"Regierungsbildner Bart De Wever muss auf ein Weihnachtswunder hoffen", titelt De Tijd. "Bart De Wever bleibt Regierungsbildner, aber wenig Hoffnung auf baldige Regierung", notiert Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Bart De Wever wird sein Vorgehen ändern", meldet L'Echo auf seiner Titelseite.
König Philippe hat gestern dem Regierungsbildner Bart De Wever zehn weitere Tage eingeräumt, um eine Föderalregierung zu bilden. Dazu kommentiert La Dernière Heure: Es scheint weiter kompliziert zu sein, eine Regierung aus N-VA, MR, Vooruit, Les Engagés und CD&V zu schmieden. So ganz zu verstehen ist das nicht. Denn die Bürger und Unternehmen erwarten von diesen Parteien keine Wunder. Sie wollen nur, dass die Parteien das ziemlich klare Ergebnis der Wahlen vom 9. Juni umsetzen. Wird das jetzt bis zum 20. Dezember klappen, dem nächsten Termin, den De Wever beim König hat? Die Verhandlungsführer geben sich optimistisch. Zweifel bleiben berechtigt, findet La Dernière Heure.
Krise von außen nötig?
De Tijd urteilt: Diese Trägheit bei der Umsetzung des Wählerwillens wirft kein gutes Licht auf das, was man von der künftigen Regierung erwarten kann. Die Wähler wollten eine handlungsfähige Regierung, die die Dinge tatkräftig anpackt. Eine solche Dynamik ist bislang Fehlanzeige bei den Verhandlungen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Krisen, die von außen kamen, plötzlich für so eine Dynamik gesorgt haben. Die Regierung Di Rupo kam zustande, weil sich die Finanzmärkte gegen Belgien gestellt hatten. Bei der Regierung De Croo war es die Corona-Krise, die eine handlungsfähige Regierung forderte. Er wäre zynisch, wenn jetzt wieder eine Krise von außen nötig wäre, um Arizona endlich aus der Taufe zu heben, bemerkt De Tijd.
Het Nieuwsblad analysiert: Es hat viel mit der fehlenden Erfahrung der Unterhändler zu tun, dass es nicht schneller geht. Einerseits hat De Wever zu wenig Erfahrung auf dem höchsten politischen Niveau, um so die Verhandlungen leiten zu können, wie es sein müsste. Nämlich mit viel Geschick, Fingerspitzengefühl und dem Prinzip "Geben und Nehmen". Auf der anderen Seite sind die Parteichefs der anderen Partner alle ziemlich jung. Sie haben noch zu wenig Erfahrung beim Mechanismus des "Belgischen Kompromisses", die man bei solchen Verhandlungen aber braucht. Politik erweist sich damit als ein wahrer Beruf, den man erst lernen muss. Vor allem wenn es um so wichtige Reformen geht, die jetzt dringend notwendig sind, betont Het Nieuwsblad.
Reynders' Schweigen ist schädlich
L'Echo fragt sich: Ist Bart De Wever wirklich dazu fähig, ein guter Premier zu sein? Zweifel sind erlaubt mit Blick auf die Art, wie er die Verhandlungen führt. Da vermittelt er den Eindruck, dass er noch zu sehr an seinen persönlichen Interessen und denen seiner Partei festhält. Als Staatsmann muss man aber über den Dingen stehen. Als Chef einer regional-nationalistischen Partei hat De Wever viel erreicht. Ob er auch das Zeug zu mehr hat, muss sich erst noch zeigen, behauptet L'Echo.
Le Soir beschäftigt sich mit den Vorwürfen der Geldwäsche, die gegen Didier Reynders erhoben werden: Reynders, nur um das nochmal klarzustellen, gilt weiterhin als unschuldig. Seine Verteidigungsstrategie angesichts der Vorwürfe ist seine Sache. Wenn er schweigen will, was er bislang tut, ist das sein Recht. Aber spätestens seitdem gestern neue Fakten von der Nationallotterie, über die Reynders sein Geld gewaschen haben soll, veröffentlicht worden sind, wird sein Schweigen schädlich. Nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Politikerklasse und das Vertrauen, das die Bürger in Politiker haben. Der ehemalige EU-Kommissar und Föderalminister sollte endlich sprechen. Sein Schweigen wird unerträglich, ärgert sich Le Soir.
Justiz und Gesundheit – Pfeiler der Gesellschaft
La Libre Belgique berichtet: Die Brüsseler Staatsanwaltschaft hat de facto entschieden, aus Mangel an Mitarbeitern Fälle von Steuerbetrug von unter 10.000 Euro nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen. Diese Entscheidung ist unhaltbar. Der Staat muss dafür sorgen, dass das Justizwesen richtig funktioniert. Wenn das nicht der Fall ist, werden die Bürger zu Selbstjustiz verleitet. Und so etwas darf nicht passieren. Ein funktionierendes Rechtssystem ist ein Grundpfeiler des harmonischen Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Durch die Entscheidung in Brüssel wird das gefährdet, schimpft La Libre Belgique.
L'Avenir notiert zum Thema Gesundheitswesen: 70 Prozent der frankophonen Belgier finden immer noch, dass das belgische Gesundheitssystem exzellent sei. Zwar waren es früher mehr Menschen, die das fanden, trotzdem ist das ein gutes Zeugnis. Für unsere Politiker sollte das ein Ansporn sein. Zurzeit wird bei den Verhandlungen zu einer Föderalregierung ja auch über Einschnitte im Gesundheitswesen gesprochen. Dabei sollten die Politiker bedenken, dass sich ein Gesundheitswesen nicht nur auf Zahlen reduzieren lässt, sondern ein wichtiger Baustein für die Zufriedenheit der Bürger ist, mahnt L'Avenir.
Kay Wagner