"Assad ist aus Syrien geflohen: der Sturz des 'Schlächters von Damaskus'", titelt La Dernière Heure. "Nach Moskau geflüchtet: der Diktator, der noch erbarmungsloser war als sein Vater", schreibt Gazet van Antwerpen. "Die Syrer sind endlich von Assad befreit", jubelt L'Avenir. "Machtwechsel in Damaskus - Rebellen erobern die Hauptstadt", liest man beim GrenzEcho. "Euphorie nach dem Sturz Assads – Rebellen fegen syrisches Regime mit Blitzoffensive weg", hält Het Laatste Nieuws fest. "Der Fall des Assad-Regimes, und danach?", fragt La Libre Belgique.
Was jetzt in Syrien passiert ist, ist eine der zahlreichen regionalen Folgen des Hamas-Angriffs auf Israel, analysiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Durch seine Angriffe auf die Hisbollah im Libanon und die pausenlose Bombardierung von Hisbollah- und iranischen Zielen in Syrien hatte Israel die Verbündeten Assads stark geschwächt. Was den anderen Bündnispartner des syrischen Diktators, Russland, betrifft, so muss Putin seit drei Jahren quasi alle seine Kräfte auf die Ukraine konzentrieren. Auch die Wirtschaftssanktionen der Vereinigten Staaten und Europas haben zur Schwächung des Regimes beigetragen, am Ende war der Assad-Staat nicht mehr als eine leere Hülle, konstatiert La Libre Belgique.
Die positivste Nachricht des Jahres
Baschar al-Assad ist einer der schlimmsten Massenmörder des 21. Jahrhunderts, unterstreicht De Standaard. Aus moralischer Sicht ist sein Sturz also die positivste Nachricht des Jahres – auch wenn wir natürlich nicht wissen, wie es nun weitergehen wird mit Syrien. Die Bürger, die sich gegen das Regime erhoben haben, sind am Ende belohnt worden. Syrien und der Fall Assads zeigen auch, wie eng die großen Kriege der Gegenwart miteinander verknüpft sind: Die Vertreibung des syrischen Diktators beweist, wie geschwächt auch seine Verbündeten Russland, Iran und die Hisbollah sind. Möglicherweise wird das auch Menschen im Iran ermutigen, gegen ihre Machthaber aufzustehen. Und Putin scheint nicht in der Lage, einen Zweifrontenkrieg zu führen, mit Syrien verliert er einen wichtigen Hebel, um Europa zu destabilisieren. Putin bekommt mit Assad auch den Spiegel vorgehalten, wie sein eigenes Ende aussehen könnte, schreibt De Standaard.
Jedes Regime ist zerbrechlich, das gilt auch für Diktaturen, hält L'Avenir fest. Am Ende fallen sie aber alle irgendwann – manchmal, wenn man es am wenigstens erwartet. Wie sein Vater vor ihm hat Baschar al-Assad Syrien mit eiserner Faust regiert. Er hat Menschen verhaften und foltern lassen, er hat jegliche Opposition brutal unterdrückt. Allein zwischen 2011 und 2016 sind im syrischen Bürgerkrieg 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Assad war jedes Mittel recht, um sich an die Macht zu klammern: Folter, Schläge, Elektroschocks, unmenschliche Gefängnisse, Giftgas, die Bombardierung von Schulen und Krankenhäusern – er schreckte vor nichts zurück. Und er hatte dabei den Segen Moskaus und Teherans. Nun hat sich der Wind endlich gedreht, glaubt L'Avenir.
Unrecht kann man nicht mit Unrecht rechtfertigen
Kommen nun bessere Zeiten zu auf Syrien?, fragt Gazet van Antwerpen. Niemand kann es wissen, aber alle hoffen es. Zumindest alle, die das Herz auf dem rechten Fleck haben. Menschen wie Filip Dewinter vom rechtsextremen Vlaams Belang trauern Assad natürlich nach. Dewinter akzeptiert damit einen politischen Führer, der einen furchtbaren Bürgerkrieg verursacht hat, der an der Ermordung, Folterung und Inhaftierung unzähliger Männer, Frauen und Kinder beteiligt war. Da hilft es auch nicht, wenn Dewinter auf die möglichen Gefahren neuer islamistischer Machthaber verweist. Unrecht kann man nicht mit Unrecht rechtfertigen. Der Sturz des Assad-Regimes darf und muss gefeiert werden, auch wenn Assad bisher leider noch nicht den gerechten Lohn für seine Taten bekommen hat. Aber er hat sich wie ein Dieb in der Nacht davonschleichen müssen und ist nun auf die Gastfreundschaft des anderen Massenmörders in Moskau angewiesen, hebt Gazet van Antwerpen hervor.
Man kann sich nur darüber freuen, dass auch die blutrünstigsten Diktaturen irgendwann untergehen, betont auch Het Nieuwsblad. Zur Überraschung aller ist das Assad-Regime binnen weniger Tage wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Außer Putin und den Ajatollahs im Iran wird ihm wohl niemand eine Träne nachweinen. Im Gegenteil. Wie die Zukunft Syriens aussehen wird, bleibt derweil ein großes Fragezeichen. Aber es gibt zumindest hoffnungsvolle Signale: Die Rebellen, die das Land befreit haben, tun ihr Bestes, um die Bevölkerung und auch den Westen zu beruhigen. Auch die Macht hinter den Rebellen, die Türkei Erdogans, hat glücklicherweise das größte Interesse an einer Rückkehr der Stabilität nach Syrien, so Het Nieuwsblad.
Heute Damaskus, morgen Teheran oder Moskau?
Natürlich ist Skepsis angebracht über die neuen Machthaber, räumt De Morgen ein. Aber wir Europäer dürfen jetzt nicht den Fehler machen, unsere Vorurteile zu Hindernissen werden zu lassen angesichts der Möglichkeiten, die der Sturz Assads mit sich bringt. Das ist eine einmalige Chance, um Millionen friedliebenden Syrern dabei zu helfen, wieder Stabilität zu schaffen im Herzen des Nahen Ostens. Die Europäische Union sollte umgehend das Gespräch suchen mit der neuen Übergangsregierung und Wiederaufbauhilfe in Aussicht stellen im Tausch gegen Garantien in puncto Menschenrechte und Rechtsstaat. Wir können auch dabei helfen, ein UN-Tribunal für Syrien ins Leben zu rufen, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden. Dieser Umsturz kann auch dem schädlichen Einfluss Russlands und des Irans auf Syrien ein Ende bereiten. Möglicherweise fallen selbst weitere Dominosteine, bis hin zu den Schlachtfeldern der Ukraine. Historische Wendepunkte wie der Fall des Eisernen Vorhangs und der Arabische Frühling haben gelehrt, dass Revolutionen ansteckend sind. Was heute in Damaskus passiert ist, kann früher oder später auch in Teheran oder Moskau stattfinden, meint De Morgen.
Boris Schmidt