahr hin, dass man den Zustand der Welt schlichtweg überschätzt. In diesen Zeiten der Unsicherheit ist es denn auch wichtiger denn je, zu Weihnachten buchstäblich die Gunst der Stunde zu nutzen, um zumindest für kurze Zeit Wärme und innere Ruhe zu finden.
Ein sehr böses Omen
Das hätte auch die föderale Politik bitter nötig, meint sinngemäß Het Laatste Nieuws. Gerade in den letzten Tagen sind die Gemüter bei den Koalitionsverhandlungen noch einmal richtig hochgekocht. MR-Chef Georges-Louis Bouchez soll erst den CD&V-Politiker Vincent Van Peteghem und danach auch den Chef der flämischen Christdemokraten, Sammy Mahdi, wüst beschimpft haben. Bouchez' Sprecher übte danach auch harsche Kritik an allen flämischen Politikern und Kommentatoren, weil die den MR-Chef wohl alle falsch verstanden hätten. "Kritik unerwünscht", könnte man also sagen. Doch während die Politiker mit dem beschuldigenden Finger auf die jeweils anderen zeigen, müssen die Belgier schlicht und einfach arbeiten, pflegen oder einfach nur überleben. Wir haben echt besseres verdient!
Gazet van Antwerpen sieht das ähnlich. Georges-Louis Bouchez hat dafür gesorgt, dass insbesondere bei den flämischen Unterhändlern die Haare noch ein bisschen grauer geworden sind. "Du wirst nie mehr Finanzminister!", polterte Bouchez in Richtung des CD&V-Politikers Vincent Van Peteghem. Und danach kam Conner Rousseau an die Reihe: "Du sollst ein Diplom in Steuerrecht haben? War das in einem Überraschungsei?" Zugegeben: Der war echt gut gefunden, aber geht man so mit künftigen Koalitionspartnern um? Regierungsbildner Bart De Wever hat jedenfalls nach einem Medienbericht die Nase voll. "Der Posten des Premiers, der ist nichts für mich!", soll er einem Journalisten gegenüber gesagt haben. In der Tat: Inzwischen wirkt das ganze Theater wie ein sehr böses Omen, nach dem Motto: Wenn diese Arizona-Koalition am Ende doch zustande kommt, was für ein trauriges Schauspiel müssen wir dann erwarten? Eine Soap Opera gespickt mit Niederträchtigkeiten, Intrigen und Gejammer. Ehrlich gesagt: Das ist ein Schreckensszenario.
Den "belgischen Kompromiss" wiederbeleben
Wir sollten aber Weihnachten erstmal als eine "heilsame Pause" sehen, empfiehlt La Libre Belgique. Ganz gleich, woran wir glauben oder welcher Religion wir angehören: Zu Weihnachten wird die Zeit für einen kurzen Moment lang angehalten, kommt das Leben "mal eben" zur Ruhe. Wir sollten diesen Augenblick nutzen, um uns darauf zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Und eben das sollten auch unsere Politiker beherzigen. Wie wäre es mit einem Weihnachtsfrieden? Und bei der Gelegenheit könnte man dann auch den viel gerühmten "belgischen Kompromiss" wiederbeleben, der doch so lange eine der großen Stärken dieses Landes war. Sich auf das Wesentliche zurückbesinnen, das ist der wahre weihnachtliche Geist.
Roger Pint