"Frankreich versinkt im politischen Chaos", titeln L'Echo und De Morgen. "Ein historischer Sturz", so die Schlagzeile von Le Soir. "Nach dem Sturz von Michel Barnier steht Frankreich vor einer Phase großer Instabilität", schreiben La Libre Belgique und De Tijd auf Seite eins.
In Frankreich ist die Regierung um Premierminister Michel Barnier gestürzt. Sein Minderheitskabinett hat ein Misstrauensvotum nicht überlebt. Obwohl sie eigentlich Erzfeinde sind, haben sich die beiden anderen Parlamentsfraktionen de facto zusammengeschlossen, um Barnier zu stürzen, nämlich einerseits La France Insoumise, also die vereinigte Linke und andererseits der rechtsextreme Rassemblement National. De Standaard bringt es auf den Punkt: "Eine eigentlich undenkbare Allianz aus links und extrem rechts stürzt Frankreich ins Chaos".
Drohendes Albtraum-Szenario
"Die beiden extremen Lager bekennen jetzt klar Farbe", analysiert L'Echo in seinem Leitartikel. Ihr einziges Ziel, und das verbindet die vereinigte Linke und die Rechtsextremisten: Sie wollen Chaos stiften. Die eigentlichen Schuldigen an der Misere sind aber die traditionellen Parteien, allen voran die Sozialisten. Die Roten haben es offensichtlich nicht gewagt oder nicht geschafft, sich von den Dunkelroten loszusagen: Die PS ist unter dem Dach von La France Insoumise geblieben. Die beiden extremen Lager praktizieren inzwischen eine Politik der verbrannten Erde. Das geht so weit, dass sich die beiden Erzfeinde sogar verbünden, und das mit einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen den Kopf des Präsidenten. Das ist wie die Hochzeit zwischen einem Karpfen und einem Kaninchen. Und die Zeche bezahlen die Bürger.
"Denn in der Tat", so hakt La Libre Belgique ein: "Diesmal wird es wehtun". Der politische Stellungskrieg, den sich die Parteien permanent in den Fernseh-Talkshows liefern, wird schon sehr bald spürbare Folgen auf das Portemonnaie der Bürger haben. Mit dem Sturz der Regierung Barnier hängt jetzt nämlich der Haushalt 2025 im luftleeren Raum. Diese Situation ist brandgefährlich. Nicht nur, dass die EU-Kommission von Frankreich ein striktes Sparprogramm erwartet; auch die internationalen Finanzmärkte beginnen unruhig zu werden. Frankreich bezahlt jetzt schon mehr Zinsen auf seine Staatsanleihen als Griechenland. Hier droht ein Albtraum-Szenario. Das unverantwortliche Verhalten der Parteipräsidenten ist ohne Beispiel.
"Jetzt muss ein Ruck durch die französische Politik gehen", fordert denn auch sinngemäß Le Soir. Das Land braucht jetzt eine große Koalition der Mitte. In erster Linie müsste das bedeuten, dass sich die Sozialisten wieder von der linksextremen "France Insoumise" lossagen. Ist das wirklich so schwer? Und die gemäßigte Linke könnte sich dann mit den republikanischen Konservativen zusammentun, und wenn es nur in Form eines Nichtangriffspaktes wäre. Eine solche Allianz hätte nicht nur eine Mehrheit in der Assemblée Nationale, sondern würde auch über eine ausreichende Legitimität verfügen. Jetzt gilt es in jedem Fall, Frankreich vor einer Katastrophe zu bewahren.
"Ist der glatteste Aal doch zu fangen?"
Auf vielen Titelseiten sieht man aber heute auch Fotos des belgischen Spitzenpolitikers Didier Reynders. Der ehemalige EU-Kommissar und Föderalminister ist wegen Geldwäsche-Vorwürfen ins Zwielicht geraten. "Reynders soll mithilfe von Rubbellosen Geld gewaschen haben", präzisiert Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite. Es war die Nationallotterie selbst, die die Alarmglocke gezogen hat. L'Echo ist konkreter: "Jahrelang soll Reynders die Cash-Obergrenze bei der Nationallotterie überschritten haben".
"Strafrechtliche Ermittlungen gegen Didier Reynders sind dann doch ein Ereignis", sind sich die Zeitungen einig. "Ist der glatteste Aal der Rue de la Loi doch zu fangen?", fragt sich etwa De Morgen. "Kosten die Ermittlungen wegen Geldwäsche 'Teflon-Didier' nun doch noch den Kopf?", so der Schlagzeilen im Innenteil von Het Nieuwsblad.
"Bis auf Weiteres gilt natürlich die Unschuldsvermutung", unterstreicht La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Auf Didier Reynders traf aber auch eigentlich die Intelligenzvermutung zu. Dachten wir zumindest. Geldwäsche über Rubbellose: Wenn das stimmt, dann wäre das aber auf dem Niveau eines Westentaschen-Ganoven oder eines Bingo-Betrügers. Sollten sich die Vorwürfe gegen Reynders bewahrheiten, dann wäre das jedenfalls ein Absturz in die Würdelosigkeit. Aber gut, jetzt ist erstmal die Justiz am Zug. Die wirkliche Frage lautet: "Wo kam all das Bargeld her?"
Abhandengekommener Ehrgeiz
In Flandern sorgt man sich derweil um das Niveau des Unterrichtswesens. Die Ergebnisse der jüngsten TIMSS-Studie haben im Norden des Landes für Ernüchterung gesorgt: Die flämischen Schüler – im vorliegenden Fall des vierten Grundschuljahres – haben schon wieder schlechter abgeschnitten als beim letzten Mal.
Noch vor zwei Jahren hat uns der damalige flämische Unterrichtsminister Ben Weyts noch das Gegenteil erzählt, bemerkt dazu Het Belang van Limburg. "Der Tanker macht eine Kehrtwende", so hatte es der N-VA-Politiker formuliert. Nun, besagter Tanker scheint stattdessen gekentert zu sein. Ein Blick über den Ärmelkanal zeigt, dass es auch anders geht: In Großbritannien schneiden die Schüler mit jedem Mal besser ab. Ursache für die schlechten Ergebnisse in Flandern ist offensichtlich vor allem die Tatsache, dass uns der Ehrgeiz abhandengekommen ist, uns Wissen anzueignen.
Am Geld liegt es jedenfalls nicht, ist Gazet van Antwerpen überzeugt. Im Gegenteil: In Flandern wird sogar überdurchschnittlich viel ins Unterrichtswesen investiert: Stolze 19 Milliarden Euro. Wir müssen das Geld nur offensichtlich intelligenter investieren.
Und man kann auch nicht alles am Lehrermangel festmachen, wirft De Standaard ein. Dieses Problem kennt man – weiß Gott – auch in anderen Ländern. Man sollte vielleicht auch einmal die Organisationsstrukturen und die Lehrmethoden infrage stellen. Kurz gesagt: Wir sollten einmal in uns gehen.
Roger Pint