"Die Welt unter Trump II", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Ist Europa fähig, sich von den USA zu lösen?", fragt La Libre Belgique in ihrem Aufmacher. "Ist Elon Musk der eigentliche Gewinner dieser Wahl?", formuliert De Morgen ebenfalls eine Frage in seiner Schlagzeile. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA beschäftigt die Zeitungen neben vielen Berichten auch weiter in ihren Leitartikeln.
Het Laatste Nieuws behauptet: Wenn man nur eine Lehre aus dem Wahlergebnis ziehen möchte, dann die, dass die Amerikaner ganz klar für weniger staatliche Bevormundung gestimmt haben. Genau das hatte Trump nämlich in seinem Wahlkampf versprochen und war damit auf die Forderung seines großen Verehrers Elon Musk eingegangen. Auch der Chef von Tesla fordert vehement weniger Staat, weniger Bürokratie, weniger Vorschriften. Viele Amerikaner finden das gut. Und auch bei uns gibt es ja solche Stimmen. Überraschend ist das nicht. Man kann das als eine Gegenbewegung werten zu der staatlichen Bevormundung, unter der die Menschen während der Coronakrise zu leiden hatten. Auch das moralische Diktat der "Woke-Bewegung" ist vielen Menschen ein Ärgernis, von dem sie sich befreien möchten. Trump und Musk wollen das jetzt machen. Mal schauen, wie ihnen das gelingt und welche Auswirkungen das auf Europa haben wird, notiert Het Laatste Nieuws.
Leitfaden für gefährliche Realität
Le Soir malt ein düsteres Bild und erklärt: Ultrakonservative Kreise haben schon kurz nach Trumps Wahlniederlage vor vier Jahren damit begonnen, eine Art Leitfaden für eine zweite Amtszeit von Trump zu schreiben. Zwar hat sich Trump selbst während seines Wahlkampfs von diesen Kreisen distanziert. Doch wenn er sein Vorhaben "Ich werde ein Diktator sein" tatsächlich umsetzen will, hat er mit dem Leitfaden bereits alle Rezepte ausformuliert, wie er das machen könnte. In den 900 Seiten wird genau beschrieben, wie man Beamte ganz legal absetzen, das FBI und die Justiz direkt unter die Macht des Präsidenten stellen kann. Dieses düstere Szenario stammt nicht aus einem Film, sondern könnte leider eine gefährliche Realität werden, fürchtet Le Soir.
De Standaard stellt fest: Der deutliche Sieg von Trump hat seine europäischen Freunde in eine euphorische Stimmung versetzt. Sie können es kaum erwarten, mit seiner Unterstützung die Demokratie in ihren Ländern weiter auszuhöhlen. Allen voran Viktor Orban fühlt sich bei dem europäischen Gipfel in Budapest jetzt als Chef eines trumpisierten Europas. Nämlich als Chef eines Clubs von autokratischen und rechtsradikalen Politikern, der immer größer wird und immer stärker den europäischen Rechtsstaat von innen sabotieren will, analysiert De Standaard.
Schlechter Zeitpunkt für Krise in Deutschland
La Libre Belgique erinnert: Die Europäische Union ist jahrzehntelang von großen Krisen verschont geblieben. Und als diese Krisen dann mit der Eurokrise erstmals aufgetaucht sind, hat sich schnell gezeigt, dass die Union nicht gut gewappnet ist, diesen Krisen zu begegnen. Das hat sich seitdem nicht verbessert. Auch deshalb ist die Wiederwahl von Trump jetzt eine schlechte Nachricht für die EU. Denn Trump bedeutet eine neue Krise für die Union. Und das zu einer Zeit, wo die starken Motoren der Gemeinschaft, Deutschland und Frankreich, schwächeln, bemerkt besorgt La Libre Belgique.
De Tijd findet: Das Zerbrechen der Regierung in Deutschland kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn ein kopfloses Berlin ist schlecht für Europa. Gerade jetzt, wo Europa stark sein müsste angesichts der zweiten Amtszeit von Donald Trump, stürzt sich Deutschland in eine Krise, die nicht schnell gelöst werden wird. Der deutschen Wirtschaft geht es schon jetzt nicht gut. Wahrscheinlich wird es ihr noch schlechter gehen. Auch für Belgien, das so abhängig ist vom großen östlichen Nachbarn, sind das schlechte Neuigkeiten, bedauert De Tijd.
Langfristiger Schaden droht
Gazet Van Antwerpen kommentiert zur Bildung einer neuen Föderalregierung: Dass Bart De Wever sich jetzt bemüht, die OpenVLD mit ins Boot zu holen, ist alles andere als evident. Die Regierung hätte mit der OpenVLD nur eine Mehrheit von einer Stimme und keine Mehrheit in Flandern. Für eine Regierung, die Sparmaßnahmen in großem Stil beschließen will, sind das keine guten Voraussetzungen. Die Kritik, die CD&V-Chef Sammy Mahdi an diesen Gesprächen mit der OpenVLD geäußert hat, ist völlig verständlich, findet Gazet Van Antwerpen.
La Dernière Heure beschäftigt sich mit der Demonstration des nicht-kommerziellen Sektors gestern in Brüssel: 25.000 Menschen haben gegen Sparmaßnahmen demonstriert, die noch gar nicht beschlossen worden sind. Aber sie wittern natürlich, was in der Luft liegt. Und haben Recht mit ihrem Protest. Denn wer auf dem Rücken der Menschen sparen möchte, die sich beruflich mit anderen Menschen beschäftigen, läuft Gefahr, die kurzfristigen Sparmaßnahmen später teuer zu bezahlen, warnt La Dernière Heure.
Kay Wagner