"PS verschärft den Ton in Brüssel", titelt Le Soir. "Brüsseler PS erhöht den Einsatz", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Für Ahmed Laaouej will die N-VA Brüssel von innen blockieren", heißt es bei L'Echo auf der Titelseite.
Die PS in Brüssel hat gestern entschieden, aus den Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regionalregierung auszusteigen. Grund dafür ist, dass die N-VA Teil der flämischen Mehrheit ist. Mit dieser flämischen Mehrheit müsste die frankophone Mehrheit aus PS, MR und Les Engagés eine Regierung bilden.
Dazu kommentiert die Wirtschaftszeitung L'Echo: Diese Entscheidung der PS schadet Brüssel. Die Region braucht schnell eine handlungsfähige Regierung, denn die Finanzlage ist katastrophal. Hier muss schnell etwas getan werden, denn eine kranke Hauptstadtregion ist schlecht für das ganze Land. Die aktuelle Krise bei der Regierungsbildung zeigt aber auch, dass institutionelle Reformen in Brüssel nötig sind. Zum Beispiel muss die Frage gestellt werden, ob Mehrheiten in beiden Sprachgruppen immer noch nötig sind. Wenn man solche Reformen nicht angeht, könnte es in Zukunft zu ähnlichen Blockaden wie jetzt kommen, warnt L'Echo.
PS flieht vor Verantwortung
Het Laatste Nieuws zeigt kein bisschen Verständnis für die Blockade der PS: Man hätte sich auch freuen können. Denn nach so vielen Monaten haben die Flamen es endlich geschafft, eine Mehrheit zu schmieden. Doch jetzt ist es nicht die richtige. Weil die N-VA ja rassistisch und islamfeindlich ist und das soziale Gefüge in Brüssel bedroht, sagt die PS. Dabei weiß eigentlich jeder, warum die PS in Wahrheit die N-VA nicht mit in der Regierung will. Denn mit der N-VA müsste drastisch gespart werden. Geschenke links und rechts an Freunde verteilen, so wie die PS das ja so gerne macht, wäre dann nicht mehr möglich. Außerdem würde die PS dann auch zur Verantwortung gezogen für die schlechte wirtschaftliche Lage der Hauptstadtregion. Und das will die PS mit allen Mitteln vermeiden, weiß Het Laatste Nieuws.
L'Avenir beschäftigt sich mit der Verurteilung des belgischen Staats wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kolonialzeit. Fünf Frauen, die als Mischlingskinder ihren Müttern weggenommen worden waren, hatten vor einem Brüsseler Berufungsgericht Recht bekommen. L'Avenir findet: Das ist eine wichtige Entscheidung, die über den eigentlichen Prozess hinaus wirken wird. Denn erstens zeigt das Urteil, dass solche Verbrechen nicht verjähren. Zweitens zeigt es die Verantwortlichkeit eines Staats für Taten während der Kolonialzeit. Auf dieser Basis kann neu über Verantwortung, Entschädigung und Versöhnung nachgedacht werden, glaubt L'Avenir.
Verantwortung als Teil des kollektiven Gewissens
Le Soir sieht das ähnlich und fügt hinzu: Das Urteil macht deutlich, dass das, was damals geschehen ist, nicht einfach nur der Vergangenheit angehört. Es betrifft uns auch noch heute im Hier und Jetzt. Das heißt nicht, dass jeder von uns mit einem Mea culpa herumlaufen muss. Aber die Verbrechen und die moralische Verantwortung sollten Teil des kollektiven Gewissens auch unserer Generation sein. Weil dann jeder von uns ein Bild eines ethisch verantwortungsvollen Handelns bekommt, mahnt Le Soir.
Zur Regierungskrise in Frankreich behauptet La Dernière Heure: Schuld an dem ganzen Schlamassel gerade, dem möglichen Sturz der Minderheitsregierung Barnier, ist eigentlich Präsident Macron. Sein erster, unerklärlicher Fehler war es, nach der deutlichen Niederlage bei den Europawahlen Neuwahlen in Frankreich anzuordnen. Sein zweiter Fehler war es, nach der erneut krachenden Niederlage bei diesen Wahlen den Willen der Wähler nicht zu respektieren. Die hatten zwei Mal deutlich gesagt, dass sie genug vom Macronismus haben. Macron hätte zurücktreten sollen. Er hat es nicht getan. Und jetzt steht Frankreich kurz vor dem Abgrund, ärgert sich La Dernière Heure.
Schädlicher Diskurs von ganz oben
Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat seinen Sohn begnadigt, der vor kurzem zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Dazu meint La Libre Belgique: Es ist nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident fragwürdige Begnadigungen erteilt. Aber in diesem Fall vermischt Biden auf nicht akzeptable Weise seine Rolle als Präsident mit der des Vaters. Zumal Biden bislang immer gesagt hatte, nicht zugunsten seines Sohnes einzugreifen. Biden enttäuscht, bedauert La Libre Belgique.
De Standaard kommentiert: Biden behauptet, sein Sohn wäre nur wegen des politischen Drucks der Republikaner verurteilt worden. Damit untergräbt jetzt auch Biden die Glaubwürdigkeit der Justiz. Sein Vorgänger und Nachfolger Trump macht das ja regelmäßig. Und dieser Diskurs von ganz oben ist schädlich für den Rechtsstaat. Denn warum sollten noch einfache Bürger an das Rechtssystem glauben, wenn schon ihre Präsidenten dieses System als korrupt darstellen, schimpft De Standaard.
Kay Wagner