"Kein Gefängnis für Kleinkriminelle", titelt La Dernière Heure. "Nicht mehr ins Gefängnis, wenn die Strafe unter fünf Jahren bleibt", schreiben fast gleichlautend Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen in ihren Schlagzeilen.
Alle drei Zeitungen berichten über einen Beschluss des föderalen Justizministers Paul Van Tigchelt. Demnach sollen Kriminelle, die zu einer Gefängnisstrafe von weniger als fünf Jahre verurteilt sind, ihre Strafe vorläufig nicht antreten. Der Minister will damit gegen die Überbevölkerung der Gefängnisse angehen.
La Dernière Heure kommentiert: Nulltoleranz! Ende der Straflosigkeit! Garaus dem Laxismus! Wir erinnern uns: Schweres Geschütz haben unsere Politiker aufgefahren, um der Bevölkerung das Gefühl der Sicherheit zu geben angesichts steigender Kriminalitätsraten. Noch wenige Wochen vor den Wahlen hat Justizminister Van Tigchelt betont, dass alle Gefängnisstrafen tatsächlich ausgeführt würden. Auch die unter drei Jahren. Und jetzt? Still und heimlich werden all diese Versprechen durch ein internes Papier auf den Kopf gestellt. Glaubwürdigkeit: War da was?, schimpft La Dernière Heure.
Betrug auf dem Rücken älterer Menschen
Het Nieuwsblad hält fest: Der Zustand in unseren Gefängnissen ist unhaltbar. Aber das wissen wir schon seit mehreren Jahrzehnten. Es sitzen zu viele Menschen hinter Gittern, die eigentlich nicht dort hingehören. Zum Beispiel illegale Einwanderer, die nicht in ihre Heimatländer zurückgebracht werden können. Aber die jetzt getroffene Entscheidung ist quasi ein Skandal.
Die große Chefin des Gefängniswesens, Mathilde Steenbergen, ist deutlich, wenn sie sagt: "Diese Entscheidung bedroht die Sicherheit unserer Gesellschaft. Auch eine geschäftsführende Regierung muss wichtige Entscheidungen treffen können." Genauso ist es. Und für die kommende Regierung muss das eine Warnung sein, dass es neben den Finanzen ein weiteres dringendes Problem zu lösen gibt, betont Het Nieuwsblad.
L'Avenir beschäftigt sich mit der Entscheidung, die Gemeinderatswahl in der Brüsseler Teilgemeinde Saint-Josse zu wiederholen und berichtet: In insgesamt 32 Gemeinden der Wallonie wurden Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen gemeldet. Und immer geht es um die Wahl per Vollmacht. Diese Art des Wählens steht auch in Saint-Josse am Pranger.
Zur Erinnerung: 2018 gab es in Neufchâteau schon mal einen Skandal wegen illegaler Praktiken bei den Vollmachten. So ein Betrug ist schändlich, zumal er meist auf dem Rücken von älteren Menschen ausgetragen wird. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Wahl in Saint-Josse jetzt für ungültig erklärt wird. Das ist nur recht und billig, denn Wähler müssen Vertrauen in den Wahlprozess haben. Nur so kann Demokratie funktionieren, betont L'Avenir.
2025 - das Jahr des Friedens?
Ähnlich sieht das La Libre Belgique: Es ist dringend notwendig, die Kontrollen bei der Stimmabgabe der Vollmacht zu verstärken. Schon vor der Wahl muss zum Beispiel besser überprüft werden, wer genau für wen das Kreuz setzen wird. Informationskampagnen sollten die Wähler über möglichen Missbrauch aufklären. Abschreckende Strafen sollten das Vertrauen in das System wieder herstellen, fordert La Libre Belgique.
Het Belang van Limburg notiert zum Krieg in der Ukraine: Es sieht düster aus für Kiew. Tausend Tage dauert der Krieg mittlerweile, und trotz riesiger Verluste rücken die Russen immer weiter vor. Gestern betonte der ukrainische Präsident Selensky im Europaparlament, dass 2025 das Jahr des Friedens werden muss. Frage ist nur, wie das klappen kann und welchen Frieden die Ukraine dann bekommt. Unterdessen wären die Europäer gut beraten, Putin weiter die Stirn zu bieten und sich zum Beispiel nicht einschüchtern zu lassen von immer weiteren roten Linien, die der Chef im Kreml zieht, unterstreicht Het Belang van Limburg.
Wann ist ein Mann ein Mann?
De Standaard glaubt: Es ist absehbar, dass Trump und Putin Anfang nächsten Jahres über ein Ende des Krieges reden werden. Dabei werden sie ihren eigenen Vorteil im Blick haben. Europa täte gut daran, sich darauf vorzubereiten. Doch leider passiert das nicht. Was hört man von von der Leyen und Macron? Eigentlich nichts. Der deutsche Bundeskanzler Scholz löst seine Regierung auf zu einem Zeitpunkt, wo Europa Deutschland nötiger denn je hätte. Und die Europaabgeordneten zerfleischen sich über die Wahl der neuen EU-Kommissare. Für Trump und Putin muss es ein Genuss sein, sich dieses klägliche Schauspiel der Unentschlossenheit anzuschauen, bedauert De Standaard.
Zum gestrigen Weltmännertag kommentiert De Morgen: Es wäre gut, diesen Tag tatsächlich ernst zu nehmen und sich wirklich mit den Problemen der Männer zu beschäftigen. In unserer heutigen Gesellschaft fühlen sich gerade junge Männer oft verloren. Rollen und Werte, die früher einen Mann ausmachten, werden heute hinterfragt, oft sogar stigmatisiert. Das führt zu Frust und Angst und treibt gerade junge Männer oft in die Arme von Extremisten. Es wäre gut, wenn über diese Folgen der gesellschaftlichen Entwicklung offen und vorurteilslos diskutiert werden könnte, wünscht sich De Morgen.
Kay Wagner