"Regierungsbildung: Was kann De Wever dem König anbieten?", fragt das GrenzEcho auf Seite eins. "Bart De Wever muss mit absoluter Pattsituation zum König", fasst De Standaard zusammen. "Nach 155 Tagen keinen Schritt näher an einer Regierung", so Het Nieuwsblad. "Stopp oder doch noch weiter für De Wever?", bringt es Le Soir auf den Punkt. "Föderale Regierungsbildung steckt absolut fest: Auch Open VLD-Spur führt zu nichts", ergänzt Het Belang van Limburg.
Auch gestern sind die potenziellen Arizona-Parteien zusammengekommen, unterstreicht Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Ohne die flämischen Sozialisten von Vooruit. Aber auch ohne den Auswechselspieler Open VLD. Das macht nicht gerade viel Hoffnung für die föderalen Regierungsverhandlungen. Dass Conner Rousseau und seine Sozialisten wieder an Bord geholt werden können, scheint zumindest aktuell ausgeschlossen. Und die theoretische Alternative mit der Open VLD kann quasi nicht funktionieren mit ihrer Mini-Mehrheit von einem einzigen Sitz in der Kammer. Immer häufiger wird deshalb eine sogenannte "Notregierung" ins Spiel gebracht. So eine Regierung könnte grob vereinfacht gesagt drei bis sechs Monate ohne das Parlament schalten und walten. Eine Premiere wäre das übrigens nicht und es könnte Bart De Wever den Weg zur Macht ebnen. Die entscheidende Frage ist aber, wo De Wever die dafür notwendigen Partner finden soll. Warum sollten die Open VLD oder auch Vooruit da beziehungsweise später mitspielen, bei der Bildung einer vollwertigen Regierung? Ganz ehrlich: Wir sehen nicht, wie das funktionieren soll, legt Het Belang van Limburg den Finger in die Wunde.
Endlich die Ärmel hochkrempeln
Vollmachten für eine Notregierung sind eine Waffe, die man besser nicht leichtfertig aus dem Schrank holt, warnt Het Nieuwsblad. Denn sie setzen das Parlament außer Gefecht, auch wenn man natürlich fragen kann, wieviel Macht die Kammer überhaupt noch hat in unserer Partikratie. Eine Notregierung sollte ein Joker bleiben, der nur unter extremen Umständen gespielt wird. Das ist auch nicht nur eine Frage der politischen Hygiene: Die anstehenden Reformen sind zu wichtig, um sie mit einer knappen Mehrheit und ohne die notwendige parlamentarische und gesellschaftliche Debatte durchdrücken zu wollen, findet Het Nieuwsblad.
"Arizona", "Lagune" ohne Vooruit, dafür mit der Open VLD, Notregierung, Vivaldi, … zählt L'Avenir auf. Das einzig Wichtige ist, dass die politisch Verantwortlichen sich endlich die Ärmel hochkrempeln und sich die Hände schmutzig machen, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Denn hier geht es nicht um irgendwelche abstrakten Zahlen, hier steht die Zukunft des Landes auf dem Spiel und die Zukunft seiner sozialen und wirtschaftlichen Politik. Den Haushalt für 2025 vorzubereiten, bedeutet nicht nur, die Konten wieder in Ordnung zu bringen. Es bedeutet auch, Belgien für die Herausforderungen von morgen vorzubereiten, appelliert L'Avenir.
COP29 beginnt unter schlechten Vorzeichen
Dann richten sich die Blicke der Leitartikler auch auf das aserbaidschanische Baku, wo gerade die COP29 begonnen hat: Die Weltklimakonferenz hat unter sehr schlechten Vorzeichen anfangen, schreibt L'Echo. Ein schlimmeres Signal als die Wahl eines klimaskeptischen Präsidenten an die Spitze der größten Wirtschaftsmacht der Welt ist kaum vorstellbar. Hinzu kommt, dass zahlreiche wichtige Staatsoberhäupter durch Abwesenheit glänzen werden, zum Beispiel Macron und Scholz. Dieses sehr symbolische Fernbleiben kommt in einem gefährlichen Augenblick für Europa. Europa darf bei seinen Klimaanstrengungen keine Kehrtwende machen. Denn das wäre nicht nur schlecht für unsere Zukunft, sondern auch ein strategischer regionaler Fehler. Die Klimawende leistet einen essenziellen Beitrag zu unserer Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit, unterstreicht die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Wo bleibt die Anpassung an den Klimawandel?
Die Umstände für die COP29 sind nicht günstig, räumt auch De Standaard ein: Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Wiederwahl von Donald Trump – all das nährt den Pessimismus. Die Agenda dieser Weltklimakonferenz dreht sich weniger um die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen und mehr um Geld – genauer gesagt um die Finanzierung des Fonds, der Entwicklungsländern in puncto Klimawandel unter die Arme greifen soll. Die europäischen Regierungen sind aber alles andere als in Spendierlaune, Rechtsradikale und Konservative sind auf dem Vormarsch – und für sie ist Klima traditionell kein großes Thema. Was aber sicher auch nicht hilft, das sind die ganzen Negativberichte. Ständig bekommen die Bürger zu hören, dass die Welt den Bach runtergeht, dass wir mit weniger auskommen müssen, dass viele Dinge einfach nicht mehr gehen. Das wirkt entmutigend. Wie wäre es stattdessen mit hoffnungsvollerer Berichterstattung, mit Berichten über Verbesserungen der Lage, ja selbst von Überfluss? Das könnte mehr Enthusiasmus generieren, um sich zu engagieren, schlägt De Standaard vor.
Bei der Weltklimakonferenz geht es neben der Reduzierung der Erderwärmung auch um die notwendige Anpassung an den Klimawandel, erinnert Le Soir. Europa erwärmt sich stärker als andere Regionen der Welt und trotzdem ist die Gesellschaft schlecht darauf vorbereitet, auch in Belgien. Es mangelt an Plänen, alles stockt und es ist noch nicht mal klar, wer wofür zuständig ist. Dabei sollten uns die jüngsten Naturkatastrophen doch deutlich gemacht haben, dass Eile geboten ist. Und zwar nicht nur bei der Vorbereitung auf die Wetterextreme, die wir schon kennen, sondern auch auf noch schlimmere. Die Herausforderungen sind bekannt, der Einsatz ebenso: Wenn wir nichts tun, wird es uns nur noch teurer zu stehen kommen – auf allen Ebenen, ist Le Soir überzeugt.
Boris Schmidt