"Betrug, Klientelismus und Misswirtschaft: Wirbel um das öffentliche Sozialzentrum von Anderlecht", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Schlamperei und Chaos im ÖSHZ: Ist Anderlecht der einzige Fall?", fragt L'Avenir. "Der Skandal im ÖSHZ von Anderlecht entwickelt sich zur Staatsaffäre", notiert La Dernière Heure auf ihrem Titelblatt.
Den Skandal um das Öffentliche Sozialzentrum in Anderlecht, über den das flämische TV-Magazin Pano am Dienstagabend berichtet hat, kommentieren gleich mehrere Zeitungen auch ihn in ihren Leitartikeln.
Het Laatste Nieuws fasst zusammen: Selbst wenn man eine willkürliche Wohnadresse via Google Maps angibt, de facto noch bei den Eltern in Flandern wohnt und einen Kontrollbesuch verweigert, bekommt man vom ÖSHZ in Anderlecht noch Sozialhilfe. Wenn man dem ÖSHZ mitteilt, dass man das Geld nicht mehr braucht, fließt es weiter auf das Konto. Das hat die Undercover-Reportage von Pano gezeigt.
Wer zu lange warten muss oder wenn einem Sozialhilfe verweigert wird, geht man einfach zum Chef der Einrichtung, einem PS-Politiker. Der macht dann alles möglich. Und dieser Chef sieht in alldem kein Problem. "Ich kann verstehen", sagte er in Pano, "dass die Flamen sich darüber aufregen. Aber ich bin nun mal Sozialist und stolz darauf, Menschen zu helfen." Der Mann irrt sich. Nicht nur die Flamen, sondern jeder, der einen Hauch von Gerechtigkeitssinn hat, regt sich natürlich über diese Zustände am ÖSHZ in Anderlecht auf, urteilt Het Laatste Nieuws.
Vertrauen in die Politik zerstört
La Libre Belgique meint: Es ist erschreckend, was die Journalisten von Pano da aufgedeckt haben. Schlampiger Umgang mit öffentlichen Geldern, Klientelismus und Politisierung von sozialer Hilfe. Das alles muss natürlich sofort aufhören in Anderlecht. Und auch in allen anderen Sozialzentren darf es solchen schändlichen Missbrauch nicht geben, schimpft La Libre Belgique.
De Morgen glaubt: Die Reportage wird bei vielen Zuschauern das Vertrauen in die Politik, die Demokratie und den Wohlfahrtsstaat zerstören. Das Gezeigte wird bei vielen den Eindruck stärken, dass einige das Geld einfach so zugeschustert bekommen, wohingegen andere Menschen hart dafür arbeiten müssen. Es stärkt auch die Annahme, dass unser Wohlfahrtsstaat wie ein Magnet auf Fremde wirkt, die unseren Sozialstaat ausnutzen wollen. Und es ist erschreckend zu sehen, dass gerade Politiker der Sozialisten das Vertrauen der Bürger so hintergehen, bedauert De Morgen.
Ein jämmerliches Schauspiel
La Dernière Heure findet: Vor allem zwei Dinge stoßen bei diesem Skandal mächtig auf: Zum einen handelt es sich um das Geld des Steuerzahlers, das hier einfach an allen Regeln vorbei Menschen ausgezahlt wird, die kein Anrecht darauf haben. Zum anderen führt das dazu, dass Menschen, die dringend auf Sozialhilfe angewiesen sind, im schlimmsten Fall nicht unterstützt werden. Klar ist: Hier muss reiner Tisch gemacht werden. Aber bei aller Aufräumarbeit darf eins nicht geschehen: Die Sozialzentren dürfen als Einrichtung an sich nicht geschwächt werden, betont La Dernière Heure.
Le Soir beschäftigt sich mit der Europapolitik und berichtet: Ohne Überraschung wird das EU-Parlament nächsten Mittwoch die Mitglieder der neuen EU-Kommission bestätigen. Gestern ist endlich der Streit beigelegt worden, den sich die verschiedenen Fraktionen über zwei Wochen lang geliefert haben. Ein jämmerliches Schauspiel. Denn in dem Streit ging es gar nicht um die fachlichen Kompetenzen des einen oder anderen Kandidaten, sondern es ging um Parteizugehörigkeit und wahlpolitische Überlegungen. Dieses Gezanke hat das Vertrauen der Bürger in das Europaparlament nicht gestärkt, das sowieso schon nicht groß war, ärgert sich Le Soir.
Was ist ein Menschenleben noch wert?
L'Echo freut sich über den Erfolg des Softwareunternehmens Odoo und erklärt: Der wallonische Zwerg hat sich zu einem Großen in der Tech-Branche entwickelt. Fünf Milliarden Euro ist das Unternehmen jetzt wert, nachdem prestigeträchtige Investoren viel Geld in das Unternehmen gepumpt haben. Dazu gehört auch die Investmentfirma von Google. Odoo hat gleichsam den Ritterschlag erhalten. Das könnte, sollte sogar wie ein Impuls wirken auf die gesamte Hightech-Branche in der Wallonie und auf die vielen Startups, auch aus anderen Branchen, wünscht sich L'Echo.
De Standaard beobachtet zum Krieg in der Ukraine: Der Krieg wird immer abscheulicher. Jetzt hat die Ukraine Landminen von den USA erhalten. Natürlich wird die Ukraine diese Landminen auch einsetzen. Dabei sind das ganz schlimme Waffen, die auch nach den Kriegshandlungen Menschen töten. Immer mehr erinnert der Krieg in der Ukraine an den Ersten Weltkrieg. Die Frontlinien bewegen sich kaum. Beide Seiten haben sich in ihren Stellungen verschanzt. Ein Menschenleben, vor allem auf russischer Seite, ist nichts wert. Was wird der nächste Schritt sein? Nervengas, das noch billiger und noch schlimmer ist als Landminen, fragt verzweifelt De Standaard.
Kay Wagner