"Der Phönix von Paris", titelt La Libre Belgique. "Notre-Dame wird aus ihrer Asche wiedergeboren", so die Schlagzeile von L'Avenir. Zwei Zeitungen, ein Bild, eben das des Phönix', der aus seiner Asche wiederaufersteht…
Fünf Jahre nach dem verheerenden Brand erstrahlt die Kathedrale Notre-Dame in Paris wieder in ihrem alten Glanz. Heute wird sie feierlich wiedereröffnet. Die Instandsetzungsarbeiten wurden in Rekordzeit fertiggestellt. "Und belgische Unternehmen haben dabei tatkräftig mitgeholfen", bemerken L'Echo und Le Soir auf ihrer Titelseite.
Frankreichs Suche nach einer Konsensfigur
Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass die ehrwürdige Kathedrale gerettet werden musste, meint La Libre Belgique. 1831 etwa musste Victor Hugo dem Monument gar einen ganz Roman widmen, um es vor dem Verfall zu retten. Seinerzeit war die Notre-Dame regelrecht heruntergekommen. Hugos Meisterwerk sensibilisierte die Menschen noch einmal für das mittelalterliche Bauwerk. Vor fünf Jahren bedurfte es keines Romans. Himmel und Erde wurden in Bewegung gesetzt, um die Notre-Dame zu retten. Und Victor Hugo muss sich nicht im Grab herumdrehen. Nach ihrer Wiedergeburt wird diese fantastische Kathedrale auch die nächsten Jahrhunderte überdauern.
Für den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron ist die Wiedereröffnung der Notre-Dame einer der wenigen Lichtblicke, konstatiert L'Avenir. Der Zeitplan für die Instandsetzungsarbeiten wurde ziemlich genau eingehalten. Das dürfte für Macron nur ein schwacher Trost sein. Politisch liegt das Land nämlich in Trümmern. Macron hat sich mit seiner vorzeitigen Auflösung der Assemblée Nationale verzockt. Immerhin hat er das zugegeben, wobei er gleich betont, dass er seine Amtszeit in jedem Fall zu Ende führen wird. Er steht aber jetzt vor einer enormen Herausforderung, muss er doch einen oder eine Premierministerin finden, eine Konsensfigur, die im tief gespaltenen Parlament Mehrheiten hinter sich vereinen kann. Notre-Dame alleine wird Macron nicht retten.
"L'heure est grave"
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit den föderalen Koalitionsverhandlungen. Für Le Soir etwa ist es das "Wochenende der Wahrheit". Regierungsbildner Bart De Wever will nämlich einen erneuten "Landeversuch" unternehmen. In den nächsten 48 Stunden wird es um die zentralen sozialwirtschaftlichen Themen gehen – Arbeitsmarkt, Renten, Steuerpolitik - und daraus ergeben sich dann auch die letzten haushaltspolitischen Weichenstellungen. Vor genau einer Woche lagen diese Themen auch schon mal auf dem Arizona-Tisch. Am Montagmorgen hatten sich die Partner aber vertagen müssen.
Jetzt brauchen wir Staatsmänner, fordert De Tijd in ihrem Leitartikel. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Rettung unseres Wohlfahrtsstaates. In diesen wirtschaftlich düsteren Zeiten braucht das Land jetzt Führung. Die Ausgangslage ist bekanntlich gar nicht so schlecht. Erst recht nicht, wenn man sich unsere großen Nachbarländer anschaut, die allesamt im politischen Chaos zu versinken drohen. Hierzulande hat der Wähler die Karten günstig gelegt, indem er eine praktikable Mehrheit quasi suggerierte. Jetzt müssen die fünf Arizona-Parteien allerdings noch den Sack zumachen. Natürlich wird das nicht einfach. Aber, wie sagt der Frankophone: L'heure est grave. Und deswegen müssen sich jetzt auch die Parteivorsitzenden in die Schlacht werfen. Die Koalition kann nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die stärksten Figuren an Bord sind. Schwiegermütter, die sich an der Seitenlinie profilieren wollen, wären Gift für die neue Regierung.
Wir brauchen dringend eine neue Industriestrategie
Auch Het Belang van Limburg mahnt Dringlichkeit an. Dunkle Wolken ziehen auf. Alle Alarmleuchten blinken rot. Das Land steht vor einer enormen Entlassungswelle. Das gilt vor allem für die produzierende Industrie, insbesondere für die Autobranche. Und dann natürlich für die energieintensiven Sektoren wie Chemie, Metall oder Kunststoff. Und wenn man sich dann noch die Großwetterlage mit den drohenden Handelskriegen anschaut, dann muss man definitiv kein "Homo Economicus" sein, um zu begreifen, dass die nächsten Monate und Jahre von Massenentlassungen und Umstrukturierungen geprägt sein werden. Deswegen müssen die föderalen Arizona-Parteien jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen. Wir brauchen dringend eine neue Industriestrategie. Denn es stehen raue Zeiten bevor: Winter is coming.
Mercosur-Abkommen: Pro und Contra
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist ihrerseits davon überzeugt, einen Teil der Lösung präsentiert zu haben: Sie hat gestern das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten finalisiert. Angesichts der düsteren Wirtschaftsprognosen kann das tatsächlich ein Lichtblick sein, glaubt L'Echo. Die Partnerschaft mit den südamerikanischen Ländern ist auch von strategischer Bedeutung, verfügen diese Staaten doch über große Reserven an kritischen Rohstoffen wie Graphit, Lithium, Mangan und auch Seltene Erden. Für eine zukunftsorientierte und autarke europäische Wirtschaft sind diese Materialien unabdingbar. Europa muss strategisch denken und darf sich deshalb nicht von den Bauern als Geisel nehmen lassen.
La Dernière Heure sieht das anders. Ursula von der Leyen hat sich hier vor den deutschen Karren spannen lassen und ignoriert damit die Widerstände in Frankreich, Italien und Polen. Dass das Mercosur-Abkommen zum Sargnagel der europäischen Landwirtschaft werden kann, das scheint man dabei billigend in Kauf zu nehmen. Die EU scheint nur einen Kompass zu haben: die Märkte.
Ein unantastbarer MR-Politiker wird zur tragischen Figur
Einige Zeitungen schließlich beschäftigen sich mit den Vorwürfen gegen den ehemaligen EU-Kommissar und Föderalminister Didier Reynders, gegen den wegen mutmaßlicher Geldwäsche ermittelt wird. Für eine Million Euro wird er einen Herkunftsnachweis erbringen müssen.
Eine Million Euro ungeklärter Herkunft, das ist kein Pappenstiel, meint De Morgen. 200.000 Euro davon soll Reynders in den Kauf von Rubbellosen der Nationallotterie gesteckt haben. Als Grund dafür nannte er allen Ernstes Spielsucht. Das passt nicht zu einem Mann, der doch in der Öffentlichkeit nie die Kontrolle zu verlieren schien. Natürlich gilt auch für Reynders die Unschuldsvermutung, doch wird er noch Einiges erklären müssen.
De Standaard scheint seinerseits die Samthandschuhe ausgezogen zu haben. Wo mögen diese eine Million Euro wohl herkommen? Da kommt einem gleich ein Wort in den Sinn: Kazachgate. Grob gesagt: 2011 wurde ein Gesetz durchs Parlament gepeitscht, das es drei kasachischen Geschäftsleuten erlaubte, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einzugehen, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Federführend soll da ein Netzwerk gewesen sein, in dem einige liberalen Politiker aktiv waren. Die Verbindung zu Didier Reynders konnte allerdings nie hergestellt werden. Der einst unantastbare MR-Politiker wird jetzt aber zu einer tragischen Figur, muss er doch sogar eine Spielsucht zugeben. Bringt ihn also am Ende ein unkontrollierbares Zwangsverhalten zu Fall? Die Justiz muss dringend Klarheit in diese Angelegenheit bringen.
Roger Pint