"Die ganze Welt lebt in Angst" titelt das Grenz-Echo heute und meint, dass Japan verzweifelt gegen eine drohende Kernschmelze in drei Atomreaktoren kämpfe. Drei Tage nach dem Erdbeben verschärfe sich die Lage an den beschädigten Reaktoren weiter. Deshalb, so titelt De Standaard, rücke die Kernenergie ins Fadenkreuz der Kritik. Weltweit stehe die Atomkraft zur Diskussion.
Schweiz und Deutschland reagieren auf Nuklearkatastrophe ...
Die Schweiz und Deutschland hätten gestern die weitreichendsten Entscheidungen in diesem Bereich getroffen. Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel lasse die Entscheidung zur Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke drei Monate aussetzen und die Schweiz gebe ihre Pläne für drei neue KKW auf.
... Belgien schweigt
Die belgische Regierung schweige vorläufig, so De Standaard. Im Leitartikel meint das Blatt, dass der Schaden am Atomkraftwerk in Fukushima die Welt mehr in Atem halte als das menschliche Leid, das in Japan durch Erdbeben und Tsunami entstand. Und während durch die Nuklearkatastrophe die Diskussion über mögliche Folgeschäden von havarierten Kernkraftwerken angeheizt wird, werde das größte Sicherheitsrisiko der Kernkraft überschattet: das der Kernabfälle nämlich.
Auch Le Soir macht mit der erneuten Diskussion zum Für und Wider der Kernkraft auf und verweist darauf, das auch hierzulande die Frage zu stellen ist: Atomkraft in Belgien, das Aus oder nicht? Der Leitartikler der Brüsseler Tageszeitung meint hierzu, dass zur Beantwortung dieser Frage eine transparente und sachliche Debatte zu führen sei. Gleichzeitig gelte es, diese Diskussion auf die europäische Ebene zu heben.
Auch das Wirtschaftsblatt L'Echo macht mit dem Thema heute auf und meint, dass die Kernkraft, die sich nach den Katastrophe von Three Mile Island und Tschernobyl erholte, jetzt wieder zum Feindbild avanciere.
Apokalyptische Szenen in Japan
Für Het Laatste Nieuws "tickt die Zeitbombe". Im Leitartikel heißt es, viele würden sich wohl noch an die gelb-roten Aufkleber mit der Aufschrift "Atomkraft - Nein danke" aus den 70er und 80er Jahren erinnern. Tschernobyl schien allen Anhängern dieses Slogans Recht zu geben. Doch anno 2011 hatte sich das Blatt gewendet. In Zeiten des Klimawandels und hoher Rohölpreis war die Kernenergie wieder attraktiv geworden. Mit den apokalyptischen Szenen aus Japan vor Augen sei es jetzt aber schlecht, um für Atomkraft in Belgien zu plädieren. Innenministerin Turtelboom habe recht, wenn sie verlangt, die Atomkraftdiskussion hierzulande auf der Basis von Fakten und nicht von Emotionen zu führen. Dennoch gelte es, resolut den Bereich erneuerbarer Energien hierzulande zu stärken, so der Leitartikler von Het Laatste Nieuws.
Auch Het Belang van Limburg macht mit der nuklearen Zeitbombe und der Gefahr einer vollständigen Kernschmelze auf und meint, dass die Angst vor einer Atomkatastrophe wachse. Derweil würde hierzulande ein Run auf Jodtabletten einsetzen. Landesweit müssten viele Apotheker verunsicherte Bürger beruhigen.
Außer Kontrolle
Auch für De Morgen ist die Reaktorkatastrophe in Japan Titelthema und "out of control". Japan halte den Atem an. Im Leitartikel heißt es, dass die Debatte über die Kernenergie seit Fukushima auch in Belgien zu führen ist, und ein Vermeiden dieser Diskussion keine Option darstellt. Man könne nur hoffen, so der Kommentator, dass auch hierzulande durch die Vorgänge in Fukushima eine breite parlamentarische Debatte über die Zukunft unserer Atommeiler angestoßen werde. Viel zu lange seien Fragen über Sicherheitsrisiken hierzulande mit einer gewissen Arroganz durch die Atomlobby als irrelevant vom Tisch gefegt worden. Diese Haltung sei allerdings kein Monopol von Electrabel gewesen. Weltweit habe die Atomlobby sich wieder für unantastbar gehalten.
L'Avenir titelt hierzu heute: "Die Japaner wollen die Wahrheit". Immer mehr mache sich Unruhe breit und steige die Zahl jener, die aus Angst vor einer Kontaminierung Japan verlassen wollen.
Auch für La Libre Belgique wird die Polemik um die Atomkraft durch Japan wiederbelebt. Im Leitartikel heißt es, dass ein Nullrisiko nicht bestehe. Die Ereignisse in Japan würden uns deutlich vor Augen führen, dass die Kernenergie auf einem riskanten Grundsatz beruhe. Dem nämlich, dass das Unwahrscheinlich nicht eintritt. Dies gelte es zu überdenken, unsere Gesellschaft müsse sich erneuern.
Regierungsbildung ohne N-VA kein Tabu mehr
Het Belang van Limburg widmet ihren Leitartikel indessen der innenpolitischen Situation. Das Vertrauen zwischen N-VA und PS sei noch nicht wiederhergestellt, meint der Kommentator und glaubt, dass eine neue Regierung wohl noch auf sich warten lassen werde. Käme sie doch zustande, dann wohl ohne Beteiligung der N-VA. Dies zumindest sieht der Leitartikler bei den Französischsprachigen als feste Überzeugung. Selbst für die SP.A, OpenVLD und Groen! sei eine Regierung ohne die N-VA schon lange kein Tabu mehr. Der Schlüssel liege bei der CD&V, und auch dort mehrten sich die Stimme jener, die eine Koalition ohne die N-VA bilden würden. Vielleicht würde ja auch der Umstand, dass die EU-Kommission Ende April von der föderalen Regierung Pläne zur langfristigen Sanierung der Staatsfinanzen erwarte, bei Zustandekommen einer Regierung ohne die N-VA helfen.
Comeback für Yves Leterme?
Der Leitartikler in Het Nieuwsblad sieht dann sogar ein mögliches Comeback für Yves Leterme und meint: Wer hätte das am 13. Juni gedacht, dass Leterme neun Monate später Chancen habe, erneut Regierungschef zu werden?
Bild: Kimimasa Mayama (epa)
Ich bin keine Befürworterin der N-VA und doch ist es für spätere Jahre bedenklich, schliesst man sie in einer eventuellen kommenden Regierungsbildung aus. Grund: Die Wähler werden sich in Zukunft diesbezüglich rächen, die N-VA wird dann noch mehr Stimmen bekommen!