"Kriminalität: Auto fährt in Magdeburg in eine Menschenmenge", titelt das GrenzEcho. "Deutschland: Tödliches 'Attentat' auf einen Weihnachtsmarkt", schreibt Le Soir. "Terroranschlag auf Weihnachtsmarkt in Deutschland", liest man bei Gazet van Antwerpen. "Zwei Tote und 68 Verletzte auf Weihnachtsmarkt", so die furchtbare Bilanz von Het Laatste Nieuws. "Horror auf dem Weihnachtsmarkt: Ein Saudi rast in die Menge, Dutzende Verletzte und Tote in Deutschland zu beklagen", fasst La Dernière Heure zusammen.
Während die Titelseiten der Zeitungen also versuchen, Klarheit in das zu bringen, was sich gestern Abend in Magdeburg abgespielt hat, beschäftigen sich die Leitartikel mit ganz anderen Themen. De Standaard beispielsweise greift das Urteil eines Brüsseler Gerichts auf, dass der belgische Staat eine Mitschuld trägt an der Vergewaltigung und Ermordung von Julie Van Espen im Jahr 2019: Die wegweisende Entscheidung des Gerichts unterstreicht, dass der Staat bei der Justiz gespart hat und deswegen nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht, um die Aufgaben zu erfüllen.
Wer schwere Fehler macht, muss sich auch verantworten. In diesem Sinne müssen die Verantwortlichen in Justiz und Politik nun demütig das Haupt beugen, ihre Schuld einsehen und sich entschuldigen. Das wird Julie Van Espen natürlich nicht zurückbringen. Aber wie schon im Fall Dutroux schulden wir auch jetzt den Angehörigen Respekt und Dankbarkeit. Denn sie helfen dabei, Systemfehler ans Tageslicht zu bringen und die Justiz hoffentlich zu verbessern, so sinngemäß De Standaard.
Die Kinder besser schützen
In Flandern ist dann die Ausweitung des Smartphone-Verbots ein großes Thema. Nach Grundschulen soll es ab dem Schuljahr 2025/2026 nun auch an Sekundarschulen gelten: Es wird also bald deutlich angenehmer auf flämischen Pausenhöfen, freut sich Het Nieuwsblad. Es ist eine mutige und richtige Entscheidung. Und es ist eine Entscheidung, die keinen Tag zu früh kommt. Entgegen allen vollmundigen Versprechen haben Smartphones die Welt für unsere Kinder nämlich nicht besser gemacht, stattdessen haben die Tech-Konzerne sie zu Abhängigen gemacht und haben ihre Gehirne abstumpfen lassen. Vielleicht hat ja das x-te schlechte Abschneiden in internationalen Unterrichtsvergleichen am Ende den Ausschlag gegeben. Aber egal wie, endlich schließt sich Flandern dem internationalen Trend zum Schutz unserer Kinder an, lobt Het Nieuwsblad.
In der Wallonie, in den Niederlanden, in Norwegen, Italien und anderen Ländern gibt es so ein Smartphone-Verbot schon, hebt Gazet van Antwerpen hervor. Und wo die Auswirkungen dieser Maßnahme schon evaluiert worden sind, sind die Ergebnisse positiv. Natürlich kann so ein Verbot nicht alle Probleme des Unterrichtswesens lösen. Aber es ist eine einfache und zielführende Methode. Wissenschaftliche Studien haben belegt, wie negativ der Einfluss von Smartphones sein kann, welche Schäden sie anrichten und wie häufig sie missbraucht werden, um anderen wehzutun.
Vor allem sollte man das Verbot auch nicht überdramatisieren: Die Kinder und Jugendlichen haben außerhalb der Schule noch immer haufenweise Zeit, um sich mit dem Smartphone zu beschäftigen. Und auch Eltern müssen sich keine Sorgen machen: In der Schule ist ihr Nachwuchs sicher und über das Sekretariat auch immer erreichbar. Vielleicht lernen Kinder sogar einen besseren Umgang mit der Technik, wenn sie sehen, dass sie während der Schulstunden ohne sie auskommen, hofft Gazet van Antwerpen.
Jede Möglichkeit, die Qualität des Unterrichtswesens zu verbessern, sollte genutzt werden, meint Het Belang van Limburg. Es kann ja nur helfen, wenn die Kinder weniger abgelenkt werden. Wie soll man Unterrichtsministerin Demir Unrecht geben, wenn sie das als gesunden Menschenverstand bezeichnet? Außerdem müssen Teenager auch lernen, mit so etwas umzugehen. Vielleicht werden wir eines Tages erstaunt zurückblicken auf eine Zeit, in der Smartphones im Klassenzimmer bei Heranwachsenden nicht als Problem betrachtet wurden, sinniert Het Belang van Limburg.
Wo sind die Erwachsenen?
Die frankophonen Zeitungen konzentrieren sich auf die absolut festgefahrenen Regierungsverhandlungen in der Region Brüssel-Hauptstadt: Fast 200 Tage nach den Regionalwahlen liegt noch immer nichts auf dem Tisch, wettert La Libre Belgique. Schlimmer noch, Frankophone und Flamen haben noch nicht mal gemeinsam am gleichen Tisch gesessen. So etwas ist unerhört, nicht hinnehmbar, um nicht zu sagen absurd!
Statt über wichtige regionale Probleme zu verhandeln wie Mobilität, Wohnen und die dringenden sozio-ökonomischen und haushaltstechnischen Probleme, vertreiben sich die politisch Verantwortlichen die Zeit mit einem jämmerlichen Spektakel: persönliche Angriffe, Pokern, unverantwortliche Ausschlusskriterien, haltlose Anschuldigungen und unzählige gegenseitige Erniedrigungen und schäbige Bemerkungen. Der Region mangelt es eindeutig an Politikern, die sich auf der Höhe der Herausforderungen zeigen, und die bereit sind, die Interessen der Bürger über die der eigenen Partei zu stellen, so das gnadenlose Urteil von La Libre Belgique.
Es ist doch unübersehbar, dass das finanziell ausgeblutete Brüssel mit all seinen drängenden Problemen schnell eine entscheidungsfähige Regierung braucht, prangert La Dernière Heure an. Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt. Ja, es stimmt, dass die Parameter in Brüssel besonders komplex sind. Aber das größte Problem sind die ständigen ideologischen und parteipolitischen Vetos von allen Seiten. Gibt es in Brüssel noch Männer und Frauen, die es schaffen, das hinter sich zu lassen?, fragt La Dernière Heure.
Auch Le Soir fühlt sich angesichts des Verhaltens vieler Politiker offenbar an einen Kindergarten erinnert und fragt sich, ob eigentlich noch irgendwelche Erwachsenen anwesend sind bei den Verhandlungen. Es ist richtig, dass das Brüsseler Modell überarbeitet werden muss, das haben wir in der Vergangenheit schon gesagt und das sehen auch viele Experten so. Aber die politisch Verantwortlichen machen es sich viel zu einfach, sämtliche Schuld auf Strukturen abzuwälzen, die bisher trotzdem funktioniert haben. Wenn sie nicht das Steuer ergreifen, dann nehmen sie das selbstmörderische Risiko in Kauf, dass jemand anders das Schicksal der Region und ihrer Bürger in die Hand nehmen wird. Wenn dieser Tag kommt, dann brauchen diese Zauberlehrlinge nicht weinend anzukommen, giftet Le Soir.
Sprach-Posse
Das GrenzEcho greift im Kontext einer Debatte um den offiziellen Sprachengebrauch einen Zwischenfall in einem Zug der SNCB auf. Ein Zugbegleiter hatte kurz vor der Ankunft am Bahnhof der flämischen Kommune Vilvoorde nicht nur auf Niederländisch, sondern auch auf Französisch begrüßt. Gegen die SNCB wurde daraufhin geklagt, weil die Gesetzgebung vorsieht, dass in den Zügen nur die Sprache des jeweiligen Sprachgebiets gilt, zum Beispiel bei Ansagen. Damit war die lächerliche Farce aber noch nicht vorbei: In der Kammer kam es deswegen sogar zu einem gemeinschaftspolitischen Schlagabtausch.
Die Posse macht deutlich, dass uns Grundsätze wie das Territorialitätsprinzip allein nicht immer weiter bringen. Es braucht nun mal den gesunden Menschenverstand, auch wenn der in solch aufgeheizten Diskussionen auf der Strecke bleibt, bedauert das GrenzEcho.
Boris Schmidt